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Gilmore Girls - Mehr als eine Fernsehserie

Gilmore Girls ist eine amerikanische Fernsehserie, die nun Stoff wissenschaftlicher Auseinandersetzung wurde. Im Mittelpunkt der Familienkomödie stehen Mutter und Tochter. An der Bergischen Universität Wuppertal hat sich eine Erziehungswissenschaftlerin mit ihren Studentinnen der Serie angenommen.

Von Ulrike Burgwinkel |
    "Erst dachte ich an Familienkonzepte, an Erziehungsstile, an Geschlechterkonzeptionen natürlich,"

    Professor Maria Anna Kreienbaum.

    "Die sind da ja gut aufzufinden. Es ist ja eine Serie, die auf den Alltag von Menschen guckt und die die Bedürfnisse und die Wünsche ernst nimmt von jungen Menschen aber auch von älteren Menschen, quer über die Generationen."


    Autorin: Die Wirklichkeit wird dabei nicht nur abgebildet oder gespiegelt, sondern weist darüber hinaus. Katharina Knoll hat als wissenschaftliche Mitarbeiterin das Projekt "Gilmore Girls" mit betreut und stuft eine Sichtweise als besonders bemerkenswert ein.

    "Dass wir einen Paradigmenwechsel des Frauenbildes finden, weil eben wir ganz zentral drei Frauen vorfinden, die im generationalen Verhältnis stehen, wir haben die Großmutter, die Mutter und die Enkeltochter und da sich drum rum eher die Männer gruppieren. Und wie da Konflikte entstehen, bzw. wie sich Lebensverhältnisse verändern, das fanden wir ganz spannend, wie die Frauen dargestellt werden, mitten im Leben stehen, die Agenten sind und ihr Leben gestalten."

    Der Sozialwissenschaftler und Männerforscher Michael Meuser spricht in seinen Arbeiten von der männlichen Hegemonie, im Verhältnis untereinander und im Verhältnis zu Frauen und spricht diese Vorrangstellung den Frauen gerade nicht zu. Die Untersuchung der "Gilmore Girls" hat deutlich andere Ergebnisse zutage gefördert. Maria Anna Kreienbaum

    "In dieser Serie ist ganz deutlich, wer die Definitionsmacht hat und dass die Entscheidungen, die gefällt werden, nachvollziehbare Entscheidungen sind, also jetzt nicht ein neues Muster, was aufoktroyiert wird, sondern begründete mehrdimensional getroffene Entscheidungen, die bedeuten, dass man möglicherweise auf eine Beziehung verzichtet, wenn man andere Träume verwirklichen will. Also, dass der Mann um jeden Preis, dass Familienglück nicht höchstes Gut ist, sondern dass die beruflichen Chancen, das, was man im Leben erreichen kann, auch probiert werden will und wenn dann eine Beziehung auch möglich ist, dann ist das gut, aber es ist nicht umgekehrt."

    Die Gilmore Girls als Rollenmodell, als Vorbild? Katharina Knoll hat ein didaktisches Experiment durchgeführt mit den Seminarteilnehmerinnen. Beim Anschauen von Szenenausschnitten, dem Analysieren und Interpretieren der inhärenten Botschaften hat sie herausgefunden, dass die Zuschauer vornehmlich ihren individuellen Horizont, ihren persönlichen Kontext einbringen, sich nicht eindimensional identifizieren. Doch nicht nur das.

    "Dass da die Gilmore Girls aber auch Möglichkeiten bieten, Kraft zu geben, neue Ideen, wie man das Leben gestaltet, das kam auch raus, dass da eben viele Anreize sind, wie die jungen Frauen weiter leben wollen."

    "Da geht es um Freundschaft, dass man die Muster sieht, und dass mit den eigenen Freundschaften vergleicht und sieht, wie weit Freundschaft tragen kann und dass das eine Stärkung ist. Da sind die Erwartungen der Elterngeneration, eigentlich eher von den Müttern in der Serie gebracht, aber übertragen auf die Väter, also eine sehr eigenständige Situation,dass man den Kontext der Serie nimmt, sich selbst mit hinein nimmt und die Personen, mit denen man selber zu tun hat, sich an denen dann abarbeitet. Das haben die jungen Frauen in der Seminarsituation herausgearbeitet, wie die Serie sie begleitet hat und ihnen auch Stärke gegeben hat."

    Lebenshilfe oder Therapeutikum für die Zuschauerinnen? Das wäre sicher zu hoch gegriffen in der Bestandsaufnahme dieser Serie, ansatzweise lässt sich dieser Effekt allerdings schon konstatieren. Aber schließlich geht es bei den Gilmore Girls auch –möglicherweise zuvörderst um Unterhaltung. Den Produzenten der Serie ganz sicher; Marktkompatibilität, sprich Konsum und Verkauf von DVDs und an Fernsehsender sichern das Überleben auf dem expandierenden weltweiten Serienmarkt. Niveauvolle Unterhaltung ist da kein schlechter Ratgeber. Die Serie bildet eigentlich typisch amerikanische Lebenswelten ab. Die Treffen in Luke’s Diner zum Beispiel, einem Kommunikationsort für die überwiegend jüdischen Bewohner von Stars Hollow. Oder die hohen Kosten für eine gute Ausbildung, wie sie die belesene und ehrgeizige Rory in Harvard anstrebt, was wiederum ein großelterliches Darlehen erfordert, denen mit regelmäßigen Berichten beim gemeinsamen Drei-Generationen-Abendessen gedankt werden muss. Das scheint nur in geringem Maße übertragbar auf deutsche Verhältnisse zu sein. Katharina Knoll.

    "Zu den kulturellen Codes lässt sich sagen, dass die Serie sich durch ganz raffinierte Dialoge auszeichnet, die ganz viele kulturelle Anspielungen machen und da ist A ein Unterschied, ob man das auf Deutsch guckt oder auf Englisch, und B wird man das mit einem deutschen Hintergrund gar nicht in der Tiefe verstehen können. Oder da muss man sich schon sehr gut in der amerikanischen Kultur auskennen. Aber trotzdem entwickelt die Serie auch stückweit so einen Humor, in diesen Dialogen und das macht dann auch so viel Spaß, das zu gucken."

    "In meinen Augen ist das so: Wir haben vor allen Dingen durchschnittliche Menschen. Die Normalität, die merkt man ihnen in dieser Serie gar nicht an, aber wenn Sie mal sehen, da haben wir die Partnerin von Lorelai, die mit ihr das Hotel leitet, die ist Köchin, Sooki St.James heißt die in der Serie, die spielt in der nächsten Serie eine Frau, die Molli heißt, die schon mit ihrem Namen auf ihre etwas mollige Figur zugeschnitten wird und da sind viele, die mit ihren Macken, mit ihren Ticks, ihren Besonderheiten charakterisiert werden, die niemals nur positiv oder nur negativ sind, die sehr schillernd sind und die sich im Laufe der Zeit verändern können."

    Fast wie im richtigen Leben. Schon die Titel der einzelnen Folgen von "Sex mit dem Ex" über "Trautes Heim-Stress allein", "Das liebe Geld" oder "Reif für die Insel" zeigen Problemfelder auf, die auch hierzulande nicht ganz unbekannt sind. Den Lebensträumen der Protagonistinnen: letztlich etwas so Banales wie Liebe und Glück auf Erden, verbauen Stolperfallen, Umwege und Einbahnstraßen den Weg; es gibt Missverständnisse, Irrtümer, falsche Entscheidungen oder ganz einfach Pech. Maria Anna Kreienbaum:

    ""Dieses den Menschen zuschauen, die ja mit Herausforderungen zu kämpfen haben. Ich meine, also wie Lorelai: Mit 16 ist sie schwanger geworden und ist aus ihrem großbürgerlichen Elternhaus ausgebrochen, hat sehr klein angefangen, hat sich hochgearbeitet und vermittelt jetzt zwischen diesen Welten, also möchte die Annehmlichkeiten ihrer Tochter gern ermöglichen, aber möchte eigentlich, dass die ein ernsthaftes Leben führt, dass es um Sachen geht und nicht nur um den schönen Schein. Solche Dinge, die sind einfach wunderbar aufbereitet bei den Gilmore Girls."