Die Vorlage stammte aus dem Herbst 1874. Aber es sollte noch bis zum 1. Oktober 1879 dauern, bis die Justiz im geeinten neuen Deutschen Reich tatsächlich durch die gleichzeitige Einführung von Gerichtsverfassungsgesetz, Rechtsanwalts-, Zivil- und Strafprozessordnung sowie durch die Schaffung des Reichsgerichtes vereinheitlicht wurde. Der Kieler Rechtshistoriker Werner Schubert skizziert das politische Umfeld der damaligen Debatte:
Deutschland war 1871 auch ein einheitliches Wirtschaftsgebiet mit voller Freizügigkeit geworden. Die Nachbarstaaten, allen voran Frankreich, hatten schon seit mehreren Jahrzehnten ein einheitliches Recht. Es gehörte daher zu den wichtigsten politischen Forderungen des Liberalismus, in Deutschland, dem neuen mitteleuropäischen Nationalstaat, insbesondere die Gerichtsverfassung und das Prozessrecht zu vereinheitlichen.
Denn nur so konnte erreicht werden, dass ein Sachse, der in Bayern Geschäfte abschloss im Streitfall unter den gleichen Bedingungen sein Recht vor Gericht durchsetzen konnte, wie der Schwabe, der in Berlin tätig wurde. Trotz der unübersehbaren Vorteile bremsten die Politiker vieler Bundesstaaten die Vereinheitlichung der Rechtspflege in Deutschland.
Die Schwierigkeit, sich auf eine einheitliche Gerichtsverfassung zu einigen bestand darin, dass die Bundesstaaten ihre Justizhoheit dafür weitgehend aufgeben mussten. Preußen wünschte das Reichsoberhandelsgericht zu einem obersten Gericht für Prozesse aller Art auszubauen. Dies musste dazu führen, dass daneben die obersten Gerichtshöfe der Bundesstaaten keine Existenzberechtigung mehr hatten.
Eine Entwicklung, die der konservative Abgeordnete Franz Josef von Buß in der Debatte des Reichstags am 27. November 1874 scharf kritisierte:
Namentlich ist das Dasein dieses Reichsgerichtshofes nicht das Mittel, um jene organische lebensvolle Einheit herzustellen, die man für das Recht einer so reich begabten Nation verlangen muß. Ich glaube meine Herren, mein landsmännischer Kollege Bär hat Ursache genug, etwas über das Nimium, das Zuviel der Einheit bedenklich zu werden.
So wichtig die wirtschaftlichen Gründe für das Projekt waren, die Justiz durch eine gemeinsame Gerichtsverfassung und einheitliche Prozessordnungen zu vereinheitlichen - es ging noch um mehr: Nur durch die neue Gerichtsverfassung konnte ein moderner Rechtsstaat geschaffen werden. Mit dem Gerichtsverfassungsgesetz wurde die private Gerichtsbarkeit abgeschafft, die geistliche Gerichtsbarkeit sollte nur noch kirchenintern Bedeutung haben. Das Prinzip der Öffentlichkeit des Prozesses wurde allgemein verbindlich eingeführt. Und Paragraph 5 legte fest, was heute als zentrales Prinzip des Rechtsstaates gilt:
Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.
Aber welche Ausbildung sollten die Richter haben? Und wie sollten sie gewählt werden? Das war lange Zeit, vor allem hinsichtlich des Strafrechts, höchst umstritten. In einigen deutschen Staaten hatte es vor der Schaffung des Gerichtsverfassungsgesetzes Geschworenengerichte gegeben, in denen eine Jury aus juristischen Laien über die Schuldfrage entschied. Der berühmte Rechtshistoriker Eberhard Schmidt schrieb über sie 1947:
Geschworenengerichte gelten seit Montesquieu als Palladium der bürgerlichen Freiheit, zugleich als Repräsentanten der Volkssouveränität im Bereich der Strafrechtspflege.
Werner Schubert: Preußen wollte die Schwurgerichte durch Schöffengericht ersetzen. Demgegenüber wünschten die Nationalliberalen und die süddeutschen Staaten die Beibehaltung der Schwurgerichte auch für die Pressedelikte. Im Ergebnis wurden die Schwurgerichte für die schwersten Strafen beibehalten.
Im Zuge der zahlreichen weiteren Reformen des Gerichtsverfassungsgesetzes blieb aber nur die Bezeichnung "Schwurgericht" erhalten. Statt einer Jury entscheiden heute allenfalls Schöffen mit den Berufsrichtern zusammen in diesen Verfahren über Schuld und Strafmaß. Liest man das Gerichtsverfassungsgesetz, wie es am 1. Oktober 1879 von Kaiser Wilhelm verordnet wurde, stellt man aber fest, dass sich überraschend viel bis heute gehalten und bewährt hat.
Deutschland war 1871 auch ein einheitliches Wirtschaftsgebiet mit voller Freizügigkeit geworden. Die Nachbarstaaten, allen voran Frankreich, hatten schon seit mehreren Jahrzehnten ein einheitliches Recht. Es gehörte daher zu den wichtigsten politischen Forderungen des Liberalismus, in Deutschland, dem neuen mitteleuropäischen Nationalstaat, insbesondere die Gerichtsverfassung und das Prozessrecht zu vereinheitlichen.
Denn nur so konnte erreicht werden, dass ein Sachse, der in Bayern Geschäfte abschloss im Streitfall unter den gleichen Bedingungen sein Recht vor Gericht durchsetzen konnte, wie der Schwabe, der in Berlin tätig wurde. Trotz der unübersehbaren Vorteile bremsten die Politiker vieler Bundesstaaten die Vereinheitlichung der Rechtspflege in Deutschland.
Die Schwierigkeit, sich auf eine einheitliche Gerichtsverfassung zu einigen bestand darin, dass die Bundesstaaten ihre Justizhoheit dafür weitgehend aufgeben mussten. Preußen wünschte das Reichsoberhandelsgericht zu einem obersten Gericht für Prozesse aller Art auszubauen. Dies musste dazu führen, dass daneben die obersten Gerichtshöfe der Bundesstaaten keine Existenzberechtigung mehr hatten.
Eine Entwicklung, die der konservative Abgeordnete Franz Josef von Buß in der Debatte des Reichstags am 27. November 1874 scharf kritisierte:
Namentlich ist das Dasein dieses Reichsgerichtshofes nicht das Mittel, um jene organische lebensvolle Einheit herzustellen, die man für das Recht einer so reich begabten Nation verlangen muß. Ich glaube meine Herren, mein landsmännischer Kollege Bär hat Ursache genug, etwas über das Nimium, das Zuviel der Einheit bedenklich zu werden.
So wichtig die wirtschaftlichen Gründe für das Projekt waren, die Justiz durch eine gemeinsame Gerichtsverfassung und einheitliche Prozessordnungen zu vereinheitlichen - es ging noch um mehr: Nur durch die neue Gerichtsverfassung konnte ein moderner Rechtsstaat geschaffen werden. Mit dem Gerichtsverfassungsgesetz wurde die private Gerichtsbarkeit abgeschafft, die geistliche Gerichtsbarkeit sollte nur noch kirchenintern Bedeutung haben. Das Prinzip der Öffentlichkeit des Prozesses wurde allgemein verbindlich eingeführt. Und Paragraph 5 legte fest, was heute als zentrales Prinzip des Rechtsstaates gilt:
Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.
Aber welche Ausbildung sollten die Richter haben? Und wie sollten sie gewählt werden? Das war lange Zeit, vor allem hinsichtlich des Strafrechts, höchst umstritten. In einigen deutschen Staaten hatte es vor der Schaffung des Gerichtsverfassungsgesetzes Geschworenengerichte gegeben, in denen eine Jury aus juristischen Laien über die Schuldfrage entschied. Der berühmte Rechtshistoriker Eberhard Schmidt schrieb über sie 1947:
Geschworenengerichte gelten seit Montesquieu als Palladium der bürgerlichen Freiheit, zugleich als Repräsentanten der Volkssouveränität im Bereich der Strafrechtspflege.
Werner Schubert: Preußen wollte die Schwurgerichte durch Schöffengericht ersetzen. Demgegenüber wünschten die Nationalliberalen und die süddeutschen Staaten die Beibehaltung der Schwurgerichte auch für die Pressedelikte. Im Ergebnis wurden die Schwurgerichte für die schwersten Strafen beibehalten.
Im Zuge der zahlreichen weiteren Reformen des Gerichtsverfassungsgesetzes blieb aber nur die Bezeichnung "Schwurgericht" erhalten. Statt einer Jury entscheiden heute allenfalls Schöffen mit den Berufsrichtern zusammen in diesen Verfahren über Schuld und Strafmaß. Liest man das Gerichtsverfassungsgesetz, wie es am 1. Oktober 1879 von Kaiser Wilhelm verordnet wurde, stellt man aber fest, dass sich überraschend viel bis heute gehalten und bewährt hat.