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Glas im Motor

Technik. - Damit ein Automotor gleichmäßig und sparsam läuft, werden Stellen, an denen Bauteile direkt aufeinander treffen, mit Schmier- und Motorenölen behandelt. Zusätze im Schmierstoff sollen den Verschleiß gering halten. Doch erst langsam beginnen die Spezialisten die komplexen Vorgänge an den Metalloberflächen wirklich zu verstehen. So haben Materialforscher aus Zürich herausgefunden, dass sich dort sogar eine Art Glas bilden kann.

Von Sabine Goldhahn |
    Antonella Rossi vom Materials Department der ETH Zürich:

    " Es gibt Teile am Motor, die sehr schwer zu schmieren sind. Sie stehen bei hohen Temperaturen und niedrigen Gleitgeschwindigkeiten unter starkem Druck und können durch das Schmieröl nicht mehr vollständig voneinander getrennt werden. Dort berühren sich die Oberflächen und es kommt zu Verschleiß. Damit wir Energie und Geld sparen, müssen wir Zusatzstoffe ins Öl geben, die diesen Verschleiß der Metalloberflächen und den Abrieb verringern. "

    Das Mittel der Wahl in fast jedem Getriebe- und Motorenöl ist seit über 60 Jahren Zink-DDP. Dieses Molekül, das ursprünglich als Antioxidationsmittel verwendet wurde, verhindert zwar den Verschleiß im Motor hervorragend, aber es hat einen entscheidenden Nachteil. Antonella Rossi:

    " Das Problem an diesem Molekül ist, dass es Zink, Schwefel und Phosphor enthält. Und Zink schadet den Katalysatoren unserer Autos und der Umwelt. Deshalb sucht man in der Autoindustrie schon lange nach einem Zusatzstoff, der genauso gut wirkt wie Zink-DDP, aber umweltverträglich ist. Doch zuallererst müssen wir verstehen, wie Zink-DDP an den Metalloberflächen im Motor wirkt und warum es das Metall schützt. "

    Um das zu untersuchen, reichen weder das bloße Auge, noch ein normales Mikroskop. Denn die alles entscheidende Schicht, die die Forscherin interessiert, ist mit zehn Nanometern noch etwa 5000 Mal dünner als ein Haar. Es ist die Grenzfläche zwischen dem Stahl des Motors und dem Öl, das sich im Innenraum des Motors befindet und den Stahl benetzt. Dort herrschen bei laufendem Motor Extrembedingungen, nämlich hohe Temperaturen und hohe Drücke. Und nur diese dünne Schicht gibt Auskunft darüber, wie das Zink-DDP den Stahl vor Abrieb schützt. Antonella Rossi:

    " Diese Grenzfläche ist ein mehrschichtiges hochkomplexes Gebilde. Die oberste Schicht enthält organische Substanzen aus dem Öl. Die untere Schicht besteht aus dem leicht oxidierten Stahl. Dazwischen entstehen so genannte Polyphosphate. Das ist ganz erstaunlich, denn Polyphosphate sind eine Art Glas, bei normalen Bedingungen hart und fest. Unter hohen Drücken und Temperaturen wie im Motor werden diese Stoffe aber gleitfähig. Und diese winzige, nur zehn Nanometer dicke Schicht bestimmt das ganze Verschleißverhalten im Motor. "

    Glas im Motor - das verblüffte selbst die Forscherin. Offensichtlich entsteht das Polyphosphat-Glas bei der Reaktion von Zink-DDP unter hohem Druck und hoher Temperatur. Denn genau an den Stellen der Metall-Oberfläche, wo die höchsten Temperaturen herrschen und die größten Kräfte wirken, fand Antonella Rossi die dickste Glasschicht. Bei 150 Grad war sogar die komplette Metalloberfläche von einem Glasfilm bedeckt - weniger als zwei Nanometer dick. Die unterste Schicht aus Eisenoxid verschwand bei dieser Temperatur. Das hat die Forschergruppe der ETH Zürich erst mit einer hochempfindlichen oberflächenanalytischen Methode entdeckt, der dreidimensionalen Röntgenangeregten Elektronenspektroskopie. Damit können Atome und ihre chemischen Bindungen nicht nur identifiziert, sondern auch nanometergenau ihrem Herkunftsort in den Schichten zugeordnet werden.

    " Das ist ein sehr gutes Verfahren, um zu schauen, wie der Schmierfilm und die Öl-Zusatzstoffe mit der Metalloberfläche reagieren und wie dick der glasartige Film ist, der das Metall vor Verschleiß schützt. Wenn sich dieser Film bildet, tritt praktisch kein Verschleiß auf und wir verlieren auch nichts von den Stahlteilen aus dem Motor. Dadurch funktioniert das Auto auch trotz höherer Leistungen immer länger. "

    Derzeit untersuchen die Zürcher Forscher, welche anderen Zusatzstoffe im Schmiermittel einen ähnlichen Effekt haben. Erste Ergebnisse zeigen jedoch, dass ein vollständiger Ersatz des Zink-DDP nicht so leicht zu finden ist.