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Giuseppe Tartini: The Violin Concertos

Wir stellen Ihnen heute zwei neue Produktionen mit dem italienischen Ensemble "L'Arte dell'Arco" vor, unter der Leitung von Giovanni und Federico Guglielmo. Beim Label Dynamic erschien jetzt Volume 12 der Gesamteinspielung von Giuseppe Tartinis Violinkonzerten. Bei cpo veröffentlichte das Ensemble "Le Quattro Stagioni" von Antonio Vivaldi und von Giovanni Guido.

Von Dr. Christiane Lehnigk | 03.10.2004
    Im Studio begrüßt Sie dazu Christiane Lehnigk.

    • Musikbeispiel: Giuseppe Tartini - 3. Presto aus: Concerto G-dur D 79

    30 CDs soll das Tartini-Projekt umfassen, das L'Arte dell'Arco unter der Leitung von Giovanni Guglielmo innerhalb von 10 Jahren beim italienischen Label Dynamic einspielen möchte. Acht Folgen der Violinkonzerte sind mittlerweile erschienen, Volume 12 umfasst die jüngste Veröffentlichung mit zwei CDs und 9 Konzerten aus der mittleren Schaffensperiode Tartinis, ab ca. 1735.

    Giuseppe Tartini, den seine Familie ursprünglich zum Geistlichen bestimmt hatte, entzog sich dieser Profession durch ein Studium der Rechtswissenschaften, brachte sich das Violinspiel zunächst selbst bei und intensivierte seine Studien nach einer Begegnung mit Veracini weiter.

    Außer einem mehrjährigen Aufenthalt in Prag als Kammermusiker des Grafen Kinsky, wirkte er überwiegend in Padua, wo er auch 1727 eine in ganz Europa berühmt gewordene Violinschule, die "Scuola delle Nazioni" gründete. Hier gehörte Pietro Nardini zu seinen Lieblingsschülern.

    Tartinis Einfluss als Violinist und Komponist auf seine Zeitgenossen war immens. Er forschte auf dem Gebiet der Harmonik und Akustik, mit nicht unumstrittenen Ergebnissen, und kümmerte sich zum Beispiel um die bauliche Verbesserung der Violine und die Verlängerung des Bogens. Dennoch verblasste sein Ruhm schon bald nach seinem Tod, mit Ausnahme vielleicht seiner Violinsonaten, unter denen die mit dem "Teufelstriller" überaus berühmt wurde. Erst im 20. Jahrhundert entdeckten Forscher und Musiker seine Werke neu.

    Seine Kompositionen waren einzig und allein der Geige gewidmet, wobei die 135 Violinkonzerte und rund 200 Sonaten für Violine und Generalbass die Basis bildeten. Und obwohl auch Tartini den Einfluss Vivaldis auf seine frühen Werke nicht leugnen konnte, scheint er den Venezianer doch nicht besonders geschätzt zu haben. Doch Tartini machte sich schnell frei von seinen Vorbildern Corelli und Vivaldi und entwickelte einen eigenständigen , individuellen Stil, der sich vor allem in den ausdrucksstarken, kantablen langsamen Sätzen manifestierte, aber dennoch eher barock als vorklassizistisch geprägt war.

    Bei den von L'Arte dell'Arco eingespielten Violinkonzerten soll es sich zum größten Teil um "Ersteinspielungen" handeln. Das legt die Vermutung nahe, dass Guglielmo bis dahin unbekannte Werke Tartinis entdeckt und wieder ans Licht gebracht hat, was allerdings nur teilweise stimmt. Bis auf die ersten 12 Konzerte, die noch zu Lebzeiten gedruckt wurden, sind die übrigen Werke nur in schwer leserlicher Manuskript-Form oder mehr oder weniger zeitgenössischen Abschriften verstreut in verschiedenen Archiven erhalten geblieben. So war schon eine genaue Datierung schwer möglich und bei genauerem Hinsehen erwiesen sich die Vorlagen auch noch als unvollständig. Nun haben sich Giovanni Guglielmo und sein Cembalist Nicola Reniero daran gemacht, die "verstümmelten oder unvollständigen Sätze" zu "ergänzen" und auch die Capricci und Kadenzen wurden, wenn nicht vorgeschrieben, von den Solisten unter Verwendung auch von Modellen Nicolais und Nardinis "nachkomponiert".

    Natürlich steht es jedem Musiker frei, mit vorliegendem Notenmaterial zu experimentieren, die Puristen authentischer Aufführungspraxis mögen hier allerdings die Nase rümpfen.

    Denn gerade das hat man ja den Herausgebern alter Musik früher vorgeworfen, dass sie die Musik nach ihrem Gusto "verschlimmbesserten".

    Doch haben Musiker von heute natürlich einen ganz anderen Hintergrund, das Wissen um Quellen und Aufführungspraxis ist inzwischen unendlich viel umfangreicher, als z.B. noch in den 50er und 60er Jahren.

    Dennoch handelt es sich bei L'Arte dell'Arcos Tartini-Projekt letztlich um eine, wenn auch stilsichere "Bearbeitung" der Quellen. Und wenn die Interpretation, gerade in Bezug auf die Ornamentierung, überzeugen mag, so unterscheiden sich die Konzerte doch nicht so fundamental voneinander, als dass nicht nach einer Weile beim Zuhörer leichte Ermüdungserscheinungen auftreten, was vielleicht durch eine noch ausgefeiltere Affektdarstellung zu vermeiden gewesen wäre.

    Hören Sie hier noch einen der für Tartini charakteristischen langsamen Sätze, das Andante aus dem C-dur Konzert nach dem Werkverzeichnis von Dounias Nr. 9. Der Solist ist Giovanni Guglielmo.

    • Musikbeispiel: Giuseppe Tartini - 2. Satz (Ausschnitt) aus: Concerto C-dur D 9

    Titel: Giuseppe Tartini: The Violin Concertos, vol. 12 ("In nomine Dei")
    Ensemble: L'Arte dell'Arco
    Leitung: Giovanni Guglielmo
    Label: Dynamic (Vertrieb: Klassik Center Kassel)
    Labelcode: LC 02654
    Bestell-Nr.: CDS 462/1-2