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Glück im Unglück

Heute vor drei Jahren, am 25. Oktober 1998 brach vor der dänischen Küste auf dem Holzfrachter Pallas ein Feuer aus, das nicht mehr unter Kontrolle zu bringen war. Die Besatzung konnte zwar evakuiert werden. Doch die tosenden Herbststürme trieben die führerlose Pallas nach Süden, vor die deutsche Küste. An Sylt vorbei schaukelte das Geisterschiff weiter, bis es der Sturm vier Tage später auf eine Untiefe vor Amrum spuckte. Das Öl der Pallas erreichte im November die Strände von Amrum und Sylt, von Föhr, Langeneß sowie den Halligen im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Tausende von Seevögeln kamen qualvoll um. Wie es drei Jahre danach im Watt aussieht und welche Lehren zu ziehen sind, wird im Beitrag geschildert:

von: Lutz Reidt |
    Heute vor drei Jahren, am 25. Oktober 1998 brach vor der dänischen Küste auf dem Holzfrachter Pallas ein Feuer aus, das nicht mehr unter Kontrolle zu bringen war. Die Besatzung konnte zwar evakuiert werden. Doch die tosenden Herbststürme trieben die führerlose Pallas nach Süden, vor die deutsche Küste. An Sylt vorbei schaukelte das Geisterschiff weiter, bis es der Sturm vier Tage später auf eine Untiefe vor Amrum spuckte. Das Öl der Pallas erreichte im November die Strände von Amrum und Sylt, von Föhr, Langeneß sowie den Halligen im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Tausende von Seevögeln kamen qualvoll um. Wie es drei Jahre danach im Watt aussieht und welche Lehren zu ziehen sind, wird im Beitrag geschildert:

    Der Weg durchs Watt zwischen Amrum, Föhr und Sylt ist für Klaus Günther immer wieder ein Erlebnis. Der Biologe hat im schleswig-holsteinischen Nationalpark Wattenmeer untersucht, wie sich die Seevögel von der Ölkatastrophe erholt haben. Vor allem die Eiderenten waren damals betroffen.

    Der Blick des Biologen vom Word Wide Fund for Nature - kurz: WWF richtet sich nach oben zum stahlblauen Herbsthimmel: seine "Forschungsobjekte" sind offenbar im Begriff, von dannen zu ziehen:

    "Ja, da hinten fliegt so eine Kette von weißen und braunen Vögeln. Das sind Eiderenten. Die fliegen jetzt wahrscheinlich an eine Stelle, wo sie einen besseren Nahrungsplatz haben, oder es könnte auch sein, dass sie jetzt schon auf dem Weg Richtung Ostsee sind, wo viele von den Vögeln, die hier im Wattenmeer den Herbst verbringen, dann über Winter sind."

    Eiderenten sind im Wattenmeer nicht gerade selten. 200.000 bis 300.000 dieser Vögel dürften hier im Sommerhalbjahr nach Miesmuscheln tauchen. Da ist - so hart es klingen mag - der Tod von einigen tausend Tieren keineswegs bestandsgefährdend.

    "Man muss zunächst mal feststellen, dass bei der Pallas-Havarie und der Ölverschmutzung in der Folge hier etwa 15.000 Eiderenten und 1.000 bis 2.000 Trauerenten ums Leben gekommen sind. Das ist die Zahl der Vögel, die wir hier gefunden haben und registrieren konnten; die Dunkelziffer könnte weitaus höher liegen; also das könnten sicherlich noch doppelt so viele gewesen sein, denn viele Enten sind auch weit draußen auf dem Meer gewesen oder es war Ostwind teilweise, und wer weiß, wieviel Kadaver einfach abgetrieben worden sind und nicht hier an die Strände gekommen sind."

    Trotz dieser vermutlich recht hohen Dunkelziffer kann der Ornithologe heute keine gravierenden Spätfolgen für die Vogelwelt im Watt erkennen. Glück im Unglück gehabt. Denn das Öl der Pallas erreichte erst im November die Strände im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Zu dieser Zeit hatten bereits viele Vögel die Region verlassen, um ihre Winterquartiere in wärmeren Gefilden aufzusuchen. Auch etliche Eiderenten waren bereits in die Ostsee unterwegs.

    Dennoch ist ein besserer Schutz vor Katastrophen dringend nötig. Insgesamt 260.000 Schiffsbewegungen zählt man pro Jahr in der Ökoregion Wattenmeer und ihrem weiteren Umfeld. Allein im deutschen Küstengebiet gibt es jährlich etwa 280 Unfälle und Beinahe-Havarien, die meist glimpflich verlaufen. Doch das ist keine Garantie für die Zukunft.

    Darüber hinaus müsste den nationalen Behörden im Falle einer Havarie ein größerer Spielraum zum Handeln eingeräumt werden, fordert der Amtsvorsteher von Amrum, Jürgen Jungclaus:

    "Es muss auch umgesetzt werden können, dass die nationalen Behörden Befugnisse bekommen - oder wenn sie sie schon haben, auch nutzen - um auch gegen den Willen eines Reeders, gegen den Willen eines Kapitäns Anweisungen durchzusetzen. Es kann also nicht angehen, wie hier im Fall Pallas, dass der Reeder aus Italien verhandelt hat, bis deutsche Behörden überhaupt eingreifen durften. Das kann es nicht sein. Ein weiterer ganz, ganz wichtiger Punkt ist die Frage des Versicherungsrechtes. Auch wieder festgemacht an dem Beispiel Pallas: da haben die Versicherungen seinerzeit etwa 3 Millionen Mark auszahlen müssen. Und wir alle wissen, dass insgesamt ein Schaden zu begleichen war vom deutschen Steuerzahler, der bezifferte sich etwa auf 30 Millionen Mark. Das sind also die Größenverhältnisse. Und da bitte ich auch jeden mal darüber nachzudenken, was dann passiert, wenn wir hier einen großen Öltanker vor der Tür haben."

    Naturschützer wie Klaus Günther vom WWF mögen sich das kaum vorstellen. Gleichwohl weiß auch er: nicht immer hat man Glück im Unglück:

    "Bisher hatten wir zum Glück noch nie den Fall, den GAU, den größten anzunehmenden Unfall hier im Wattenmeer. Wenn es hier mal so richtig kracht und ein riesiger Öltanker im August das Wattenmeer verseucht, dann haben wir es hier nicht mit 15.000 toten Vögeln zu tun, sondern mit 150.000 bis 500.000 toten Vögeln. Und dann sind ganze Populationen bedroht. Und das hat dann wirklich ganz andere Ausmaße und Dimensionen."