So sehen sie auch in den Manga-Comics aus, die jungen Japanerinnen von heute: Das knielange Kleid mit Musterdruck dezent geschlitzt, die langen Haare zu Zöpfen gebunden. Artig, durchschnittlich, aber wild in ihren Bewegungen. Genau so eine stapft da über die Bühne, und brüllt auf japanisch ihren Wochenablauf ins Mikrofon: Montag im Supermarkt – da hat sie sich verlaufen. Dienstag am Strand, Mittwoch auf der Jagd – da hat sie sich wieder verlaufen. Donnerstag in der Wüste, und was am Freitag war, das hat sie schon vergessen.
"Note" heißt das neue Stück der japanischen Gruppe Nibroll, das gestern Abend in der Hamburger Kampnagelfabrik seine Europa-Premiere erlebte. Es ist das Stück einer losen Gruppe von Designern, Choreografen, Musikern und Tänzern, die sich auf dem Kunstmarkt durchzuschlagen versuchen, mit der Mehrfachwertung von Stücken, die sie mal als Modenschau präsentieren, mal als Theater, oder auch – wie in diesem Falle – als Tanzstück. Und so sieht ihre Ästhetik denn auch aus: Eine seltsame Mischung aus Werbeästhetik und deren Verzerrung. Perfekt designte Bilder huschen über großformatige Leinwände, eine traumhaft leicht schwebende Monatsbinde entwickelt sich zum Ufo, dessen simulierter Flug durch die Vorstädte sich zu wirren Rechenkästchen auflöst. Immer begleitet durch treibende Musik. Dass sich Klassik durch Hip Hop überlagern lässt, mit Hymnen und Popsongs mischt, das kennen wir alles schon. Aber hier dröhnen über lange Strecken hinweg verzerrte Bässe oder Höhen und reichern den idealisierten Hochglanz an mit neuer Schlampigkeit. So auch im Tanz: Ähnlich wie junge deutsche Gruppen, etwa Constanza Makras oder "Two Fish", liefert uns Choreografin Mikuni Yanaihara Bewegungen nur noch als schlampiges Zitat ab, als Ansammlung unverstandener Tanzsprachen und Körperlogiken. Am besten sind die sieben Tänzer, wenn sie als Comicfiguren apathisch durch den Raum stapfen, sich dann wieder wie von der Tarantel gestochen jagen oder jedem Duett, sobald es sich entspinnt, sofort als Pulk hinterherlaufen. Dann ahnt man etwas von dieser gehetzten Mediengeneration und ihrem Druck, immer neu, immer innovativ, immer dabei zu sein. Zurück bleibt das Gefühl eines Alptraums, einer Verwirrung der eigenen Körperzellen. Doch es währt nicht länger als eine Nacht.
Ganz anders als das Stück "Molora" , zu deutsch: Asche, der südafrikanischen Regisseurin Yael Farber, die zum ersten Mal in Europa gastierte. Hier geht es ganz still zu, aber die Bilder und Fragen bleiben. Yael Farber versetzt die griechische Orestie in das Afrika der Neunziger Jahre: Jener Zeit, als die so genannten "Wahrheitskommissionen" eingerichtet wurden, um die Menschrechtsverletzungen des Apartheid-Regimes anzuhören. Nicht zu rächen, sondern aufzuarbeiten. Die Rolle dieser Kommission übernimmt hier der Chor, gebildet aus sieben alten Frauen der traditionellen Musikgruppe "Ngkoko Cultural Group". Ihre Obertongesänge, ihre gestampften Rhythmen und Lieder erklingen, für unsere Ohren unverständlich, während oder zwischen den Szenen, wenn die weißafrikanische Mutter und die schwarzafrikanische Tochter die Morde an den Männern aufarbeiten. Und wie diese Musikerinnen sich eingliedern in dieses Theater, nie Kolonialware werden wie so oft in dieser Art Theaterproduktion, sondern der stille aufmerksame Fixpunkt, vor dem sich dies alles abspielt, das ist klug und berührend.
Drei Kerzen auf ausgesoffenen Flaschen, auf einem Holztisch im Halbdunkel – schon sind wir mit Mutter Klytämnästra auf der einsamen Farm in angstvoller Nacht. Und wie Dorothy Ann Gould diese Rolle gibt, ihre Leitsprüche ausspuckt wie Peitschenhiebe, umherirrt mit einem irrsinnigen, leeren Blick, das haben wir seit Maria Wimmer nicht mehr so intensiv gesehen. Zwei Tische, zwei Neonlichter, schon sind wir mitten in der Anhörung, bei der Lindi Chibi als versklavte Tochter sich windet vor Schmerzen, angesichts der niemals erhaltenen Liebe. Es sind kleine Gesten, die dieses Theater so groß machen. Am Ende greift der Chor ins Geschehen ein und stoppt Elektra mit der Axt, verhindert also den ewigen Faden der Blutrache. Dieses Ende wirkt plötzlich wenig überzeugend, aber lenkt den Blick umso mehr auf die Geschichte. Diese Produktion war nicht nur Bestandsaufnahme des Globalisierungsprozesses, sondern sie führt weiter: 2000 Jahre Krieg, 2000 Jahre Blutrache – wie kann man sie je aufhalten? In Afrika wurde ein Anfang gemacht.
"Note" heißt das neue Stück der japanischen Gruppe Nibroll, das gestern Abend in der Hamburger Kampnagelfabrik seine Europa-Premiere erlebte. Es ist das Stück einer losen Gruppe von Designern, Choreografen, Musikern und Tänzern, die sich auf dem Kunstmarkt durchzuschlagen versuchen, mit der Mehrfachwertung von Stücken, die sie mal als Modenschau präsentieren, mal als Theater, oder auch – wie in diesem Falle – als Tanzstück. Und so sieht ihre Ästhetik denn auch aus: Eine seltsame Mischung aus Werbeästhetik und deren Verzerrung. Perfekt designte Bilder huschen über großformatige Leinwände, eine traumhaft leicht schwebende Monatsbinde entwickelt sich zum Ufo, dessen simulierter Flug durch die Vorstädte sich zu wirren Rechenkästchen auflöst. Immer begleitet durch treibende Musik. Dass sich Klassik durch Hip Hop überlagern lässt, mit Hymnen und Popsongs mischt, das kennen wir alles schon. Aber hier dröhnen über lange Strecken hinweg verzerrte Bässe oder Höhen und reichern den idealisierten Hochglanz an mit neuer Schlampigkeit. So auch im Tanz: Ähnlich wie junge deutsche Gruppen, etwa Constanza Makras oder "Two Fish", liefert uns Choreografin Mikuni Yanaihara Bewegungen nur noch als schlampiges Zitat ab, als Ansammlung unverstandener Tanzsprachen und Körperlogiken. Am besten sind die sieben Tänzer, wenn sie als Comicfiguren apathisch durch den Raum stapfen, sich dann wieder wie von der Tarantel gestochen jagen oder jedem Duett, sobald es sich entspinnt, sofort als Pulk hinterherlaufen. Dann ahnt man etwas von dieser gehetzten Mediengeneration und ihrem Druck, immer neu, immer innovativ, immer dabei zu sein. Zurück bleibt das Gefühl eines Alptraums, einer Verwirrung der eigenen Körperzellen. Doch es währt nicht länger als eine Nacht.
Ganz anders als das Stück "Molora" , zu deutsch: Asche, der südafrikanischen Regisseurin Yael Farber, die zum ersten Mal in Europa gastierte. Hier geht es ganz still zu, aber die Bilder und Fragen bleiben. Yael Farber versetzt die griechische Orestie in das Afrika der Neunziger Jahre: Jener Zeit, als die so genannten "Wahrheitskommissionen" eingerichtet wurden, um die Menschrechtsverletzungen des Apartheid-Regimes anzuhören. Nicht zu rächen, sondern aufzuarbeiten. Die Rolle dieser Kommission übernimmt hier der Chor, gebildet aus sieben alten Frauen der traditionellen Musikgruppe "Ngkoko Cultural Group". Ihre Obertongesänge, ihre gestampften Rhythmen und Lieder erklingen, für unsere Ohren unverständlich, während oder zwischen den Szenen, wenn die weißafrikanische Mutter und die schwarzafrikanische Tochter die Morde an den Männern aufarbeiten. Und wie diese Musikerinnen sich eingliedern in dieses Theater, nie Kolonialware werden wie so oft in dieser Art Theaterproduktion, sondern der stille aufmerksame Fixpunkt, vor dem sich dies alles abspielt, das ist klug und berührend.
Drei Kerzen auf ausgesoffenen Flaschen, auf einem Holztisch im Halbdunkel – schon sind wir mit Mutter Klytämnästra auf der einsamen Farm in angstvoller Nacht. Und wie Dorothy Ann Gould diese Rolle gibt, ihre Leitsprüche ausspuckt wie Peitschenhiebe, umherirrt mit einem irrsinnigen, leeren Blick, das haben wir seit Maria Wimmer nicht mehr so intensiv gesehen. Zwei Tische, zwei Neonlichter, schon sind wir mitten in der Anhörung, bei der Lindi Chibi als versklavte Tochter sich windet vor Schmerzen, angesichts der niemals erhaltenen Liebe. Es sind kleine Gesten, die dieses Theater so groß machen. Am Ende greift der Chor ins Geschehen ein und stoppt Elektra mit der Axt, verhindert also den ewigen Faden der Blutrache. Dieses Ende wirkt plötzlich wenig überzeugend, aber lenkt den Blick umso mehr auf die Geschichte. Diese Produktion war nicht nur Bestandsaufnahme des Globalisierungsprozesses, sondern sie führt weiter: 2000 Jahre Krieg, 2000 Jahre Blutrache – wie kann man sie je aufhalten? In Afrika wurde ein Anfang gemacht.