Glück und Gesundheit aus den Genen

Rüttgers:

Von Michael Lange |
    "Die Existenz von geklonten Menschen - egal in welchem Teil der Erde - wäre ein Angriff auf die Würde und Integrität jedes einzelnen Menschen auf dieser Erde."

    Passarge:
    "Ein sinnvolles wissenschaftliches Ziel, Menschen zu vervielfältigen, kann ich nicht sehen."

    Linke:
    "Beim Klonen wird ja das genetische Material verdoppelt und nicht einfach ein Mensch verdoppelt."

    Rüttgers:
    "Die Klonierung von Menschen ist und bleibt in Deutschland verboten."

    Frühwald:
    "Das Verbot soll und muss durchgeführt werden, soll und muss. Ob es kann, ist eine offene Frage."

    Für die meisten ist es ein Schreckensbild: geklonte Menschen, Kinder von der Stange. Und als Urheber vermuten sie stets einen bösen Diktator oder einen allmächtigen Staat. Menschenzucht nach Plan. So die gängige Horrorvision, schon 1932 in der "Schönen neuen Welt" von Aldous Huxley.

    Aldous Huxley: "Gleiche Gammas, identische Deltas, einheitliche Epsilons. Millionlinge. Massenproduktion, endlich auch in der Biologie."

    Kaum einer denkt daran, dass jeder Mensch im Grunde Kontrolle erlangen möchte über sich, seinen Körper und über seine Gene, oder zumindest über das Erbgut seiner Kinder. Das ehrenwerte - und weithin anerkannte - Ziel heißt Selbstbestimmung auch bei der Fortpflanzung. Detlef Linke, Neurologe, Philosoph und Buchautor:

    Linke: "Naja, wenn ich mir selber meinen Klon anschaffe, dann kann ich viel individueller mein Leben gestalten, als wenn ich für meine Kinder mein Erbgut vermischen lasse, und mich dann mit dem Partner darüber streite, wer das Kind im Scheidungsfalle bekommt."

    Das Klonen ist allerdings eine vergleichsweise simple Technik. Verdopplung oder Vervielfältigung, das ist kein Stoff für Visionäre. Das Ziel der Forschung ist es schließlich, dass es die nächsten Generationen einmal besser haben sollen: ein Leben ohne Erbkrankheiten, schwere Infektionen, Herzinfarkt oder Krebs. Seit Erfindung der Gentechnik und seit wir wissen, was einzelne Gene bedeuten, müssen wir das biologische Erbe nicht mehr als gott- oder naturgegeben hinnehmen. Das fängt an mit einfachen Gen-Tests, die das Krankheitsrisiko des einzelnen vorhersagen. Winfried Siffert von der Universität Essen.

    Siffert: "Das interessante möglicherweise ist dann daran, dass man Individuen noch bevor irgendwas passiert auf ihr Gen-Risiko aufmerksam machen kann. Dass die sich in ihrer Lebensweise dann doch davon beeindrucken lassen und dann ihren Lebensstil ändern."

    Bald wird die Forschergemeinde und später die Menschheit einsehen, dass man mit Gen-Tests oder auch mit Gen-Therapien im Erwachsenenalter nicht allzu viel reparieren kann. Man muss früher anfangen. Viel früher.

    Rosenwaks: "One could potentially create new germ cells: new sperm cells, new egg cells."
    Man kann möglicherweise neue Keimzellen erschaffen: Neue Spermien und neue Eizellen, schwärmt der oberste Reproduktionsmediziner der New Yorker Cornell Universität Zev Rosenwaks.

    Rosenwaks: "We will be able to take such an embryo and put it into an apparatus."
    Wir werden einen Embryo in einen Apparat stecken. Und der Apparat wird uns sagen, ob der Embryo gesund ist und ob er sich normal entwickeln wird, sagt Rosenwaks.

    Schon heute kann man Embryonen genetisch testen und auswählen - das allerdings nur innerhalb der künstlichen Befruchtung. Prä-Implantations-Diagnostik heißt das und ist in Deutschland und in der Schweiz verboten, in den meisten anderen Ländern jedoch erlaubt. Zunehmend mehr deutsche Wissenschaftler und Ärzte betrachten das Verbot als unbegründet. Wolfgang Holzgreve, Präsident der deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin.

    Holzgrewe: "Ich bin der Meinung, dass die Prä-Implantations-Genetik inzwischen gut genug etabliert ist. Es liegen seit ihrer Einführung reichlich Erfahrungen vor. Die Technik ist ausreichend sicher. Ich bin also dafür, dass die Prä-Implantations-Diagnostik erlaubt wird."

    Gen-Tests am Fötus sind auch in Deutschland im Rahmen der Pränatal-Diagnostik gestattet. Dann jedoch bleibt nur die Abtreibung. Gezieltes genetisches Design von Menschen ist noch tabu, überall auf der Welt. Dabei hat die Entwicklung der Methoden zur sogenannten "Keimbahntherapie" längst begonnen. In seinem Buch "Das Biotechnische Zeitalter" schreibt der amerikanische Trendforscher und Gentechnik-Kritiker Jeremy Rifkin:

    Jeremy Rifkin: "Man wird genetische Veränderungen an Föten vornehmen, um Krankheiten und Behinderungen zu vermeiden und Verhalten, Intelligenz und psychische Eigenschaften zu verbessern."

    Die Genveränderung bei Embryonen wird im nächsten Jahrhundert möglich sein. Daran gibt es kaum Zweifel. Ihr Ziel scheint lohnend. Es geht darum, die Gesundheit der Kinder zu verbessern, möglicherweise ihr Leben zu verlängern - vielleicht sogar, sie zu besseren, glücklicheren Menschen zu machen. Das ist doch keine Menschenzucht, wird man sagen. Kein Diktator, kein Staat entscheidet, sondern der freie Wille der Eltern. Und die wollen für ihre Kinder nur das beste. Lee Silver, Molekularbiologe und Buchautor:

    Silver: "Parents could use genetic engineering to increase the chances that their children will be successful."
    Eltern könnten mit Hilfe der Gentechnik die Erfolgs-Chancen ihrer Kinder erhöhen. Und wenn das erst einmal möglich ist, werden sich wohlmeinende, reiche Eltern nicht mehr stoppen lassen, sagt Silver.

    Silver: "I can´t see how we can stop it, if we accept capitalism and individual´s right to do what ever they want as long as they don´t hurt somebody else."
    Wenn wir den Kapitalismus akzeptieren und das Recht des einzelnen, zu tun, was er mag, solange er niemandem anders schadet, wird unsere Gesellschaft auseinanderdriften - auch biologisch. Denn nicht alle werden sich die Super-Gene leisten können. Letztlich wird eine Zweiklassen-Gesellschaft entstehen, schreibt Silver in seinem Buch Remaking Eden. Deutscher Titel: Das Paradies der Klone.

    Silver: : "Die Menschen der einen Klasse werden als die Naturbelassenen bezeichnet, die der zweiten als die Gen-Angereicherten oder einfacher als die GenReichen."

    Die Macht des Geldes und der gekauften Gene wird die Unterschiede zwischen arm und reich verstärken. Die Naturbelassenen werden weiter an Erbkrankheiten, Bluthochdruck, Fettsucht, Diabetes, Rheuma, Herzkrankheiten oder Krebs leiden. Die Gen-Reichen werden gesund, schön und vielleicht sogar intelligent sein.

    Silver: : "Zwischen GenReichen und Naturbelassenen gibt es zwar immer noch Mischehen und sexuelle Begegnungen, doch üben GenReich-Eltern, wie sich leicht denken lässt, auf ihre Kinder intensiven Druck aus, ihr teuer erworbenes genetisches Erbe nicht auf diese Weise zu verwässern."

    Die Schönen und Erfolgreichen werden durch neue Gene immer schöner und erfolgreicher. Und zumindest für sie, die Gen-Reichen, wäre Shakespeares Vision wahr geworden:

    Shakespeare: "Oh Wunder! Was gibt´s für herrliche Geschöpfe hier! Wie schön der Mensch ist! Schöne neue Welt, die solche Bürger trägt!"