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Gleicher Inhalt, weniger Zeit

Um dem Lehrkräftemangel in Sachsen entgegenzuwirken, hat die schwarz-gelbe Landesregierung eine Reform der Lehramtsausbildung beschlossen. Diese setzt auf verkürzte und mehr praxisorientierte Ausbildungszeiten für die Grund- und Mittelschullehrer sowie die Wiedereinführung des Staatsexamens.

Von Alexandra Gerlach | 04.11.2010
    Bereits im Juni gab es heftigen Protest vor dem Landtag. Damals mit dabei: Maria Otte, Lehramtsstudentin im siebten Semester an der TU Dresden:

    "Weil man kann sich nicht erlauben zu sagen, dass Grundschullehrer weniger studieren sollten, als Lehrer für Gymnasium. Wir haben genauso den Anspruch für diese sechs Jahre Studium, und deshalb bin ich vollkommen dagegen."

    Schon ab dem Wintersemester 2011/2012 soll die Ausbildung für Grund- und Mittelschullehrer in Sachsen auf vier Jahre verkürzt werden. Statt eines Bachelor- und Masterabschlusses wird dann wieder ein Staatsexamen am Ende des Studiums stehen. Inhaltlich sollen das Studium gestrafft und die Praxisanteile intensiviert werden. Doch das Referendariat wird dann nur noch 12 und nicht wie bisher 18 Monate betragen.

    Viele Studierende reagieren kritisch auf die geplante Reform, die nicht vom Landtag verabschiedet werden muss. Auch Romina Schmidt lehnt die geplante Reform ab. Die Lehramtsstudentin aus Dresden für Deutsch, Ethik und Mathe sieht sich und ihre Kommilitonen als Versuchskaninchen der Politik und kritisiert:

    "Das Lehramt wurde ja bereits mit uns reformiert. Wir sind ja die erste Generation Bachelor, das heißt, es wurde schon einmal alles komplett neu gemacht. Und das einzig Gute, was die Reform gebracht hat, ist die Verlängerung auf fünf Jahre Studium und wahrscheinlich ein Jahr Referendariat, und das soll jetzt rückgängig gemacht werden und das ist der größte Fehler, der gemacht werden kann."

    Ein Einwand, den Sachsens Kultusminister Roland Wöller von der CDU nicht gelten lassen will. Die Ausbildung der Lehrer im Freistaat Sachsen dauere zu lang, sagt er und erläutert:

    "Drei Jahre Bachelor plus zwei Jahre Master und noch zwei Jahre Schulvorbereitungsdienst, das ist eindeutig zu lange, Wir haben dort eine Abschreckung von jungen Menschen, die deswegen, weil sie eine lange Studiendauer haben, diesen Beruf erst gar nicht ergreifen, Und wir haben aufgrund der Fülle dessen, was abverlangt wird im Studium, eine hohe Abbrecherquote. Deshalb müssen wir sowohl an die Struktur ran als auch an die Ausbildungslänge."

    Und am Ende steht künftig wieder das Staatsexamen. Damit könne – "die Qualität der Ausbildung besser gesteuert werden", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Kultus- und Wissenschaftsministerium. Das ziehen SPD und Linke im Sächsischen Landtag allerdings in Zweifel und fordern schlüssige Beweise für diese These. Sie fürchten auch um die Anerkennung sächsischer Lehramts-Studienabschlüsse in anderen Bundesländern. Die Ausbildung der Grundschullehrer soll zudem enger als bisher mit der Erzieherausbildung für Kindertagesstätten verzahnt und der Praxisanteil der Lehramtsausbildung qualitativ verbessert werden. Ein Ansatz, der grundsätzlich zu begrüßen sei, meint Lehramtsstudentin Romina Schmidt aus Dresden. Derzeit fühle sie sich nicht gut gerüstet für die Praxis, sagt sie und nennt die Defizite:

    "Naja, die Pädagogik und Didaktik. Ich sage jetzt nicht, dass unser Studium gut ist, überhaupt nicht, wir werden zu Fachwissenschaftlern ausgebildet, wir haben Germanistik und ich jetzt in meinem Fall Philosophie, wie Fachwissenschaftler, wir haben aber keine Ahnung von der Didaktik, von der Pädagogik, das kam im Bachelor so gut wie gar nicht. Wir fühlen uns nicht vorbereitet, nicht im mindestens und, ja, das muss mehr rein, dafür braucht man aber auch die fünf Jahre."

    Steven Seiffert vom Studierendenrat der TU Dresden fürchtet, dass Sachsens Regierung in erster Linie am Sparen interessiert ist und weniger an einer Verbesserung der Studienbedingungen im Freistaat.

    "Das wird sich in erster Linie auf die Betreuungsrelation niederschlagen, zumal im nächsten Haushalt 9,6 Millionen Sondermittel gekürzt werden, die dafür gedacht waren."

    Noch ein Wettbewerbsnachteil macht den sächsischen Junglehrern zu schaffen. Von rund 1500 Lehramtsabsolventen haben jüngst nur 375 einen Referendariatsplatz erhalten. Wer nicht berücksichtigt wurde, muss nun mit zwei oder drei Jahren Wartezeit rechnen. Ein wichtiges Argument, Sachsen zu verlassen, und im Westen als Lehrer anzuheuern.