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"Globales Backup" im Botanischen Garten

Der Botanische Garten der TU Darmstadt ist Forschungsstätte und Erholungsort. Botaniker experimentieren dort mit seltenen und uralten Pflanzenarten, Besucher nutzen den Garten vor allem für eine Pause im Alltagsgeschäft. Vor kurzem gab es einen besonderen Termin, zu dem das interessierte Publikum extra geladen wurde: Ein australischer "Ureinwohner" beehrte den Garten der Uni - und blieb, zum "Globalen Backup".

Von Ludger Fittkau | 28.05.2007
    " Es ist eigentlich ein Ort der Entspannung oder der Ruhe, so zwischendrin, wenn es anstrengend wird oder zu stressig, dann mal ne Runde durch den botanischen Garten gehen."

    Die Darmstädter Biologie-Studentinnen Vera Böntmann kommt von ihrem Spaziergang im Botanischen Garten zum Institutsgebäude zurück. Sie schlängelt sich durch gut besetzte Biertische, auf denen Keksteller drapiert sind, am Rande zischt eine Kaffeemaschine.

    Auf den Bänken sitzen etwa fünfzig Menschen, gleich daneben ist ein Infotisch mit Broschüren aufgebaut. Auf der Treppe zum Physiologie-Institut der TU steht eine etwa 80 Zentimeter hohe Topfpflanze, ein Bäumchen, dessen Blätter wie eine Mischung aus Farnkraut und Tannengrün aussehen. Wegen dieses Baumes sind heute alle hier. Biologie-Dekan Gerhard Thiel ergreift als erster das Wort:

    " Wir möchten sie herzlich willkommen heißen im Botanischen Garten und im Namen des Fachbereiches Biologie. Der Botanische Garten hier in Darmstadt ist schon ein reicher Botanischer Garten, weil er ungeheuer schön ist und weil er eine ganze Menge an sehr seltenen Pflanzen hat, die auch hervorragend wissenschaftlich dokumentiert sind. Diese Pflanze ist eine ganz besondere und deshalb freuen wir uns hier im Botanischen Garten, nicht als einer der ersten hier in Deutschland, aber einer der wenigen immer noch , ihnen eine solche Pflanze zeigen zu können. "

    Die Wollemia Nobilis, so der Name der Pflanze, hat Alexander Kienzler mitgebracht. Die Baumart wurde erst vor zwölf Jahren in Australien entdeckt und ist zwischen 90 und 200 Millionen Jahre alt. Alexander Kienzler hat das Pflanzenfossil in seinem Gartenbaubetrieb bei Mainz angezogen:

    " Die Vermehrung läuft also vegetativ, dass heißt über Steckhölzer, nicht über Samen, das ist bei der Wollemia noch ein bisschen schwierig mit der Saat von den Bäumen der Naturstandorte, Samen zu ernten und alle nach vermehrten Bäume sind alle noch nicht alt genug, dass sie Samen ansetzen würden, also ist man hier auf vegetative Vermehrung angewiesen."

    "Globales Backup" nennt Alexander Kienzler den Versuch, den uralten Baum auch in deutschen botanischen Gärten anzupflanzen. Der Garten der TU bietet schon jetzt äußerst seltenen Pflanzenarten aus aller Welt ein Refugium und ist damit ein lebendiger Lernraum. Auch Tanja Strecker, die bereits kurz vor ihrem Biologie-Abschluss steht, entdeckt immer noch bei jedem Rundgang Pflanzen, die sie bisher nicht kannte:

    " Wir haben gerade eben selbst den Blumenhartriegel hier entdeckt, hier vorne im Garten, ein riesengroßer Baum, rosa blühend, kommt aus Nord-Mexiko oder in Nordamerika, man stellt halt fest als Student, wenn man seine spezielle Übungen macht und dann wieder einen Abstecher macht in den Botanischen Garten, das man selbst immer wieder ganz viel neues entdeckt."

    An einer besonders geschützten Stelle pflanzt Gartenmeister Dirk Heyer das "lebende Fossil" Wollemia Nobilis ein -angefeuert von Stephan Schneckenburger, dem Leiter des Botanischens Gartens:

    " Also, Herr Heyer ist bester Gesellschaft, in Monaco hat es der Prinz gemacht.
    Autogrammstunde gibt es nachher…

    Ich heiße Wollemia in Darmstadt willkommen (Beifall)."

    Nach dem Einpflanzen zeigt Stephan Schneckenburger im Hörsaal des Institutsgebäudes einen Film über das australische Herkunftsgebiet der Wollemia Nobilis. Im Film sind Botaniker zu sehen, die mit verbundenen Augen in einem Hubschrauber zum dem geheimen Ort geflogen werden, wo die letzten 100 Bäume in der Natur wachsen:
    Schneckenburger: " Und das sind nur 150 Kilometer von Sidney entfernt."

    " Es reicht hier nicht, man stellt die Gattung unter Naturschutz, man lässt den Standort geheim, lässt keinen hin, nein man muss hier einen aktiven Weg der Arterhaltung gehen, denn er reicht einfach ein Buschfeuer oder eine eingeschleppte Krankheit, und dieser Baum hätte für immer verloren sein können."

    Anschließend bei Kaffee und Keksen versichern die anwesenden Mitglieder des Freundeskreises des Botanischen Gartens Darmstadt: Sie werden schon ein Auge darauf haben, dass es dem exotischen Neuzugang gut geht. Immerhin 250 Mitglieder hat der Freundeskreis, der in Darmstadt auch die Woche der Botanischen Gärten mitorganisiert. Inge Beims gehört zu den Aktivistinnen des Kreises:

    " Die Woche der Botanischen Gärten wird vom Verband botanischer Gärten veranstaltet und jeder botanische Garten macht ein eigenes Programm, wir haben Führen und Präsentationen und laden eben den Freundeskreis insbesondere, aber auch alle Darmstädter und Umland ein. "

    Eingeladen sind auch die Studierenden - und die könnten ruhig mal öfter den Weg in den schönen Garten am Stadtrand finden - das meinen die Biologie-Studentin Tanja Stecker und Vera Böntmann:

    " Was wir allerdings eben auch festgestellt hatten, dass gerade auch ältere Leute das nutzen, aber junge Leute eigentlich kaum hier sind. Außer uns, die wir hier sind als Studenten und die ab und zu hier spazieren gehen, kommen jüngere Leute gar nicht mehr so auf die Idee, hier her zu kommen, weil es gar nicht in ihrem Bewusstsein ist, das es den botanischen Garten gibt."

    Weiter Informationen:
    Verband botanischer Gärten e.V.