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Give me five

Internet.- Seit drei Jahren wird um eine Nachfolgerin der Seitenbeschreibungssprache Hypertext Markup Language gerungen. Jetzt will das World-Wide-Web-Konsortium den Standrad für HTML5 festlegen. Doch ausgerechnet da bricht die Diskussion über deren Leistungsfähigkeit erneut aus.

Von Peter Welchering | 17.12.2011
    Im Mai dieses Jahres haben die Verantwortlichen des World-Wide-Web-Konsortiums zum "Last Call" für HTML5 aufgerufen. Damit wollten sie signalisieren: Die Arbeit am neuen Web-Standard ist abgeschlossen, nun soll er rasch verabschiedet werden. Kaum war die Web-Gemeinde aufgerufen, eine letzte Bewertung der vorliegenden Spezifikationen von HTML5 vorzunehmen, da wurde auch schon heftige Kritik laut. So schimpfte der Web-Designer Shane McCarron, HTML5 sei doch nur eine miese Notlösung, weil die großen Browser-Hersteller mit den notwendigen Entwicklungen für das Semantic Web überfordert seien. Und Web-Veteran Joe Clark setzte noch eines drauf und monierte, HTML5 sei schlicht überflüssig. Dabei bietet HTML5 gegenüber der Vorgängerversion HTML4 zahlreiche und wichtige Verbesserungen. Stefan Adam vom Softwarehersteller Woodwing bewertet das so.

    "Der Sprung zwischen HTML4 und HTML5 ist immens. Ich würde HTML5 auch eher als Anwendungsplattform beschreiben, denn die Schnittstellen zu Javascript zum Beispiel sind ja sehr stark ausgebaut worden beziehungsweise auch die Möglichkeiten, was Forms angeht und so weiter. Also insofern bietet uns das natürlich schon die Möglichkeit, Technologien, die man sich vorher aus vielen Frameworks zusammen sammeln musste, dass man das in Zukunft nicht mehr muss, sondern dass man da auf eine Technologie, die mittlerweile so weit gefasst ist, zurückgreifen kann. Und wenn dann, ich glaube im Jahr 2014 soll HTML5 endgültig standardisiert und zertifiziert werden, wenn wir dann so weit sind, ich glaube das ist dann für viele Anbieter sehr viel einfacher wird, ihren Kunden sehr schöne Lösungen anzubieten."

    Kritisiert wird trotz aller Verbesserungen vor allen Dingen der Entwicklungsprozess von HTML5. Massiv angegriffen wird dabei immer wieder: Ian Hickson, der maßgebliche Autor der HTML5-Entwürfe, und die von ihm dominierte Arbeitsgruppe mit dem etwas sehr sperrigen Namen Web Hypertext Application Technology Working Group, abgekürzt Whatwg-Gruppe. Denn Hickson und seine Mitstreiter haben die Entwicklung von HTML5 ziemlich unabhängig vom World-Wide-Web-Konsortium betrieben und damit die demokratischen Grundlagen der Web-Standardisierungsprozesse infrage gestellt.

    Hinter Google-Mitarbeiter Ian Hickson und seinen Mitstreitern der Whatwg-Gruppe stecken nämlich die Interessen gleich mehrerer Web-Konzerne. Das hat die erhofften einheitlichen Standards von HTML5 zum Teil verhindert. Vor allen Dingen bei den mobilen Web-Anwendungen wirkt sich das erheblich aus. Softwarespezialist Stefan Adam fasst das so zusammen.

    "Die momentan noch gar nicht abgesegneten Standards von HTML5 machen es uns auch etwas schwer, zumal natürlich auch auf den unterschiedlichen Tablets unterschiedliche Technologien eingesetzt werden. Also das Webkit von Apple, das auf dem iPad zum Einsatz kommt, hat zurzeit eine andere Versionsnummer, als das Webkit, das bei Android-Geräten zum Einsatz kommt. Da kann es natürlich tatsächlich sein, dass Inhalte, obwohl sie natürlich browserkompatibel sein sollten, unterschiedlich dargestellt werden. Das bereitet uns zum Teil auch wirklich noch Kopfzerbrechen und da versuchen wir auch Lösungen zu finden."

    Besonders die Einbindung von Audios und Videos sollte mit HTML5 viel einfacher werden. Apple und Google verhinderten über ihren Einfluss auf die Whatwg-Gruppe, dass der von zahlreichen Mitgliedern des World-Wide-Web-Konsortiums favorisierte freie Videostandard "Ogg Theora" sich durchsetzen konnte. Zurzeit sind in den Spezifikationen von HTML5 mindestens drei unterschiedliche Audio- und Video-Standards beschrieben. Stefan Adam:

    "Was wir natürlich am meisten vermissen, das sind entsprechende Codecs für Audio und Video, die lizenzfrei sind. Das ist glaube ich momentan noch ein Punkt, der viele Verleger daran hindert, voll und ganz auf den HTML5-Standard zu setzen."

    Gerade aber die großen amerikanischen und europäischen Presse-Verlage waren bisher in einer regelrechten HTML5-Euphorie. Nun werden sie bitter enttäuscht. Denn sie mussten feststellen, dass Tablet-Computer wie iPad und Co nicht nur großartige Chancen bieten, neue Distributionskanäle für ihre Verlagsprodukte aufzubauen, sondern vor allen Dingen Schwierigkeiten bei der Tablet-gerechten Produktion der Medieninhalte bereiten. Gefordert wurde deshalb eine einheitliche Web-Anwendungsplattform. Und die sollte HTML5 bieten. Nach dem "Last Call" des W3C-Konsortiums stellt sich aber nun heraus, dass genau diese Einheitlichkeit zugunsten der verschiedenen Interessen weniger Web-Konzerne aufgegeben wurde. Und das wird noch zu heftigen Diskussionen bis zur geplanten Einführung von HTML5 im Jahre 2014 führen.