"Selig ist,
der sich Lob und guten Leumund erwirbt.
Unser Eigentum ist in des anderen Brust doch
ungewiß."
der sich Lob und guten Leumund erwirbt.
Unser Eigentum ist in des anderen Brust doch
ungewiß."
Hávamál – des hohen Lied, ein Kapitel aus der Lieder-Edda oder auch Ältere Edda genannt. Aufgeschrieben im 13. Jahrhundert von unbekannten Dichtern. Die Eddas sind die Überlieferung der germanischen Göttersagen und für die isländische Ásatrú-Gemeinde so etwas wie die heilige Schrift. Die dort beschriebenen heidnischen Sitten gelten als moralische Orientierungshilfe. Ásatrú heißt übersetzt Asenglaube. Für die alten Wikingern war Ásatrú, der Asenglaube, ihr religiöses Fundament – bis zur Christianisierung vor rund 1000 Jahren. Heute ist der Asenglaube wieder im Trend – wie eine Art Rückbesinnung auf die alten heidnischen Werte. Wobei ihre Authentizität durchaus umstritten ist. Schließlich wurde die mündliche Überlieferung erst niedergeschrieben, als das Land schon 300 Jahre unter dem christlichen Einfluss stand.
Die heutige, moderne Ásatrú-Gemeinde mit ihren knapp 3000 Mitgliedern ist zwar noch klein, aber hat sich in vergangenen zehn Jahren verdreifacht. Mit dem Bau eines Tempels sie weiter wachsen und an Bedeutung gewinnen. Was da gebaut wird, ist wohl der weltweit erste Tempel seit eintausend Jahren. Hilmar Örn Hilmarsson ist der Allsherjargoði, also der Ober-Gode, der Vorsteher der Gemeinde:
"Wir haben immer davon geträumt, eine sakrale Stätte zu bauen, seit wir uns vor mehr als 40 Jahren gegründet haben. Wir haben zwar ein Büro und einen Raum für Versammlungen, aber keinen Sakralraum. Die Zeremonien finden daher immer in der Natur statt. Wir wollten aber auch einen Ort, wo wir im Winter sein können. Die Grundsteinlegung für den Bau des Tempels war für uns daher eine große Stunde."
Die politisch unterstützt wurde von verschiedenen Bürgermeistern in Reykjavík. Die meisten Isländer haben ein ausgeprägtes Bedürfnis nach religiöser Toleranz.
Und das vor dem Hintergrund, dass knapp drei Viertel der Bevölkerung Mitglied der evangelisch-lutherischen Volkskirche sind. Rund drei Prozent sind katholisch, Ásatrú mit knapp einem Prozent ist die größte nichtchristliche Gemeinde – aber auch nicht die einzige, die ihren eigenen Sakralraum baut. Auch die Muslime errichten derzeit eine erste Moschee in Island. Ihr Anteil an der Bevölkerung macht ein Viertel Prozent aus.
"Island ist sehr offen für Glaubensrichtungen. Und seit einigen Jahren wird auch offen darüber gesprochen. Es ist gut, dass es einen öffentlichen Diskurs darüber gibt."
Meint Hilmar Örn Hilmarsson. Die Offenheit der 330.000 Isländer hat damit zu tun, dass sie für sich selbst Offenheit beanspruchen. Als sich die Isländer rund ums Jahr 1000 christlich taufen ließen, taten sie das weniger aus Überzeugung, sondern wollten vielmehr einen Glaubenskrieg zwischen Heiden und Christen vermeiden. Der Kompromiss: Die heidnischen Bräuche durften weiter praktiziert werden, solange es heimlich und nicht offiziell geschah.
Heute üben die Riten von Ásatrú eine Faszination auch auf viele Nicht-Gemeindemitglieder aus. Zeremonien wie Hochzeiten, Beerdigungen oder Blóts werden in mittelalterlich anmutenden Gewändern zelebriert. Blóts das sind die Rituale zu Ehren der Germanengötter etwa zur Winterwende – allerdings ohne, dass dabei wie im Mittelalter Tiere geopfert werden.
Lange hat die Ásatrú-Gemeinde Geld gesammelt, um den Bau zu finanzieren. Als anerkannte Religion erhält sie auch einen kleinen Anteil Steuergeld. Das Grundstück wurde von der Stadt zur Verfügung gestellt. Hilmar Örn Hilmarsson rechnet mit umgerechnet einer Millionen Euro Baukosten. Der "Hof" wie der Tempel auf Isländisch heißt, werde ein architektonisches Kunstwerk, schwärmt Gemeindevorsteher und Musikkünstler Hilmar Örn Hilmarsson.
"Das wird ein einzigartiges Gebäude, eine Huldigung der Natur, der Elemente. Es wird vier Meter tief in die Erde gebaut. Dort sieht man wunderschönes Gestein aus zwei verschiedenen Lavaströmen und Eruptionen, das wollen wir freilegen und sichtbar machen. Die Felsbrocken, die wir abtragen, werden für den Bau des Gebäudes verwendet. Die Kraft der Natur wird hier spürbar."
Und soll den Menschen zugleich auch Demut lehren. Ein lichtdurchflutetes, halboffenes Dach ist zur Sonne ausgerichtet und berücksichtigt ihren Jahresverlauf.
"Der Bau soll einen Lebens-Zyklus symbolisieren. Ein Tag ist der Mikromikrokosmos, ein Jahr der Mikrokosmos und unser Leben der Kosmos, der im Kontext zum Makrokosmos steht. Der ist die Metaphorik dafür, dass sich Leben immer wieder erneuert. Die Geometrie des Tempels ist nach Proportionen berechnet, die im Einklang mit der Natur stehen. Hier fließen also Wissenschaft und moderne Architektur ineinander. Dabei wollen wir kein Filmset bauen. Es soll nicht so aussehen wie bei Herr der Ringe."
Betont der Tonkünstler Hilmarsson, der viele Jahre Filmmusik für Hollywoodproduktionen komponiert hat. Es soll ein Bau werden, der offen ist für alle Menschen, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. Ein Missionsgedanke liegt Hilmar Örn Hilmarsson dabei fern.
"Das ist eine Grundregel bei uns. Keine Bekehrungen. Es können alle kommen, ob Christen, Atheisten, Muslime, Buddhisten, für alle soll der Tempel offen stehen. Wer Mitglied bei Ásatrú werden will, soll sich das gut überlegen. Das ist eine große Entscheidung, und wer davon nicht vollkommen überzeugt ist, kann uns auch einfach jederzeit besuchen."
"Heilig ist das Land, das ich liegen sehe
Den Asen nah und Alfen.
Dort in Thrudheim soll Thôr wohnen
Bis die Götter vergehen.
(Auszug aus Grimnir)
Den Asen nah und Alfen.
Dort in Thrudheim soll Thôr wohnen
Bis die Götter vergehen.
(Auszug aus Grimnir)