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Glauben digital
Andacht mit Alexa

Die Anglikanische Kirche Englands setzt auf digitale Mission und experimentiert mit smarten Lautsprechern, also vernetzten Boxen. Auf Wunsch lesen die digitalen Helfer Bibelauszüge und Gebete vor. Der analoge Gottesdienst sieht alt aus.

Von Stephanie Pieper | 05.06.2018
    Der Lautsprecher Amazon Echo - Alexa Voice Service steht am 01.09.2017 auf der IFA in Berlin und ist in lila Licht getaucht
    Segenssprüche und Auskünfte zu Hochzeiten und Taufen vom Sprachassistenten: Die anglikanische Kirche investiert in digitale Angebote (dpa-Zentralbild / Picture Alliance / Britta Pedersen)
    Der Erzbischof von York, John Sentamu, sitzt in seinem Sessel - und bittet die Sprachassistentin der Firma Amazon, ihm das Morgengebet vorzutragen. Gefragt, getan.
    Chance für die Kirche
    Ein Ausschnitt aus einem der Werbevideos für den neuen Service der Church of England: Auf das Kommando des Nutzers liest Alexa etwa das Gebet des Tages vor oder spricht vor dem Essen einen Segen. Der "smart speaker" - der intelligente Lautsprecher - kann aber noch mehr: etwa Auskünfte über Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen geben oder verraten, wo die nächste Kirche ist. Auch dieses Angebot gehört zur Digital-Initiative der Church of England.
    "Es gab die Erkenntnis, dass sich hier eine große Chance für die Kirche bietet, wenn sie in diesen Bereich investiert - weil es ein Weg ist, um Menschen zu erreichen; sowohl diejenigen, die regelmäßig in die Kirche gehen als auch diejenigen, die dies nicht tun. Wir haben durch die Investitionen jetzt die Möglichkeit, aufzuholen und vorn dabei zu sein", sagt Adrian Harris. Er ist seit 2016 in der anglikanischen Kirche Englands der Digital-Chef, eine damals neu geschaffene Position. Er hatte zuvor für einen privaten Gesundheitsdienstleister, die führende britische Supermarktkette und die Konservative Partei gearbeitet. Bei einem von Harris organisierten "Hackathon" - einem Hacker-Marathon - im hippen Londoner Stadtteil Shoreditch haben junge und Tech-affine Christen gemeinsam durchgespielt, welche Angebote wie funktionieren könnten.
    Auch dank solcher Aktionen gilt die Church of England inzwischen als digitaler Vorreiter: "Der Start unserer Digital-Labore im vergangenen Herbst hat sowohl intern als auch extern signalisiert, dass die Kirche es ernst damit meint, neue Technologien zu nutzen - um unsere Kern-Anhängerschaft zu kontaktieren, aber auch um mehr Menschen zum Glauben zu bringen", sagt Harris.
    Heiliges per Hastag
    Vor christlichen Feiertagen wie Ostern oder Weihnachten versuchen Harris und sein Team über passende Hashtags, die Nutzer sozialer Medien wie Facebook, Instagram oder Twitter zu engagieren. Offenbar mit Erfolg: Jedenfalls ist die Zahl der Abonnenten auf den verschiedenen Plattformen deutlich gestiegen. Harris' Projekt ist zunächst auf drei Jahre angelegt und Teil eines Programms zur Erneuerung und Reform der Church of England. Der Relaunch der Internet-Seite ist bereits abgeschlossen – und es laufen Trainingskurse für Mitarbeiter in den Diözesen und Gemeinden.
    "Wir fahren durch das ganze Land, um die Leute am Ort - sowohl Laien als auch Geistliche - zu schulen, mit ganz praktischen Beispielen dafür, wie sich das Internet und soziale Medien nutzen lassen. Und wir trainieren sie etwa auch darin, Texte so schreiben, dass sie im Netz und in den verschiedenen Netzwerken funktionieren."
    Ob Bibelpassagen in 280 Zeichen auf Twitter, das Tagesgebet in Kurzform über WhatsApp, Videos mit christlicher Botschaft auf Facebook oder nun Sprachassistentin Alexa als Antwortgeberin auf Glaubensfragen: Auch die Church of England wird erst noch herausfinden, ob und wie sich durch die Digitalisierung der Gesellschaft der Glaube an sich verändert - und welche Bedeutung etwa der traditionelle Gottesdienst als Gemeinschaftserlebnis noch hat. Neue Medien, neue Technologien und ihr Potenzial für die Kirche - da kommt einem natürlich sofort diese Analogie in den Sinn: die Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert, ohne den sich die Reformationsideen Martin Luthers kaum so schnell ausgebreitet hätten in Europa.