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Gleichberechtigung
Frauenquote: "Es geht nicht anders!"

Der Schock saß tief, als vor einem Jahr, eine Studie - initiiert von der Schauspielerin Maria Furtwängler - gezeigt hat, wie sehr Frauen in Deutschland in Film und Fernsehen unterrepräsentiert sind. Was hat sich seither in Sachen Gleichberechtigung verändert? Eine Tagung der Thüringer Landesmedienanstalt wirft darauf einen kritischen Blick.

Von Henry Bernhard | 03.07.2018
    Frau mit erhobener Faust
    Frau mit erhobener Faust (imago )
    "Also, ich spreche mit vielen Menschen, die erschrocken sind, weil sich so wenig tut, weil eigentlich ein Bewusstsein da ist. Aber offenbar sind die Produktionsprozesse dann so komplex, dass da vielleicht was auf der Strecke bleibt. Das ist offenbar ein anhaltender Prozess, der anhaltend begleitet werden muss - und möglicherweise auch mit weiterer Forschung."
    Sagte auf der Tagung Christine Linke, Autorin der von der Schauspielerin Maria Furtwängler initiierten Studie "Audiovisuelle Diversität?", die die Geschlechterdarstellung im Deutschen Film und Fernsehen untersucht.
    Das Erschrecken über die dominante Präsenz der Männer auf deutschen Bildschirmen traf gerade auch Frauen in Führungspositionen, wie Annette Kümmel, die Stellvertretende Vorsitzende der ProSiebenSat.1 Media SE, zugab:
    "Wir haben im gesamten Konzern 30 Prozent weibliche Führungskräfte. Das ist durchaus ein nennenswerter Faktor. Wir haben eine sehr starke Geschäftsführerin beziehungsweise Vorständin in der ProSiebenSat.1 TV Deutschland. Wir haben starke Marken-Chefinnen; und trotzdem waren wir überrascht, dass die Ergebnisse so ausgefallen sind, wie sie ausgefallen sind, überrascht und erschreckt."
    Expertinnendatenbank gegen mangelnde Frauenpräsenz
    Seitdem werde die mangelnde Frauenpräsenz in der Sendergruppe regelmäßig thematisiert; die angestrebten Veränderungen sollen auch in zwei Jahren evaluiert werden. Unter anderem werde gerade eine Expertinnendatenbank angelegt, damit die Welt nicht nur von Männern erklärt wird. Strittig war auf dem Erfurter Podium, ob Selbstverpflichtungen und guter Wille ausreichen, um Veränderungen herbeizuführen, oder ob nicht Regeln und Vorgaben nötig seien, wie Astrid Hollmann von der Mediengewerkschaft VRFF argumentierte – auch mit Blick auf die Fußballkommentatorin Claudia Neumann:
    "Unterschiedliche Geschlechter wählen dann auch anders aus. Das hat man in der Werbung schon gemerkt in den letzten 20 Jahren, wie sich da viele Dinge verändert haben. Und an dem Beispiel der weiblichen Moderatorin merkt man auch: Es tut einfach weh, wenn etwas anders ist, als es sonst ist, und es macht aggressiv. Also der Hass, den die Sportmoderatorin da jetzt entgegengespült bekommt: Da ist etwas anders; die Welt verändert sich! Wie fürchterlich ist das, dass die Welt sich verändert!? Die Menschen wollen das nicht."
    Selbstverpflichtungen und guter Wille reichen nicht
    Regeln und Quoten entlasteten die Diskussion und zwängen zum konstruktiven Blick nach vorn, so Hollmann. Ähnlich argumentierte Ingelore König, die Chefin der Kinderfilm GmbH, Erfurt:
    "Eigentlich hatten wir das doch alles schon! Eigentlich müssten wir das alles schon hinter uns haben! Und ich war irgendwann auch diese ganzen Quotendiskussionen leid. Und ich sage ihnen heute: Ich bin eine überzeugte Täterin für die Quote. Es geht nicht anders! Ich bin seit 30 Jahren in diesem Scheiß-Berufsleben. Ich sehe, wie junge Frauen heutzutage leiden darunter, dass Männer sie zuquatschen, dass sie ihnen in großen Runden nicht zuhören. Dann gehe ich einfach dazwischen, gelte als arrogant, hysterisch. Aber ich glaube wirklich, dass die Welt sozusagen sich nur durch uns ändert, durch Frauensolidarität."
    Ingelore König selbst lebt diese Strategie: In ihrer Firma gebe es nur einen "Quotenmann", der Rest seien Frauen. Denn die Studie zur Geschlechterdarstellungen in den Medien zeigt auch: Wenn Autorinnen, Redakteurinnen, Kamerafrauen an einer Produktion beteiligt sind, dann werden auch die Geschichten mit mehr und stärkeren Frauen und Mädchen erzählt. Für ARD und ZDF hat König zwölf Märchen verfilmt und immer darauf geachtet, starke Mädchen und Jungen zu zeigen.
    Wenn Frauen umfassend an einer Produktion beteiligt sind, werden Geschichten mit stärkeren Frauen und Mädchen erzählt
    "Bei Hänsel und Gretel – mein absoluter Lieblingsfilm – haben wir aus Gretel eine wahnsinnig starke Persönlichkeit gemacht. Und das hat auch die Kamera geschafft. Wie dämlich können Jungs sein? So verfressen lassen die sich bei der Hexe einsperren. Wie klug muss ein Mädchen sein, um ihren Bruder wieder zu befreien, diese blöde Hexe auch noch in den Ofen zu stecken? Und der Junge tut am Ende so, als ob er der Held ist. Die Kamera fährt um das Mädchen 360 Grad. Das Mädchen steht mit verschränkten Armen und schweigt. Lächelt. Das ist die Gewinnerin der Geschichte."
    Nicht ganz so einfach ist es jedoch zum Beispiel für den Kinderkanal KiKa, mehr Mädchen und Frauen in den Mittelpunkt fiktionaler Handlungen zu stellen, weil Kinderfilme und -Serien oft ausländische Produktionen sind, auf die deutsche Redakteure keinen Einfluss haben. Eines begrüßten aber die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der gemeinsamen Tagung von Thüringer Landesmedienanstalt und Landesfrauenrat: Dass die Stimmung eine gänzlich andere sei als noch vor zehn oder 20 Jahren - so auch Ingelore König:
    "Das war ein Kriegszustand, Diskussionen zu führen. Ich hatte Situationen, da haben Männer den Raum verlassen oder haben sich auf dem Stuhl rumgedreht. Also, vollkommen kindisch! Es war eine unglaublich emotional aufgeladene Stimmung."