Samstag, 18. Mai 2024

Archiv


Girolamo Frescobaldi: Canzoni

Wir stellen Ihnen heute "Canzoni" von Girolamo Frescobaldi vor, eingespielt von Les Basses Réunis unter der Leitung von Bruno Cocset, erschienen beim französischen Label "alpha".

Von Christiane Lehnigk | 31.10.2004
    Im Studio begrüßt Sie dazu Christiane Lehnigk.

    • Musikbeispiel: Girolamo Frescobaldi - Ottava a Basso Solo "detta l'Ambitiosa"

    Girolamo Frescobaldi, ein Luzzaschi-Schüler, wirkte 35 Jahre lang als Organist an der Peterskirche in Rom und gehört mit zu den zentralen Persönlichkeiten in der Musikgeschichte des frühen 17. Jahrhunderts. Er gilt als einer der Wegbereiter der Barockmusik und schrieb vor allem Instrumentalwerke. Die meisten Kompositionen entstanden für Tasteninstrumente, eine Ausnahme bilden die Sammlungen von "Canzoni" zu zwei bis vier Stimmen, bei denen die Besetzung nicht vorgeben ist. Diese Gattung, die sich aus der Intavolierung französischer Chansons entwickelte, gehörte zum Standart-Repertoire der Zeit und wurde von den unterschiedlichsten Ensemblekonstellationen gespielt. Heutzutage sind diese Stücke vor allem bei Blockflötenensembles sehr beliebt.

    Bruno Cocset und Les Basses Réunis haben sich bei ihrer Fassung für eine Consort-Besetzung mit den tiefen Instrumenten der Violin-Familie entschieden, wobei die canzoni a basso solo von einem 6-saitigen, in Quarten und Quinten gestimmten, Bass gespielt werden, der die Viola "a la Bastarda" zum Vorbild hat. Dieses Instrument konnten sie in dem ersten Stück "detta l'Ambitiosa" hören . In den canzoni a due bassi kommt hier noch eine Bass-Violine hinzu. Die anderen Stimmen verteilen sich auf Tenor- und Bass-Violine, Violone und Kontrabass, unterstützt von Harfe, Theorbe, Cembalo und Claviorganum. Die Oberstimmen wurden generell um eine Oktave tiefer gesetzt, um einen intimeren, warmen Klang zu erreichen.

    In den Canzoni, die vier separate Stimmen verlangen, hat Cocset einen Zinken und einen sogenannten "stillen Zinken" hinzugenommen, um eine größere klangliche Einheit zu erzielen. Beeindruckend, welch' zarte Töne William Dongois hier auf diesem Instrument hervorzubringen vermag.

    • Musikbeispiel: Girolamo Frescobaldi - Trigesima Quinta "detta l'Alessandrina"

    Dies war die Canzona Trigesima Quinta "detta l'Alessandrina" gespielt von Les Basses Réunis.

    Eine Besonderheit bei diesen "Canzoni" von Girolamo Frescobaldi ist, dass sich die virtuose Kunst der Diminution und Ornamentierung umgekehrt proportional zu der Anzahl der Instrumente verhält. Je mehr Stimmen beteiligt sind, desto mehr gerät Frescobaldi in einen strengeren kontrapunktischen Stil. Formal haben die Canzoni fast durchweg die gleiche Abfolge von einer langsamen Eröffnung, gefolgt von Abschnitten in Zweier- und Dreier-Takten. Die Episoden im "freien" Stil des Toccata-Typus, die später zu den langsamen Sätze der sonata da chiesa ausgebildet wurden, stellen eine Art meditative Unterbrechung dar, in denen der Instrumentalist seine virtuosen Fähigkeiten nach Art der Diminution unter Beweis stellen kann. Bruno Cocset und seine Musiker haben bei dieser Einspielung alle drei Sammlungen, die von den Kanzonen veröffentlicht wurden, zugrunde gelegt: die beiden Fassungen, die 1628 fast zeitgleich in Rom erschienen und von denen eine Edition in partitura von Frescobaldis Schüler Bartolomeo Grassi eingerichtet wurde. Und dann gibt es noch eine dritte, 1635 in Venedig veröffentlichte Fassung, in der die Kanzonen vom Komponisten noch einmal sorgfältig überarbeitet, auch ein wenig geglättet wurden. Diese insgesamt rund 66 Stücke bilden zusammen, so Cocset, eine Art "Manifest" des stile concertato, des konzertierenden Stils und ihre Zusammenstellung in den verschiedenen Ausgaben entwickelt sich von den einfallsreichen und virtuosen "Canzoni a voce sola" mit Continuo bis zu polyphonen Stücken, ähnlich den Capricci von 1624. Die Canzoni gehören nicht nur zu den schönsten Beispielen einer brillanten Tradition, die in Italien von Mailand bis Neapel gepflegt wurde. Sie gelten auch als originelle Vorläufer der sonata da chiesa, der Kirchensonate, geschrieben für die rare Besetzung von verschiedenen Bass-Instrumenten.

    Bruno Cocset und seinen Musikern gelingt es hier, in einem sehr lebendigen Musizierstil, durch die Wahl des Tempos und der Besetzung, jeder Canzona zu einer eigenen Grundstimmung zu verhelfen und eine wahre Klangpracht zu entfalten. Das kammermusikalische Zusammenspiel ist gerade bei den für Frescobaldi typischen Takt- und Tempowechseln und den chromatischen Extravaganzen, exzellent.

    • Musikbeispiel: Girolamo Frescobaldi - Seconda a 4, Due Canti e Due Bassi

    Les Basses Réunis unter der Leitung von Bruno Cocset spielten eine "Canzona per Due Canti e Due Bassi" von Girolamo Frescobaldi.

    Der Cellist Bruno Cocset, der seit 1988 auch Mitglied von Il Seminario Musicale ist, gründete 1996 zusammen mit Blandine Rannou, Pascal Montheilhet und Richard Myron mit Les Basses Réunis sein eigenes Ensemble, dessen Produktionen seitdem vielfach ausgezeichnet wurden. Cocset hatte zunächst Cello bei Didier Aubert, Alain Meunier und Jean Deplace studiert, bevor er sich dem Barock-Cello zuwandte und Unterricht bei Christophe Coin, Anner Bijlsma und Jaap Schroeder nahm. Er spielt in vielen international renommierten Barock-Orchestern und zeigt in dieser Produktion einmal mehr seine beeindruckenden Fähigkeiten als Kammermusiker. Er spielt hier Tenor-Violine und die Bass-Violine "a la Bastarda", das übrige Ensemble setzt sich zusammen aus Emmanuel Jacques - Tenor- und Bass-Violine, Emmanuel Balssa – Bass-Violine, Richard Myron – Violone und Kontrabass, William Dongois – Zinken, Xavier Diaz-Latorre – Theorbe, Christina Pluhar - Harfe sowie Luca Guglielmi und Laurent Stewart – Cembalo und Claviorganum.

    In der abschließenden Canzona Seconda a Quattro "Sopra Romanesca" hören Sie alle Musiker noch einmal gemeinsam.

    • Musikbeispiel: Girolamo Frescobaldi - Seconda a 4, Canto Alto Tenor Basse "Sopra Romanesca"

    Die Neue Platte im Deutschlandfunk. Wir stellten Ihnen heute "Canzoni" von Girolamo Frescobaldi vor, eine beim französischen Label "alpha" erschienene CD mit Les Basses Réunis unter der Leitung von Bruno Cocset.
    Im Studio verabschiedet sich, mit Dank fürs Zuhören, Christiane Lehnigk.