Archiv


Globalisierung von Schädlingen

Ökologie. - Pflanzen und Tiere aus fernen Ländern kommen häufig unbemerkt in Containern, zwischen den Brettern bei Holzlieferungen oder an der Unterseite von Handelsschiffen ins Land und treten in Konkurrenz zur heimischen Fauna und Flora. Auslöser der tierischen und pflanzlichen Globalisierung sind in erster Linie Handel und Touristik. Seit kurzem spielt aber auch die fortschreitende Klimaveränderung eine Rolle. Unter anderem lockt die Wärme neue Erreger in deutsche Weinberge.

    In Bernkastel-Kues an der Mosel unterhält die Biologische Bundesanstalt (BBA) ein Institut für Pflanzenschutz im Weinbau. Sein Blick gilt neuen Schadorganismen in Deutschlands Weinbergen. Dazu untersucht Dunja Gröner, Technische Angestellte im Institut, Zikaden unter dem Mikroskop: "Das hier sind 63 tief gefrorene Zikaden, die wir im Sommer gefangen haben." Den Zikaden droht Fürchterliches, sagt der Institutschef und Biologe Michael Maixner: "Sie werden zerquetscht. Wir zermörsern die gesamte Zikade. Die molekularbiologischen Nachweismethoden, die wir anwenden, sind so sensitiv, dass wir dann die Erreger, die hauptsächlich in den Speicheldrüsen sitzen, aus dem gesamten Zikadenbrei herausdetektieren können." Die Analyse soll an den Tag bringen, wie viele der Zikaden mit so genannten Phytoplasmen infiziert sind. Diese Bakterien ohne Zellwand werden von den Insekten auf die Reben übertragen, wo sie über kurz oder lang die Leitungsbahnen für Nährstoffe zerstören und Vergilbungskrankheiten auslösen. Stark befallene Rebstöcke können daran sogar zu Grunde gehen.

    "Wir stellen fest, dass einige Wärme liebende, Krankheit übertragende Zikaden in den 90er Jahren ihre Populationsdichten stark erhöht haben", berichtet Maixner. "Und wir beobachten - wenn wir die Daten unserer Kollegen aus Frankreich und Italien analysieren -, dass sich einige Erreger nach Norden hin ausbreiten. Wir müssen damit rechnen, dass sie früher oder später auch nach Deutschland einwandern oder eingeschleppt werden." Eine der aus Nordamerika eingeschleppten Zikaden haben es zum Beispiel schon bis nach Südtirol und in die Schweiz geschafft. Dort vermehrt sich diese Art massenhaft, sagt Maixner, mit Folgen: "Sie scheidet bei ihrer Saugtätigkeit als Kot große Mengen von Honigtau aus. Der schlägt sich auf die Rebblätter und auch auf die Trauben nieder und führt dann zu dem Befall mit Rußtaupilzen. Und das führt zu einer starken Verschmutzung der Trauben, die dann nicht mehr vermarktungsfähig sind."

    Inzwischen rücken noch andere Klima-Günstlinge aus dem warmen Süden nach Norden vor: Schadpilze wie der Erreger der so genannten Schwarzfäule. Bernhard Holz, Pilz-Spezialist im BBA-Institut, hat diese Krankheit vor zwei Jahren erstmals an der Mosel nachgewiesen. Nun fand er heraus: "Die Krankheit hat sich wider Erwarten sehr stark vom vorletzten auf das letzte Jahr ausgebreitet, sodass es im letzten Jahr erstmals Probleme in Ertragsweinbergen gab." Schutz vor den neuen Invasoren könnte konsequente Rodung bieten. Denn Zikaden und Fäulnis-Pilze nutzen bei ihrem Vormarsch vor allem verwilderte Rebflächen als erste Trittsteine.

    [Quelle: Volker Mrasek]