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Globale Bedrohung?

Am Qinghaihu-See in China sind im Mai diesen Jahres mehr als tausend Zugvögel an der Vogelgrippe gestorben. Sie dürften die Infektion in jeden Winkel des Fernen Ostens getragen haben. Die WHO ist besorgt, denn eigentlich bräuchte sie Viren-Proben von allen auftretenden Krankheitsfällen. Nur so könnten sie erkennen, wann die Vogelviren sich so verändern, dass sie für den Menschen gefährlich oder ansteckend werden.

Von Grit Kienzlen | 20.07.2005
    "Es gibt eine Bedrohung durch die Influenzaviren. Die gibt es immer, die gibt es solange es Menschen gibt und diese Bedrohung führt so alle 20, 30 Jahre zu einer Pandemie."

    Reinhard Kurth, Leiter des Robert-Koch-Institutes in Berlin, spricht ein großes Wort gelassen aus. Grippe-Pandemien sind Naturkatastrophen. Von den üblichen saisonalen Grippewellen unterscheiden sie sich durch die Gefährlichkeit des Erregers. Pandemien treten auf, wenn die Natur ein Virus erfindet oder wieder findet, das dem Immunsystem der Mehrheit der Menschen fremd ist. Ein solches Grippevirus überschwemmt Atemwege und Lungen der Patienten - vor allem der Kinder, der Älteren und Schwachen. Millionenfach wiederholt sich das während einer Grippe-Pandemie. Dabei sind solche verheerenden, weltweiten Epidemien im Grunde Unfälle der Natur. Die Erreger haben sich verirrt: Der Mensch gehört normalerweise nicht zu den Lebewesen, die sie befallen, so Alan Hay, Leiter des Influenza-Zentrums der Weltgesundheitsorganisation in London. Das gilt für alle so genannten Influenza A-Viren:

    "Influenza A Viren sind eigentlich Vogelviren. Es gibt sehr viele unterschiedliche Viren, die unter Wasservögeln zirkulieren. Und nur ein kleiner Teil dieser Viren hat je Menschen infiziert und sich in der menschlichen Bevölkerung etabliert. Im letzten Jahrhundert haben wir seit der Zeit, in der wir Viren überhaupt charakterisieren können, nur drei Influenza-Typen bei Menschen gefunden - von immerhin 200 möglichen Varianten, die es bei Vögeln gibt. "

    Mittelschwere Pandemien zogen in den Jahren 1957 und 1968 über den Erdball. Bei diesen Pandemien starben "nur" 1 bis 4 Millionen. Anders war das bei der Grippe am Ende des ersten Weltkriegs, bekannt auch als Spanische Grippe.

    Die Seuche bricht im September 1918 aus, und als sie vorbei ist, sind zwischen 20 und 50 Millionen Menschen tot. Sie erreicht die entlegensten Winkel des Erdballs. Einige Inuitdörfer werden beinahe ausgelöscht. Zwanzig Prozent der Bevölkerung Westsamoas sterben. Am Anfang glauben die Ärzte, es mit einer völlig neuen Erkrankung zu tun zu haben, denn die Grippe, die sie kennen, ist keine so monströse Seuche. Sie rafft nicht innerhalb von Tagen kerngesunde junge Erwachsene dahin. Diese schon. Die Influenza-Pandemie von 1918 kommt und geht wie ein schlimmer Spuk. Sie hinterlässt wenig Spuren im kollektiven Gedächtnis der Menschheit, aber einen gewaltigen Einbruch in der durchschnittlichen Lebenserwartung.

    Aus den Leichen von Grippeopfern in Alaska, die damals im Permafrostboden begraben worden waren, isolierten Forscher Ende der 90er Jahr das Erbgut des todbringenden Virus. Seine Oberflächenmoleküle ähnelten stark denen aus Vogelviren, waren aber so verändert, dass sie nun auch menschliche Zellen infizieren konnten. Es hat also gute Gründe, dass die Gesundheitshüter von Weltgesundheitsorganisation, kurz WHO, und Robert-Koch-Institut derzeit besorgt nach Vietnam blicken, nach Laos, Kambodscha, Thailand und China. Die Gefahr: Vogelgrippe.

    "Wir haben heute eine Situation in Südostasien, die nicht nur von der Weltgesundheitsorganisation, sondern auch von anderen beteiligten Fachleuten als bedrohlich eingeschätzt wird, nämlich eine starke Ausweitung einer Vogelgrippe mit einem neuartigen Influenzavirus zunächst mal des Vogels; und das Virus hat wiederholt Menschen infiziert und die Krankheitsverläufe bei diesen Menschen sind dann sehr schwerwiegend."

    Reinhard Kurth spricht vom Geflügelgrippevirus H5N1 – die Abkürzung beschreibt die Oberflächenmoleküle auf dem Virus, mit denen es sich in den Atemwegen von Wildvögeln, Hühnern und immer öfter auch von Menschen festsetzt.

    Das größte Problem der internationalen Gesundheitswächter ist derzeit, dass sie nicht wissen, was ins Südostasien genau vor sich geht. Sie bräuchten Viren-Proben von allen Krankheitsfällen dort und die zugehörigen Krankengeschichten, erläutert Klaus Stöhr, Leiter des Influenza-Programmes der WHO. Nur so könnten sie erkennen, wann die Vogelviren sich so verändern, dass sie für den Menschen gefährlicher oder ansteckender werden; so ansteckend, dass eine Grippewelle in Gang kommt.

    "Genau das ist das Problem. Man muss große Informationsmengen haben, viele Viren, die man analysiert, und viele Fälle, die untersucht werden, um dann auch die Trends zu erkennen. Und da hapert es schon ein bisschen. Wir haben in diesem Jahr weniger als 15 Viren zur vollständigen Untersuchung bekommen von den vietnamesischen Kollegen – da sind ja fast 50 Fälle aufgetreten. Die klinischen Daten kommen nur ganz spärlich; und Falluntersuchungen der Ausbrüche – auch da haben wir kein vollständiges Bild, so dass man sich auf relativ bruchstückhafte Informationen beschränken muss. "

    Vietnam ist ein Entwicklungsland, größtenteils bevölkert von armen Bauern, die nur auf beschwerlichen Reiserouten erreichbar sind. Die Vogelgrippe-Opfer, meist Kinder, stecken sich bei Enten und Gänsen in den Hinterhöfen an. Es fehlt an Gesundheitspersonal und Labors, um Abstriche von ihren Schleimhäuten zu nehmen und die Viren darin zu untersuchen, oder um alle Kontaktpersonen eines Opfers aufzusuchen und zu befragen. Und schließlich liegen entsprechende Daten, falls sie überhaupt erhoben wurden, regelmäßig mehrere Wochen im vietnamesischen Gesundheitsministerium, bevor die WHO Zugriff bekommt. Klaus Stöhr von der WHO nimmt die Vietnamesen dennoch ein Stück weit in Schutz. Dass die Lage in Südostasien so gefährlich ist, weiß er nur, weil Vietnam noch vergleichsweise gut kooperiert:

    "Es ist so, dass Vietnam im Vergleich zu anderen Nachbarländern – Laos, Kambodscha – ein gutes Überwachungssystem aufgebaut hat – von Kambodscha hört man weniger – da waren ja jetzt auch vier Fälle gewesen, von denen einige erst in Vietnam entdeckt wurden, weil die Möglichkeiten, in Kambodscha solche Fälle zu erkennen beschränkt sind. 6:15 Wenn man nichts hört von anderen Ländern, kann es ja auch daran liegen, dass die Überwachungssysteme noch weniger effizient sind – also das muss man auch alles in Perspektive setzen. "

    Am Qinghaihu-See in China sind im Mai und Juni dieses Jahres mehr als tausend Zugvögel an der Vogelgrippe gestorben; Sie dürften die Infektion in jeden Winkel des Fernen Ostens tragen, weit von jeder Kontrolle internationaler Gesundheitsbehörden. Das ist tragisch, denn Zeit ist Leben beim Pandemie-Management. Je früher die WHO erfährt, dass sich ein neuer Grippeerreger zu verbreiten beginnt, desto früher kann sie einschreiten und zum Beispiel Medikamente in das betroffene Land schaffen, so genannte Neuraminidase-Hemmer. Sie unterdrücken die Grippe-Infektion - aber nur, wenn sie sofort nach der Ansteckung geschluckt werden. Eine Pandemie lässt sich damit wahrscheinlich nicht verhindern, aber verzögern. In der so erkauften Zeit könnte die Impfstoffherstellung anlaufen, so dass mehr Menschen geschützt sind, wenn die Grippe sie erreicht. Dass die Informationen über die Entwicklungen bei der Vogelgrippe nur so spärlich bei der WHO eintreffen, bedauert Klaus Stöhr daher sehr:

    "Das ist besonders traurig, wenn ich das so sagen darf, wenn man sich überlegt, dass wir ja nur ein ganz kleines Fenster haben, ganz zu Anfang einer Pandemie, in dem man dann, falls man sehr schnell Neuraminidase-Hemmer in das Land hinein bringt und viele Leute dann behandeln kann, vielleicht so eine Pandemie sogar verhindern kann oder zumindest die Ausbreitung verlangsamen. Das Fenster ist nicht groß: 20-30 Tage nachdem so ein Virus entsteht, muss man es schaffen 60 bis 80 Prozent der betroffenen Personen in der Region zu behandeln; dann kann man vielleicht sogar ein Virus, das sich noch nicht voll überträgt, im Keime ersticken. Und wenn man natürlich mit solchen Informationen hinterherhinkt, dann vergibt man sich natürlich so eine Möglichkeit."

    Die Informationen braucht die Weltgesundheitsorganisation dringend für ihre Risikoabschätzung. Leicht entstehen sonst Artefakte. Ein Beispiel: In Vietnam, Thailand und Kambodscha sind in den letzten eineinhalb Jahren 105 Fälle menschlicher Vogelgrippe bekannt geworden. Die Mehrzahl der Menschen ist gestorben. Daraus lässt sich aber nicht notwendig ableiten, dass die Vogelgrippe für 60 Prozent der Infizierten tödlich ist. Trotzdem wurden die Zahlen oft so interpretiert.

    "Es ist so, dass die Überwachung sich auf Krankenhäuser konzentriert und in den Krankenhäusern, da findet man natürlich nur schwere Erkrankungen. Von den Leuten, die da schwer erkrankt sind und in die Krankenhäuser eingeliefert werden, sterben gegenwärtig rund 60 Prozent. Das darf man natürlich nicht verwechseln mit der allgemeinen Sterblichkeit der Infektion. Wer nur eine milde Erkrankung hat von H5N1, der wird natürlich nicht ins Krankenhaus kommen, der kommt nicht in die Statistik, also man darf nicht davon ausgehen, dass die Sterblichkeitsrate so hoch ist,…. – allerdings bei kritischem Verlauf sterben dann doch die meisten. "

    Die Katastrophenplaner für den Pandemie-Fall haben keine leichte Aufgabe. Sie sollen und wollen keine Panik schüren. Andererseits müssen Sie eindringlich vor der Gefahr warnen, damit sich die Welt rechtzeitig vorbereitet, Katastrophenpläne erstellt, Impfstoffe entwickelt. Dabei lässt sich das Risiko kaum abschätzen. Niemand kann vorhersagen wann und warum ein Vogelgrippe-Erreger beginnt, Menschen zu infizieren.

    Außerdem könnte der Auslöser der nächsten Pandemie auch aus ganz unerwarteter Quelle kommen. So schlitterte die Welt knapp an einer schweren Grippewelle vorbei, als ein US-Labor im vergangenen Herbst versehentlich den Virusstamm H2N2 an tausende Labors in der ganzen Welt verschickt hatte. Der Stamm H2N2 hatte die Pandemie von 1957 ausgelöst und zirkulierte noch bis 1968. Wer danach geboren wurde, hat die Infektion nicht durchgemacht und besitzt daher kaum Abwehrkräfte. Das gilt auch für die Laboranten, die möglicherweise nichts ahnend mit den Viren hantiert haben. Wann ist es also Zeit, Alarm zu schlagen? Der Präsident der USA hat darauf einmal in der Geschichte die falsche Antwort gegeben.


    Im amerikanischen Armeelager Fort Dix erliegt im 4. Februar 1976 der Soldat David Lewis einem Influenzavirus, das aus Schweinen stammte. 500 Rekruten stecken sich an, 13 bekommen Fieber von der Schweinegrippe. Sind dies die Vorzeichen der nächsten Grippekatastrophe? Es sieht so aus. Erstens ist da ein neuer Virusstamm aufgetaucht, der sich auf einige Menschen überträgt. Zweitens meint man, dass einem neuen Virusstamm, der beim Menschen auftaucht, eine schwere Grippewelle auf den Fuß folgt. Und drittens verfügt man zum ersten Mal in der Geschichte über das Wissen und auch die Zeit, Vorkehrungen für eine Massenimpfung zu treffen. -- Wer will also die Verantwortung tragen, wenn die Schweingrippe-Pandemie kommt und nichts unternommen worden ist, die Bevölkerung zu schützen? Die Massenimpfung kündigt Präsident Gerald Ford mit den Worten an: "Niemand weiß derzeit genau, wie ernst die Bedrohung ist. Dennoch dürfen wir kein Risiko eingehen und die Gesundheit unserer Nation aufs Spiel setzen." 1976 bleibt es bei dem einen toten Soldaten in Fort Dix. Dafür verklagten rund 4000 Impflinge die Regierung wegen angeblicher Nebenwirkungen des Impfserums auf insgesamt 3,5 Milliarden Dollar Schadensersatz.

    "Im Rückblick auf die Schweinegrippe-Episode gab es da eine enorme Überreaktion auf ein oder zwei Krankheitsfälle und als Lehre daraus hat die Weltgesundheitsorganisation einen Pandemie-Alarmplan mit verschiedenen Phasen entwickelt. Träte die Schweine-Influenza heute auf, würden die Amerikaner anders reagieren und erst Massenimpfungen anordnen, wenn der Pandemiefall erklärt ist, nicht schon wenn ein neuer Virussubtyp im Menschen auftaucht. Genau das geschieht ja auch in Vietnam seit nunmehr eineinhalb Jahren; und doch empfiehlt die WHO keine Massenimpfungen. Da hat sich seit 1976 einiges getan bei der Risikobewertung. "

    So John Wood vom Nationalen Institut für Biologische Standards in London. Er stellt dort Impfviren her. Viren also, auf deren Grundlage die Pharmaindustrie Impfstoffe produzieren kann. Jedes Jahr tut er das für den saisonalen Grippeimpfstoff. H5N1-Geflügelgrippe-Impfviren gibt es auch schon. Die WHO hat dazu aufgerufen, vorsorglich Impfstoffe herzustellen und einzulagern, damit sie im Pandemie-Fall bereit liegen. Diesem Aufruf sind die USA gefolgt: Sie haben bei Sanofi-Pasteur zwei Millionen Impfstoffdosen produzieren lassen. Das Serum wird derzeit auf seine Verträglichkeit für Patienten getestet.

    Auch Japan, Frankreich und Italien sollen Bestellungen aufgegeben haben. Kanada, der Musterknabe in der Pandemie-Planung, hat sogar einen Partnerschaftsvertrag mit einem Unternehmen geschlossen, das im Katastrophenfall exklusiv für den Eigenbedarf des Landes Impfserum produzieren wird. Bei einer früheren Impfstoffknappheit haben die Kanadier die Erfahrung gemacht, dass sie nicht auf die Solidarität ihres US-Nachbarn zählen dürfen.

    Im Fall einer globalen Grippe-Katastrophe, soviel steht fest, wird sich jeder Staat, der Impfstofffabriken besitzt, selbst der nächste sein. In Deutschland wird Grippe-Serum an zwei Standorten produziert, in Marburg und Dresden. Doch Aufträge für Vogelgrippe-Impfstoff gibt es nicht.

    Die deutschen Gesundheitshüter haben sich gegen eine Einlagerung entschieden. Denn das Virus wandelt sich beständig, und entsprechend nimmt die Wirksamkeit des Impfstoffs ab. Auch die Haltbarkeit ist beschränkt, sagt Johannes Löwer vom Paul-Ehrlich-Institut für Impfstoffe in Langen bei Frankfurt. Deshalb müsse man sich gut überlegen…

    "… inwieweit man gewisse Mengen an Impfstoff schon kauft oder nicht; oder schon vorbereitet oder nicht. Das ist letztlich eine Frage der Politik. Das ist meiner Ansicht nach nur sinnvoll, wenn vorher festgelegt ist, welche Personen mit der beschränkten Menge an Impfstoff auch geimpft werden. Das ist, denke ich, etwas, was hier in der Bundesrepublik auch noch nicht stattgefunden hat, dass das schon klar festgelegt ist, wer geimpft werden soll. Und wenn man jetzt schon Impfstoff kaufen würde, würde man nur eine große Konfusion darüber auslösen, wer denn diesen Impfstoff bekommt."

    Einen Pandemie-Plan, in dem steht, dass solche Fragen geklärt werden müssen, hat das Robert-Koch-Institut im Januar dieses Jahres vorgelegt. Antworten gibt es noch keine. Klar ist nur: Eine Grippewelle zieht in Deutschland innerhalb von vier bis acht Wochen durch das ganze Land. So schnell vermehren sich die Impfviren nicht. Beginnt die Impfstoffproduktion erst, wenn der Pandemiefall erklärt ist, kann man also die Bevölkerung damit höchstens noch vor einer zweiten Infektions-Welle schützen, die bei Pandemien häufig nachkommt.

    "Die Vorstellung, dass wir im Falle der Pandemie ausreichend Impfstoff produzieren können, bevor sich die Krankheit ausbreitet, ist sicherlich irrig. "

    Meint daher Johannes Löwer. Trotzdem, oder gerade deshalb ist es wichtig, dass die Impfstoffproduktion ohne Verzögerung anläuft. Voraussetzung dafür sind große Anlagen, die die Industrie nur vorzuhalten bereit ist, wenn es auch in normalen Grippejahren eine gute Nachfrage nach Impfstoffen gibt. Auch deshalb empfiehlt Johannes Löwer die jährliche Grippeimpfung möglichst vielen Menschen. Tatsächlich ist die Öffentlichkeit sensibler geworden: Bereits jetzt steigt die Nachfrage nach Grippe-Serum, so dass der Pharma-Konzern Glaxo Smith Kline seine Kapazitäten in Dresden ausbaut. Im August beginnt dort der Bau eines neuen Impfstoffwerkes. Bei der Entwicklung eines Vogelgrippe-Impfserums konnte die Industrie bislang allerdings kaum auf staatliche Unterstützung hoffen. Die Zuständigkeit dafür liegt bei den Ländern. Die Gesundheitsminister-Konferenz hat gerade mal entschieden, dass sie sich verstärkt dem Thema Impfstoffe zuwenden möchte. Manche Länder schaffen einstweilen antivirale Medikamente an, andere nicht.

    "Es ist ganz klar, dass der Föderalismus Vorteile und Nachteile hat."

    Merkt dazu lakonisch Johannes Löwer vom Bundesamt für Impfstoffe an. Langfristig, glauben die internationalen Gesundheitswächter, wird es nur eine wirklich gute Waffe gegen die Grippe geben: Ein Unversalimpfstoff muss her; einer, der nicht jedes Jahr nur gegen die kursierenden Grippestämme schützt, sondern einer, der jede Art von Grippe-Infektion abmildert, sei es die übliche Grippewelle im Winter oder eben eine Vogelgrippe. Doch daran wird zu wenig geforscht, sagt der WHO-Mann Klaus Stöhr:

    "Viele glauben, dass es nicht möglich sein wird, es gibt allerdings außerordentlich gute Ansätze jetzt schon, die zeigen, dass die Chancen nicht schlecht stehen. Es wird einen erheblichen finanziellen Einsatz erfordern, der aber 100 000fach sich auszahlen wird, wenn dieser Impfstoff zur Verfügung steht. "

    Die Industrie hat wenig Interesse an solch einer Entwicklung. Natürlich verkauft sie lieber die jährlich erneut notwendige Spezialimpfung. Für die Regierungen, argumentiert Stöhr, würde sich eine solche Investition aber ganz bestimmt lohnen.

    "Gegenwärtig haben 23 Länder schon Neuraminidase-Hemmer, Medikamente gekauft für eine Pandemie und haben da rund 4 Milliarden Euro dafür ausgegeben. Jedes Jahr geben Regierungen weltweit 3 Milliarden Euro aus, um den saisonalen Impfstoff zu kaufen. Wenn man hier kleine Mengen abzweigt, in die Forschung steckt und über 5 bis 10 Jahre die notwendigen Gelder zusammen bekommt, kann man langfristig etwas nicht nur für die Verhinderung einer Pandemie in der Zukunft tun, sondern auch für die Minimierung der Auswirkungen der Influenza, die in jedem Jahr viele 100 000 und über eine Million Tote fordert."

    Für die Pandemie, die sich derzeit möglicherweise in Asien zusammenbraut, könnte eine solche Investition zu spät kommen. Deshalb gilt in unserer globalisierten Welt, in der Viren sich per Flugzeug in Tagen über viele Länder und Kontinente verbreiten und in der ansteckende, tödliche Infektionen die gesamte Wirtschaft lähmen: Hilf den Entwicklungsländern - und Du hilfst Dir selbst:

    "Es gibt keine kurzfristige Lösung für das Problem, ohne dass man über die Bekämpfung der Erkrankung beim Geflügel nachdenkt. Die Quelle ist das Geflügel für die möglichen Infektionen beim Menschen, also auch für eine Pandemie. Die Bekämpfung einer Erkrankung in Entwicklungsländern, die dort nicht ökonomisch von großem Interesse ist, heißt, Geld zu investieren. Und hier sind die entwickelten Länder gefragt."

    Asien ist fern und die Vogelgrippe dort scheint nicht unser Problem zu sein. Wenn sie unser Problem wird – und das kann innerhalb weniger Wochen geschehen, dann ist es zu spät für günstige Lösungen dieses globalen Problems.