Bei der Erwägung der Frage, ob "der neue Ton" von Dichtung und Musik jeweils auch der bessere sei, bemerkte der Philosoph Ernst Bloch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, dass "die sich entwickelnde Neuzeit" – er fasste sie in den Begriff der "Adventszeit" – "den Musiker braucht und liebt". Was da im Geist der Utopie anklang, hat sich als Prinzip Hoffnung verfestigt: die sich entwickelnde Neuzeit ge- und verbraucht in sanfterer oder heftigerer Zuneigung das, was die Musiker hervorbringen. Die Künstler – und insbesondere die Tonkünstler – erscheinen als die letzten Helden der westlichen Welt. Gerade dann, wenn sie ein Hoch auf die real existierenden Realitäten ausbringen – "es ist o.k.!" und so. Und vor allem, wenn sie auch noch die Tiefen unserer vielfältig angefochtenen Existenzen ansprechen, gar gegen schleichende Hoffnungslosigkeit ansingen: "Am Strand des Lebens / Ist nichts vergebens".
Da trägt uns also einer mit stets überanstrengt wirkender, aus den Verklemmungen ausbrechender Stimme in selbstgeklempnerten Reimen vor, dass "alles auf dem Weg ist" – er hat es sogar glänzend in den Begriff der "Sonnenzeit" gefasst. Damit singt er freilich nicht nur ein Hohes Lied aus das lebenswerte Leben schlechthin, sondern – wörtlich einstimmend – das Gloria in excelsis Schröder. Denn "der Kanzler", dieser Bundeskanzler, ist ja bekanntlich mit seinem undefinierten "wir" allzeit auf einem guten Weg" – gleich, was passiert oder unterbleibt.
Da fügt es sich gut, dass Repräsentantinnen der protestantischen Kirche den Song "Mensch ist Mensch" als rundweg zu rühmendes Modell der frohen Botschaft entdeckt haben und womöglich sogar in den Rang eines Kirchenlieds erheben wollen. Sollte dies "eins zu eins umgesetzt" werden, dann bricht evangelische Sonnenzeit an: "Danke – für diesen guten Morgen, Danke – für diese gute Tat!" Das es die Lutherischen und Reformierten auch anders können, wird gelegentlich auch noch demonstriert. Mit einer neuen "Missa brevis" für Solo-Stimme und Schlagzeug von Dieter Schnebel z.B., uraufgeführt im November im Rahmen der Kassler Musiktage.
Es handelte sich bei dieser kurz und knapp gehaltenen Messkomposition um ein bewusst karges Modell der klanggestützten Verkündigung: ganz konzentriert auf das Wort, das im Mittelpunkt der evangelischen Lehre steht. Bewusst knüpfte Dieter Schnebel auch an den Intonationen seiner Dahlemer Messe aus den 80er Jahren an (dieser vielleicht bedeutendsten neueren Kirchenmusik, in der die ganz Mensch gewordenen Engel ein eigentümlich herb-schönes Gloria anstimmen).
Kaum anzunehmen, dass das Modell Schnebel irgendwie mehrheitsfähig würde. Aber das zu werden war ja recht eigentlich kaum je ein vordringliches Bestreben des kernigen Protestantismus. Da hat John Adams mit seiner Musik zu der – in Zusammenarbeit mit Peter Sellars entwickelten – Neuvertonung der Weihnachtsgeschichte bessere Chancen: El nino" oder "La nativité".
Es handelt sich dabei um eine Arbeit, die zum mutmaßlichen 2000. Jahrestag des Mirakels von Bethlehem in Paris herauskam und seitdem auch in Berlin, Amsterdam und medial durchaus erfolgreich war – Musik mit Suggestiv-Wirkung zu Bildern des Alltags armer Amerikaner, die ihr gutes Herz entdecken. Ja, Mensch ist Mensch. Und die Musiker nehmen es zu ihrem Glück (und dem von vielen) meist nicht so genau mit dem, was sie glorifizieren. In der musikalischen Unschärfe bewahrt sich, wie nirgendwo sonst, das Prinzip Hoffnung.
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523.html
Da trägt uns also einer mit stets überanstrengt wirkender, aus den Verklemmungen ausbrechender Stimme in selbstgeklempnerten Reimen vor, dass "alles auf dem Weg ist" – er hat es sogar glänzend in den Begriff der "Sonnenzeit" gefasst. Damit singt er freilich nicht nur ein Hohes Lied aus das lebenswerte Leben schlechthin, sondern – wörtlich einstimmend – das Gloria in excelsis Schröder. Denn "der Kanzler", dieser Bundeskanzler, ist ja bekanntlich mit seinem undefinierten "wir" allzeit auf einem guten Weg" – gleich, was passiert oder unterbleibt.
Da fügt es sich gut, dass Repräsentantinnen der protestantischen Kirche den Song "Mensch ist Mensch" als rundweg zu rühmendes Modell der frohen Botschaft entdeckt haben und womöglich sogar in den Rang eines Kirchenlieds erheben wollen. Sollte dies "eins zu eins umgesetzt" werden, dann bricht evangelische Sonnenzeit an: "Danke – für diesen guten Morgen, Danke – für diese gute Tat!" Das es die Lutherischen und Reformierten auch anders können, wird gelegentlich auch noch demonstriert. Mit einer neuen "Missa brevis" für Solo-Stimme und Schlagzeug von Dieter Schnebel z.B., uraufgeführt im November im Rahmen der Kassler Musiktage.
Es handelte sich bei dieser kurz und knapp gehaltenen Messkomposition um ein bewusst karges Modell der klanggestützten Verkündigung: ganz konzentriert auf das Wort, das im Mittelpunkt der evangelischen Lehre steht. Bewusst knüpfte Dieter Schnebel auch an den Intonationen seiner Dahlemer Messe aus den 80er Jahren an (dieser vielleicht bedeutendsten neueren Kirchenmusik, in der die ganz Mensch gewordenen Engel ein eigentümlich herb-schönes Gloria anstimmen).
Kaum anzunehmen, dass das Modell Schnebel irgendwie mehrheitsfähig würde. Aber das zu werden war ja recht eigentlich kaum je ein vordringliches Bestreben des kernigen Protestantismus. Da hat John Adams mit seiner Musik zu der – in Zusammenarbeit mit Peter Sellars entwickelten – Neuvertonung der Weihnachtsgeschichte bessere Chancen: El nino" oder "La nativité".
Es handelt sich dabei um eine Arbeit, die zum mutmaßlichen 2000. Jahrestag des Mirakels von Bethlehem in Paris herauskam und seitdem auch in Berlin, Amsterdam und medial durchaus erfolgreich war – Musik mit Suggestiv-Wirkung zu Bildern des Alltags armer Amerikaner, die ihr gutes Herz entdecken. Ja, Mensch ist Mensch. Und die Musiker nehmen es zu ihrem Glück (und dem von vielen) meist nicht so genau mit dem, was sie glorifizieren. In der musikalischen Unschärfe bewahrt sich, wie nirgendwo sonst, das Prinzip Hoffnung.
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