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Globalisierung: ungeliebt bei den Lerninhalten

G8, Heiligendamm: Globalisierung ist in aller Munde. Doch auch im Kopf deutscher Studierenden? Ja, sagt die Continental-Studie, die nun in Frankfurt am Main der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Studierende in Deutschland wissen, dass die zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft ihren Berufsweg beeinflussen wird. Nur: Beim Lernen spiegelt sich das überraschenderweise nicht nieder. Auch mit der Suche nach freiwilligen Praktika in international agierenden Unternehmen hapert es.

Von Ludger Fittkau | 05.06.2007
    Es ist ein widersprüchlicher Befund, den heute in Frankfurt am Main vorgestellt wurde: Einerseits wissen deutsche Studierende nur zu gut, dass die zunehmende internationale Arbeitsteilung, die Globalisierung von Produktion und Handel, ihr Leben bestimmen wird. Andererseits führt gerade die gute Konjunktur hierzulande offenbar zu einer gewissen Sorglosigkeit bei den Studierenden. Continental-Personalvorstand Heinz Gerhard Wente:

    "Ja auf der einen Seite dürfen wir nicht vergessen, dass heute in Deutschland und in Mitteleuropa vielen Firmen wieder relativ gut geht und diese Firmen dann auch wieder Karrierechancen bieten für die Studenten und die vielleicht etwas schwierigere und etwas unangenehmere Aufgabe ins Ausland zu gehen, entfallen kann."

    Eklatantes Beispiel für eine gewisse Sorglosigkeit, die offenbar in Sachen Globalisierung bei den Studierenden zurzeit wieder herrscht: Die Zahl der Auslandspraktika und der absolvierten Auslandssemester ist zurückgegangen. Gelingt es den Universitäten nicht, ihre Studierende vom Sinn der Auslandsaufenthalte zu überzeugen. Reiner Anderl, der Vizepräsident der TU Darmstadt, nannte bei der Präsentation der Studie im Frankfurter Reifenwerk noch einen anderen Grund für Probleme mit Auslandspraktika- bürokratische Hemmnisse nämlich. Zum Beispiel werden Studienleistungen nicht anerkannt, die im Ausland erbracht werden:

    "Das Anerkennungsproblem bleibt aber trotzdem noch offen. Und ein Student wird natürlich entscheiden, ob er ein Auslandspraktikum macht, wenn er die Studienleistungen nicht anerkannt bekommt. Das ist natürlich schon ein Hindernis, das man bereinigen muss. Und da denke ich, da sind wir als Universitäten aufgerufen, diese Hindernisse tatsächlich aus dem Weg zu räumen."

    Ein Hindernis für Auslandspraktika kommt offenbar auch aus der Industrie selbst. Das berichtete Christina Noltermeier, die an der TU Darmstadt Wirtschaftsinformatik studiert und die zur Präsentation der Continental-Studie eingeladen worden war:

    "Es heißt so schön, man solle doch ein Praktikum im Ausland machen und es gäbe doch so viel Plätze und man müsste sich nur drum bemühen. Aber wie wir schon gehört haben, bei Continental muss man erst ein Praktikum im Inland gemacht haben, um überhaupt ins Ausland zu gehen.
    ( ... ) Ich selber hatte die Chance, im Ausland ein Praktikum zu machen, das lief aber über Beziehungen meines Vaters, es ist wirklich nicht einfach, im Ausland ein Praktikum zu bekommen."

    Die Vertreter der Wirtschaft sahen das angesichts der Ergebnisse der Globalisierungsstudie heute anders. Man müsse aber auch bereit sein, mal in ein Dritte-Welt-Land zu gehen, zum Beispiel nach Sierra Leone. Ein Auslandspraktikum sei schließlich kein Urlaub.

    Daniel Palm, der zweite Darmstädter Student, der an der Pressekonferenz teilnahm, beschrieb noch einmal die Überlegungen, die Studierende bei manchen Ländern zögern lassen:

    "Ich würde auch wirklich in ein Land gehen, wenn ich von zu hause weg muss, allein unterwegs bin und dann auch noch in ein Land komme, wo ich nicht mal die Sprache verstehe, im Unternehmen wird dann vielleicht noch Englisch gesprochen, aber wenn man dann einmal ein bisschen unterwegs ist, dann versteht einen keiner mehr, dann muss man sich mit Händen und Füßen irgendwie verständigen, dann finde ich das schwierig. "

    Die Kosten für einen Auslandsaufenthalt seien oft auch ein Problem, da waren eich Hochschul- und Industrievertreter heute einig. Doch sowohl Unternehmen als auch vor allem die Europäische Union mit ihren Förderprogrammen halten eine ganze reihe von Unterstützungsmöglichkeiten bereit. Und wenn es tatsächlich am Ende wirklich am Geld fehle, müsse man angesichts der Herausforderungen der Globalisierung vielleicht auch einmal bereit sein, einen Auslandsaufenthalt über ein Darlehen zu finanzieren, so Continental-Manager Heinz-Gerhard Wente:

    "Das glaube ich schon, dass das ein Problem ist, aber es ist eine Investition in die Zukunft. Und wer auch immer es sich ermöglichen kann, auch über Kredite finanziert, er wird sicher einen guten Payback haben.."