Mittwoch, 15. Mai 2024

Archiv


Glanz aus Tausend und einer Nacht

Der Sultan von Burnei ist stolzer Besitzer einer goldenen Sänfte, angeblich über 360 Ferraris und unzähliger Prachtbauten, die mit Marmor, Gold und edlen Hölzern ausgestattet sind. Der kleine Ölstaat an der Nordküste Borneos in Südostasien ist eine absolute Monarchie.

Von Michael Frantzen | 31.10.2010
    Halb Brunei scheint heute Morgen auf den Beinen zu sein – zur Geburtstagsfeier des Propheten Mohammed. Das Stadion im Herzen der Hauptstadt Bandar Seri Begawan jedenfalls platzt aus allen Nähten. Islamische Pilger, soweit das Auge reicht. Viele tragen zum feierlichen Anlass ihre farbenfrohen traditionellen Gewänder.

    Bandar Seri Begawan heißt übersetzt "Hafen des verehrten Herrschers". Selbiger gibt sich auch die Ehre: Sultan Hassanal Bolkiah – mit einem geschätzten Vermögen von über zwanzig Milliarden US-Dollar einer der vier reichsten Monarchen der Welt.

    "Seine Majestät" hat es nicht weit gehabt heute früh. Der königliche Palast, erklärt Tourführer Mohammed Burinu Bin Saleh, liegt keine zwei Kilometer entfernt vom Stadtzentrum – gut abgeschirmt, an einer Lagune, inmitten eines riesigen Parks.

    "Der Palast wurde 1984 fertiggestellt – für rund 400 Millionen US-Dollar. Er ist einfach riesig: Es gibt exakt 1788 Räume. Plus 257 Toiletten. Der Sultan hatte sich in den Kopf gesetzt, den größten Palast der Welt zu bauen. Das hat er auch geschafft. Sehen Sie dort die drei Tore: Das ist der Haupteingang. Das linke Tor ist für die Königsfamilie reserviert, das Mittlere für die VIPS. Und das Rechte für Sie und mich – also für Normalsterbliche. Weiter hinten kann man manchmal auch eines seiner Luxusautos sehen. Meines Wissens hat er diverse Mercedes, Lamborghinis und mehrere Rolls-Royce."

    Auf Auslandsreisen steigt Seine Majestät in den fürstlichen Jumbo-Boing – wo sich eine geleaste Lufthansa-Crew um sein Wohl kümmert und Armaturen selbstverständlich golden sind.

    Aus purem Gold ist auch die Kuppel seines Palastes. Einmal im Jahr gewährt der Sultan seinen knapp 400.000 Untertanen Einlass – und schüttelt jedem Besucher höchstpersönlich die Hand. Jürgen Broda hatte auch schon mal das Vergnügen. Zwar redet der Hamburger Inneneinrichter, der seit gut 15 Jahren in dem Sultanat lebt, nicht über seine Auftraggeber. Der Palast Seiner Majestät sei ihm aber nicht unbekannt. Meint er vielsagend.

    "Der Stil ist aus Europa. Aus dem alten Europa, nicht aus dem neuen, modernen Europa. Sie haben den damaligen Stil übernommen – den "Royal Stil" würde ich sagen. Louis XIV. Und dieser Pomp. Was einen sehr goldigen Stil hat. Und das findet man hier in Brunei. Sie finden auch den französischen Stil hier im Königshaus; auch in den Häusern der Reicheren. Also ich würde sagen, 80 Prozent europäischer Einfluss. Und 20 Prozent einheimischer."

    Seit Ende des 19. Jahrhunderts war Brunei britisches Protektorat, erst 1984 wurde der südostasiatische Ministaat unabhängig. Wenn man so will, schwimmt das Land im Geld, genauer gesagt im Ölgeld. Es gibt keine Einkommenssteuer, dafür freie Krankenversicherung und ein Bildungssystem, das vom Schulbesuch bis zur Universität kostenlos ist.

    Deswegen hat auch kaum jemand in Brunei etwas gegen den Sultan. Sollte doch mal jemand auf die abwegige Idee kommen, seinen opulenten Lebenswandel zu kritisieren, hat Hoheit vorgesorgt. Vor einigen Jahren ergänzte Hassanal Bolkiah die Verfassung um den schönen Satz: Seine Majestät kann weder im persönlichen, noch im offiziellen Bereich Unrecht tun.

    Iganatius Stephen hat mit dem Passus kein Problem. Wer etwas über Land und Leute erfahren will, ist bei ihm genau an der richtigen Adresse. Der 77-Jährige ist der bekannteste Journalist im Sultanat. Letztes Jahr hatte er 50. Dienstjubiläum. Eigentlich wollte er sich schon längst zurückziehen, erzählt er, aber dann habe er sich doch wieder breit schlagen lassen – und weiter gemacht, als Herausgeber des Borneo Bulletin, der einzigen englischsprachigen Zeitung hier.

    "Wir sind eine absolute Monarchie. Es gibt klare Vorgaben, nach denen wir uns halten. Wir dürfen der Königsfamilie nicht auf die Füße treten. Wenn du dich daran hältst und nicht auf den Gedanken kommst, den Namen des Sultans in den Dreck zu ziehen, geht es dir gut. Wir dürfen durchaus Beamte oder Minister kritisieren – auch bei uns in der Zeitung. Aber: Keine Schläge unterhalb der Gürtellinie – das ist nicht unser Stil. In England gibt es ja auch gewisse Parameter des guten Geschmacks; des Anstands. Das Gleiche gilt bei uns."

    Sie ist die größte Moschee des Landes: die Jame'Asr Hassanal Bolkiah Moschee. Der Marmor ist aus Italien, die Kronleuchter aus Österreich, die Glasmosaike aus Großbritannien. Der große Gebetssaal für Männer fasst 3000 Personen, der für Frauen 1000. Wie vieles im herrschaftlichen Brunei ist die Moschee sehr groß geraten für so ein kleines Land.

    Zum Gebetsraum für die Männer unter der größten Kuppel führt eine Rolltreppe. Die darf nur Seine Majestät benutzen. Alle anderen müssen sich bei durchschnittlich 35 Grad und 99 Prozent Luftfeuchtigkeit die Treppe hoch quälen. Genau 29 Stufen. Das ist kein Zufall, erklärt Tourführer Mohammed Burinu Bin Saleh.

    "Der Grund dafür ist, dass der derzeitige Sultan der 29. Sultan des Königshauses ist. Deshalb gibt es in der Moschee 29 Treppen mit jeweils 29 Stufen, 29 Springbrunnen, 29 Kronleuchter. Der größte besteht aus 22 Karat Gold und wiegt 3,5 Tonnen."

    Beeindruckend ist auch das 20 Minuten vom Stadtzentrum entfernte Empire Hotel. Die Anlage direkt am Meer war eigentlich als Gästehaus des Sultans gedacht, bevor man sich entschloss, doch lieber ein 5-Sterne-Deluxe-Hotel daraus zu machen. "Man" – das ist in diesem Fall der jüngste Bruder des Sultans, Jeffrey. Nicht kleckern, sondern klotzen – lautete sein Motto. Alles ist aus Marmor und Gold, auf den Tischen in der 53 Meter hohen Lobby stehen filigran verzierte Kamele aus Bleikristall und Gold herum. Sie kosten die Kleinigkeit von: 150.000 Euro.

    Jeffrey ist das schwarze Schaf der Dynastie. Anders als der Sultan stellte Jeffrey seinen Reichtum in der Vergangenheit selbst für einheimische Verhältnisse ziemlich protzig zur Schau. Das böse Wort vom "vulgären Prinzen" machte die Runde. So nannte er seine Privatyacht "Tits" und die zwei Beiboote "Nipple One" und "Nipple Two".

    Prinz Jeffrey? Na ja! Angeblich soll er eine Unmenge Geld verschwendet haben. Das ging in die Milliarden. Als er es zu weit getrieben hat, ist er dafür auch von der Presse kritisiert worden. Aber er ist ja jetzt geläutert. Wir haben ihn mit offenen Armen wieder aufgenommen. Er war ja eine Zeitlang im Ausland. Ich denke, er hat seine Lektion gelernt. Der Rest der Königsfamilie ist wohl erzogen. Der Sultan selbst ist ganz bescheiden – auch wenn er in diesem Riesenpalast lebt. Er ist gutmütig, er fühlt sich dem Volk verbunden, also er ist wirklich ein ausgesprochen guter Herrscher.
    Meint Ignastius Stephen, dem es nie in den Sinn kommen würde, sich darüber aufzuregen, dass Frauen im Sultanat immer noch kein Stimmrecht haben. Was allerdings auch nicht gerade viel ausmacht, weil das Parlament im Land so und so nichts zu Sagen hat. Und auch keine politischen Parteien antreten, weil es die schlicht und ergreifend gar nicht gibt.

    Mit einer Prozession in der gleißenden Mittagshitze enden die Feierlichkeiten anlässlich von Mohammeds Geburtstag, der Sultan ist längst schon in seinen klimatisierten Rolls-Royce entschwunden – Richtung Palast.

    Jürgen Broda ist dieses Mal zu Hause geblieben – auch wenn er das Spektakel "farbenfroh und sehr friedvoll" findet. Tatsächlich ist der Islam in Brunei recht gemäßigt. So tragen die Frauen hier keine Schleier, sondern bunte Kopftücher. "Viele sind ja auch im Westen ausgebildet worden", meint Broda. Der Innenausstatter kann über mangelnde Arbeit nicht klagen. Die weltweite Rezession hat das Sultanat kaum betroffen. Rund 120 Mitarbeiter beschäftigt der Mittsechziger: Designer, Dekorateure, Schreiner. Konservativ sei der Geschmack seiner Kunden, erklärt Broda, in Geschmacksfragen gelte immer noch die Prämisse: "British first" – auch wenn neuerdings der eine oder andere Auftraggeber wissen wolle, ob er denn auch traditionelle bruneische Schnitzereien im Sortiment habe. Hat er.
    "Dunkel gehalten. Etwas bräunlich gehalten. Und mit etwas zartem Gold rein. Und sehr viel von der Natur: Blätter. Und eventuell auch nen paar Tiere und Vögel. Mit diesen Schnitzereien mit rein. Wir haben für ein großes Haus hier in Brunei, einen reichen Mann, haben wir eine ganze Wand mit Schnitzereien gemacht – aus Holz."

    Eine ganze Wand aus Schnitzereien – davon kann Mohammed Burinu Bin Saleh nur träumen. Als Tourführer, meint er, komme er gut über die Runden. Aber Reichtümer verdiene er auch nicht.

    Das tun andere. Allen voran Seine Majestät. Ein weiser Mann, meint Bin Saleh. Mit "tadellosem Geschmack." Er jedenfalls könne sich gar nicht genug sattsehen an der von ihm erbauten Moschee. Sagt es – nur um hinzufügen, die Moschee seines Vorgängers – Sultan Nummer 28 - sei aber auch nicht zu verachten.

    "Die Moschee des 28. Sultan ist auch sehr beeindruckend. Ich frage mich allerdings, wie viele Moscheen wir noch brauchen. Vielleicht sollte die Tradition doch irgendwann einmal gebrochen werden. Nichts gegen Moscheen, aber wenn das so weiter geht, haben wir in Brunei irgendwann nur noch Moscheen."