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Globalisierter Honig

Der Filmemacher Markus Imhoof stammt aus einer Schweizer Imkerfamilie, sein Interesse am Schicksal der Biene liegt also nahe. Er ist ihm nachgegangen, von der alpinen Familienimkerei bis zur industrialisierten Honigfarm in den USA. Sein Dokumentarfilm zeichnet ein nicht gerade erheiterndes Bild globalisierter Naturbeherrschung.

Von Hartiwg Tegeler | 07.11.2012
    John Miller steigt in der Plantage aus dem Auto. Hören Sie das? Meint er. Das ist der Sound des Geldes. Bienen und Bäume. Schön! - Der Großimker steht inmitten von Millionen von blühenden Mandelbäumen, die bestäubt und befruchtet werden von Bienen. Hierher werden Millionen von Bienenvölker gebracht, um dann mit riesigen Trucks - eine Art von hierzulande noch unbekanntem Tiertransport - zu Tausende von Kilometern entfernten Apfelplantagen durch die USA transportiert zu werden. Dann ist der nächste Bienenjob.

    Ob aber Großindustrie oder beim alten Bergimker in den Schweizer Alpen: Die Biene ist weltweit bedroht. Die Biene ist in Deutschland offiziell drittwichtigstes Wirtschaftstier. Man kann sich vorstellen, dass auch unsere Nahrung durch das Bienensterben betroffen sein wird. Markus Imhoof begibt auf die Reise um den Globus, um den Ursachen der Colony Collapse Disorder nachzuspüren. Sein Film "More than honey" entfaltet so ein multidimensionales Bild über das Bienensterben, ein Bild - wie Imhoof sagt - auch über:

    "Die Welternährung, die Ökonomie, die Globalisierung, und natürlich durch die Welternährung diese ganze Agrochemie, die in einer sehr totalitären Art mit der Landschaft und damit auch den Tieren umgeht."

    Visuell ist "More than honey" faszinierend. Man sieht die Biene in Nahaufnahme in ihrem Stock, wie sie ihre Fühler putzt oder ihre Zunge in den Honig steckt. Makroaufnahmen, die mit Kameras entstanden sind, die für Operationen beim Menschen genutzt werden. Um den Flug einer Biene in Nahaufnahme zu zeigen, setzte Imhoof außerdem Minihelikopter ein, bestückt mit einer kleinen Kamera. Keine digitalen Bienen sehen wir also in "More than honey", was für Imhoof viel Geduld erforderte, um diese Bilder herzustellen:

    "Aber wir saßen schon auf Nadeln, ja."

    So führt uns Imhoof die verstörende Welt unserer Nahrungsmittelproduktion vor, wenn wir die chinesischen Landarbeiter sehen, die auf Bäume klettern und so Biene spielen, weil es in einigen Regionen Chinas keine Bienen mehr gibt, und der Mensch nun von Hand bestäuben muss. Ein Blick auch in unsere Zukunft?

    "Das zeigt den unglaublichen Aufwand, den es bedeutet, wenn es keine Bienen mehr geben würde."

    Doch Markus Imhoof erweckt in "More than honey" nicht den Eindruck, als könne man die Probleme einfach lösen, indem man die berüchtigte Varroamilbe bekämpft:

    "Das ist eine ganze Palette von Themen."

    Als da wären: der Einsatz von Pestiziden, Bienenkrankheiten, falsche oder zu starke Medikamente, der Stress, den die Bienenvölker erleiden, Verlust von natürlichem Lebensraum sowie Inzucht, nicht nur in der Großindustrie, sondern auch beim kleinen Imker.

    Markus Imhoofs beeindruckende wie unheimliche Dokumentation "More than honey" stellt sich in eine Reihe mit den kritischen Filmen über die Abgründe unserer industriellen Nahrungsmittelproduktion, beispielsweise Erwin Wagenhofers "Let´s feed the world" oder Marie Monique Robins Dokumentation "Monsanto - mit Gift und Genen".

    Warum die Bienen sterben? Zynisch gesprochen, weil unsere Zivilisation so erfolgreich ist. Gibt es also keine Hoffnung? Doch. Die könnte bei der berüchtigten Killerbiene liegen, dieser Kreuzung aus europäischer und afrikanischer Biene. Sie ist nicht bedroht vom Aussterben, und die Varroamilbe interessiert sie nicht. Markus Imhoof findet diesen Honiglieferanten faszinierend:

    "Die Natur hat da Lösungen angeboten, mit denen wir nicht gerechnet haben und die vielleicht nicht ganz unter unserer Kontrolle sind. Und darum gefallen sie mir besonders gut."