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Gleichberechtigung
In Sachsen-Anhalt verdienen Frauen mehr als Männer

Frauen verdienen in Deutschland weniger als Männer. Die Lohnlücke beträgt 21 Prozent, auch bedingt durch Teilzeitarbeit. Doch es gibt Ausnahmen: So bekommen in Sachsen-Anhalt Frauen statistisch gesehen mehr Geld für ihre Arbeit als Männer - warum?

Von Uli Wittstock | 23.08.2017
    Eine Frau erklärt eine mittels Beamer an die Wand projizierte Statistik.
    Gender-Pay-Gap: Sachsen-Anhalt stellt die bundesweite Statistik auf den Kopf (picture-alliance / Tobias Kleinschmidt)
    Wenn Christiane Weimann aus ihrem Bürofenster blickt, schaut sie auf das städtische Grün der Landeshauptstadt Magdeburg. Zu DDR-Zeiten hatte Magdeburg den Beinamen "Stadt des Schwermaschinenbaus". Daran erinnert nur noch ein Industriemuseum. Strukturwandel, so wird diese Entwicklung genannt. Und den spürt auch Christiane Weimann in ihrem Familienleben
    "Die Situation bei uns ist, dass ich halt Abitur gemacht habe, anschließend eine Ausbildung und dann im öffentlichen Dienst hier im Ministerium angefangen habe. Und mein Mann Lehre als Schlosser mit dem Endresultat Zeitarbeit in einer Zeitarbeitsfirma."
    Frauen verdienen 40 Euro mehr als Männer
    Christiane Weimann ist Mutter zweier Kinder, arbeitet 40 Stunden pro Woche und verdient mehr als ihr Mann. Das ist in Sachsen-Anhalt kein Sonderfall. Der Durchschnittsverdienst der Frauen liegt mit 2439 Euro um 40 Euro über dem Einkommen der Männer. Das bestätigt auch Sachsen-Anhalts DGB-Chefin Susanne Wiedemeyer:
    "In den ganzen neuen Bundesländern sind Frauen mehr in Vollbeschäftigung und nicht in Teilzeit. Sie haben eine geringere Unterbrechung der Arbeitsjahre weil wir Ganztagskitas und Krippen haben, so dass sie früh genug wieder arbeiten können. Und dazu kommt, sie haben einen höheren Anteil von Frauen im öffentlichen Dienst. Die sind tarifgebunden."
    Für Christiane Weimann heißt das, sie bekommt in etwa das, was sie auch in Niedersachsen oder Hessen verdienen würde. Im gewerblichen Bereich sieht das anders aus. Dort liegt der Lohnunterschied zwischen Ost und West bei 20 bis dreißig Prozent. Sachsen-Anhalt verlor nach der Wende über eine halbe Million Industriearbeitsplätze. Der Mittelstand ist eher kleinindustriell geprägt. 90 Prozent der Firmen haben weniger als 20 Mitarbeiter. Das führt zu einer anhaltenden Produktivitätsschwäche, so Kai Senius, Chef der Arbeitsagentur Sachsen-Anhalt / Thüringen
    "Wir hängen seit Mitte der neunziger Jahre eigentlich fest an einer Produktivität, die unter achtzig Prozent der Produktivität von westdeutschen Firmen liegt. Und die Entlohnung macht sich eben dann auch daran fest, was ein Unternehmen in der Lage ist zu bezahlen."
    "Es gibt ja doch einige Männer, die würde das stören"
    Zu kleine Firmen, eine geringe Tarifbindung und die anhaltende Innovationsschwäche führen in der Summe zu prekären Arbeitsverhältnissen. Jeder dritte Beschäftigte in Sachsen-Anhalt verdient weniger als 10 Euro pro Stunde. Wenn Frauen mehr verdienen als Männer, kann das Auswirkungen auf das klassische Familienbild haben. Das bestätigt Christiane Weimann:
    "Es gibt ja doch einige Männer, die würde das stören wenn sie wissen, dass ihre Frau das meiste nach Hause bringt. Die denken dann sie müsste sich nach der Frau richten - wohin geht’s in den Urlaub, welches Auto fahren wir? Bei uns ist das Gott sei Dank nicht so. Deshalb klappt das ja auch so gut."
    Lohngefälle nimmt weiter zu
    Mit Blick auf die anstehende Digitalisierung wird sich das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen in Sachsen-Anhalt noch weiter vergößern: Denn die klassischen Männerberufe sind von dieser Entwicklung sehr viel stärker betroffen. Die Agentur für Arbeit hat Prognosen erstellen lassen, welche regionalen Folgen das hat. Kai Senius:
    "Produktionsberufe im Bereich Maschinenbau beispielsweise, in der Metallerzeugung in der Fahrzeugtechnik sind insbesondere männerbesetzte Berufe. Deshalb ist dieses Risiko, eine Veränderung im Beruf zu erfahren bei Männern ungleich höher als bei Frauen. Und dann wären in Sachsen-Anhalt etwa 85 tausend Männer betroffen und nur 28 tausend Frauen."
    Mit Konzepten zu mehr Bildung und berufsbegleitendem Lernen will die Arbeitsagentur gegensteuern. Derzeit verlässt jeder zehnte Schüler in Sachsen-Anhalt die Schule ohne Abschluss, die meisten von ihnen sind Jungs.