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Glosse: ´Ihr Kampf`

Die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein hat in einem offenen Brief die SPD Führung um Sigmar Gabriel und Andrea Nahles scharf angegriffen und die Einladung zum Festakt "150 Jahre Sozialdemokratie" der Partei in Leipzig wortgewaltig abgelehnt. Sie fühlt sich von SPD-Abgeordneten verunglimpft und in ihrer Doping-Causa ungerecht behandelt.

Von Jürgen Roth |
    Irgendwann gewinnt man sie ja regelrecht lieb, diese Dauerkrachschläger und ewigen Trommelrührer und narzißtischen Nudeln, die unsere holde mediale Öffentlichkeit ohn’ Unterlaß mit ihrem egozentrischen Gejuckel und Gejaule und Gejammer überziehen, und Frau Claudia Pechstein, die im Bachelor-Studiengang Ich-ich-ich-Management ohnehin schon die volle Punktzahl eingefahren hat, schickte sich jetzt dieser Tage an, abermals wahrlich neue Maßstäbe in Sachen Selbstverdummbeutelung zu setzen, ja richtiggehend festzurammen.

    Nun darf man durchaus darüber räsonieren, in welchem Zustand eine Partei wie die SPD sein muß, damit sie eine Gerechtigkeitsfanatikerin und Sport-Jeanne d’Arc vom Kaliber Claudia Pechsteins zu einem Fest Ende Mai in Leipzig einlädt, auf dem der Politverein sein hundertfünfzigjähriges Bestehen feiert. Wie wäre es denn mit Roberto Blanco gewesen? Oder gleich mit Josef Ackermann?

    Aber nein, Pechsteins Claudia mußte es sein. Doch leider, leider – und uns erfüllt ein großes Barmen für die ehrwürdige Volkspartei – sagte die dergestalt Geehrte just am 1. Mai, am internationalen Kampftag des Proletariats, mit einer sage und keife 6.500 Zeichen langen Presseerklärung ab. Aber so was von sagte sie da ab, die blitzsaubere Frau Pechstein, mein lieber Herr Arbeitergesangsverein!

    "Unglaublich wütend" sei sie ob der "unfaßbaren Haltung der verantwortlichen SPD-Vertreter im Kampf um meine vollständige Rehabilitierung", schnauft und schnieft die herrliche Frau Pechstein in dieser ihrer wunderbaren Spitzenepistel an den Herrn Parteivorsitzenden persönlich, denn die "wortführenden Sportausschußmitglieder" der SPD, Dagmar Freitag und Martin Gerster, hätten sie, statt ihr tapfer beizustehen, "wiederholt öffentlich verunglimpft", nämlich "im Zuge meiner Verurteilung wegen angeblichen Dopings". Verständlich, na klar wie Klopsbrühe, "daß" – o zarter O-Ton Pechstein! – "eine solch ignorante Haltung wütend macht. Mich macht sie sogar so wütend, daß ich mein Nein zu Ihrer Einladung öffentlich mache."

    Ach Gott, ach Gott, ach Gott. Es wälzt sich dieser Schmerschrieb über die – sie redet tatsächlich sogar zweimal in der königlichen dritten Person von sich – "Causa Pechstein" derart ächzend und stöhnend vor sich hin, daß man Mitleid für die Buchstaben empfindet. Wiederholt spricht die angebliche Eisschnellläuferin Claudia Pechstein, die (sie über sich, wir machen keine Witze) "ein besonderes Gefühl für Recht und Gerechtigkeit" habe, von ihrem "Kampf" – "um Gerechtigkeit" und "um Gerechtigkeit und Ehre".

    Sie kämpft "für die auch mir zustehenden Menschenrechte" sowie "für die Einhaltung der in meinem Fall grob verletzten Menschenrechte", um Herrn Gabriel schließlich vorzuhalten, dieser Hallodri habe, Potzdonner, für sie "bis heute keine einzige Minute Zeit gehabt!" Und um hinterherzuschicken – nein, auch das kein Scherz! – "Wenn Sie dies mit Ihren sozialdemokratischen Wurzeln vereinbaren können, dann gute Nacht Deutschland. Leute wie Willy Brandt und Herbert Wehner haben ihrer Partei und ihren Zielen immer klare Linien und Grundlagen gegeben und diese auch durch ihr Handeln belegt."

    Abgesehen davon, daß ein gewisser Sigmund Freud schrieb: "Der Verlust der Scham ist das erste Anzeichen von Schwachsinn" – von diesem Schlag wird sich die SPD nicht mehr erholen.
    Zefix und zugenäht! Aber echt.