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Gläserner Surfer

Als Internetnutzer ist man oft verblüfft, welche Daten man beim Surfen hinterlässt und was zum Beispiel so genannte Data-Mining-Unternehmen, also Daten-Gräber, damit alles anfangen. Doch wie sich mancher Verbraucher bewusst gegen eine Payback- oder Kundenkarte entscheidet, so muss man auch im Internet nicht automatisch zum gläsernen Verbraucher mutieren.

Von Marcus Schuler |
    ReputationDefender heißt das Start-Up-Unternehmen, das der 28-jährige Michael Fertik vor drei Wochen in den USA gestartet hat. Seine aus 25 Mitarbeitern bestehende Firma sucht das Netz nach persönlichen Daten seiner Auftraggeber ab und versucht. diese bei Nichtgefallen zu löschen.

    "Als Kind hat man sich früher, wenn man sich nicht leiden konnte, kleine Zettelchen geschrieben, die man dann wieder weggeschmissen hat. Heute benutzt man das Internet, und es ist wie eine große Wand, auf die man etwas pinselt. Ein Eintrag ist öffentlich, Millionen können ihn sofort lesen. Und einmal im Netz gemachte Fehler können einen ewig verfolgen."

    Für Personalchefs ist es heute üblich, den Namen eines Bewerbers auch in eine Suchmaschine einzugeben, selbst wenn der Bewerber keine eigene Homepage besitzt. Kauft man in der Internetbuchhandlung Amazon ein Buch und hinterlässt dann unter Angabe des Namens und der eigenen E-Mail-Adresse eine Produktbewertung, genügt allein schon solch ein Eintrag, um in den Ergebnissen von Google, Yahoo oder Microsoft aufzutauchen. Die Wahrscheinlichkeit, via Suchmaschine gefunden zu werden, ist ebenfalls groß, wenn man sich in einem Internettagebuch, einem so genannten Weblog, oder in einem anderen Forum an einer Diskussion beteiligt und dabei E-Mail-Adresse oder Namen einträgt.

    Das Web kennt das Wort "vergessen" nicht. Eigene, achtlose hinterlassene Daten sind - so man sich nicht um deren Löschung kümmert, wie in Stein gemeißelt - im Internet archiviert. Selbst gelöschte Internetseiten sind noch längst keine Gewähr dafür, dass diese Daten nicht auf andere Weise weiter fortbestehen. So hat sich der Dienst archive.org mit seiner WayBack-Maschine darauf spezialisiert, quasi alle Internetseiten abzufotografieren und für die Nachwelt aufzubewahren.

    Die Sammelleidenschaft der Suchmaschinenroboter scheint keine Grenzen zu kennen. Vor allem die Geheimdienste und die Werbebranche haben ein großes Interesse daran, soviel wie möglich über die Internetbenutzer und deren Surfverhalten herauszufinden. Die Industrie argumentiert, dass man damit potenzielle Kunden finden und ihnen passende Angebote zur Verfügung stellen kann. Wenn jemand öfter etwas über Spülmaschinen schreibt, so die Denkweise, dann kann man ihn vielleicht mit einem Kühlschrankangebot locken.

    Erst im Sommer war der amerikanische Internetprovider AOL in die Schlagzeilen geraten, weil er eine nur unwesentlich veränderte Log-Datei ins Netz gestellt hatte, in der nicht nur die Mitgliedsnummern von mehr als 600.000 AOL-Nutzern in Amerika verzeichnet waren, sondern auch die Suchbegriffe, die die AOL-Mitglieder eingegeben haben. Für nur halbwegs bewanderte Informatiker war es damit möglich, genau festzustellen, welches AOL-Mitglied nach dem Soziologen Niklas Luhmann, und welches nach Sex gesucht hat.

    Viele der großen Suchmaschinen-Betreiber bieten längst personalisierte Dienste wie E-Mail-Konten an. Ohne Probleme könnten sie so Suchanfragen mit den einzelnen Benutzerdaten verknüpfen. Offiziell tun sie das natürlich nicht. Trotzdem wäre es für sie leicht, spezielle Profile zu erstellen. Es gibt viele Gründe, seine Anonymität im Netz besser zu schützen: Wie sich mancher Verbraucher bewusst gegen eine Payback- oder Kundenkarte entscheidet, die man beim Tanken oder Einkaufen im Supermarkt verwendet, so muss man auch im Internet nicht automatisch zum gläsernen Verbraucher mutieren.

    Zunächst ist es deshalb ratsam, sich bei einem der zahlreichen, kostenlosen Webmailer wie Hotmail, Yahoo oder GMX ein E-Mail-Konto unter einem geschlechtsneutralen Fantasienamen anzulegen. Diese E-Mail-Konto kann man dann auch bei Auktionen angeben, in Foren oder Weblogs mitdiskutieren oder beim Einkaufen im Netz einsetzen.

    Auch der E-Mail-Verkehr unter seinem richtigen Namen, lässt sich - trotz SSL-Verschlüsselung, die nur vom eigenen PC bis zum Provider funktioniert, besser vor den Einblicken anderer verbergen. Wer viel vertrauliche E-Mails austauscht, kann sich das kostenlose Verschlüsselungsprogramm OpenPGP (http://www.openpgp.org/) installieren. Besonders leicht lässt sich die Verschlüsselungs-Software in das E-Mail-Programm Thunderbird (http://www.mozilla-europe.org/de/products/thunderbird/) integrieren, das es kostenlos gibt.
    Die härteste Methode von Anonymisierung funktioniert mit Hilfe von so genannten Anonymisieren. Das sind Programme, mit denen man seine IP-Adresse verschleiert. Dieser IP-Adresse erhält man beim Einloggen ins Internet von seinem Internetanbieter automatisch zugewiesen. Anonymises bauen bestimmte Ketten von Proxies, von Stellvertreter-Adressen, auf, zwischen denen der Verkehr verschlüsselt wird. Diese Variante ist zwar langsam, das heißt der Seitenaufbau dauert trotz Breitbandverbindung um ein vielfaches länger, dafür ist der Datenverkehr aber recht sicher. Die eigene IP-Adresse lässt sich nicht mehr zurückverfolgen.

    JAP (http://anon.inf.tu-dresden.de/index_en.html) und TOR (http://tor.eff.org/) sind zwei Dienste, mit der sich die eigene IP beim Surfen verbergen lässt. Das Programm TOR kann man sogar in den Browser Firefox integrieren, so dass bei Bedarf die Anonymisierung ab- und angeschaltet werden kann.

    Anonymiser sind den Ermittlungsbehörden allerdings ein Dorn im Auge. Immer wieder haben in den vergangenen Monaten bundesdeutsche Innenpolitiker gefordert, diese Möglichkeit einzuschränken. Ihre Argumentation: Terroristen und Straftäter könnten die Dienste missbrauchen.

    Und sollte man dann doch einmal mit unliebsamen Daten im Internet auftauchen, bleibt ja immer noch das Unternehmen von Michael Fertig - ReputationDefender (http://reputationdefender.com/). Vollmundig erklärt der 28-Jährige:

    "Ganz generell können Zeitungsartikel, die auch im Netz erscheinen, nicht gelöscht werden. Und auch Gerichtsakten lassen sich in den USA nicht tilgen. Das meiste andere können wir löschen oder zumindest bearbeiten."