Am Mikrofon ist Michael Arntz. In der heutigen Sendung stelle ich Ihnen drei neue CD-Boxen mit Musik von Jacob ter Veldhuis vor. Der Niederländer ist bekannt geworden durch eine Musik, die sich der gängigen Ästhetik zeitgenössischen Komponierens widersetzt.
Jüngst wurde das Werk des 1951 geborenen Ter Veldhuis in einer Edition des holländischen Labels "Basta" umfangreich beleuchtet: drei CD-Boxen mit sechs CDs, zwei DVDs und mit ausführlichen Informationsmaterialien.
Zum Einstieg in die farbige Klangwelt von Ter Veldhuis ein Ausschnitt aus seinem "Rainbow Concerto", dem Cello-Konzert aus dem Jahr 2002.
Rainbow-Concerto, 2. Satz
Ein Ausschnitt aus dem "Rainbow Concerto" von Jacob ter Veldhuis. Es spielten Marien van Staalen, Cello, und das Philharmonische Orchester Arnheim unter Leitung von Jurjen Hempel.
Die Musik von Jacob ter Veldhuis ist provokativ. In strengen Zirkeln der neuen Musik wird der Holländer kritisch beäugt. Denn Ter Veldhuis hat sich Anfang der Neunzigerjahre abgewendet von der - wie er es nennt – "Dissonanzsucht" der neuen Musik. Seitdem schreibt er konsonante, harmonische Werke, aber auch Musik, die von Rock und Pop beeinflusst ist.
Die neue CD-Edition bündelt das Werk von ter Veldhuis in drei Gruppen: Orchesterwerke, Kammermusik und die so genannten "Boombox-Stücke". Bei diesen handelt es sich im Grunde um Musik mit elektronischem Zuspiel. Doch bei Jacob ter Veldhuis kommt dieses Zuspiel aus der Boombox, also aus dem tragbaren CD-Player, der in den 80er Jahren Symbol war der urbanen Jugendkultur in den USA.
Ter Veldhuis verarbeitet in seinen Boombox-Stücken authentisches Sprachmaterial: emotional aufgeladene Zitate aus Fernsehshows, Dokumentationen, Interviews.
In dem 2003 entstandenen "Jesus is Coming" für Saxophonquartett und Boombox verbindet der Komponist das Plappern und Lachen eines Babys mit der aggressiven Rede eines amerikanischen Fernsehpredigers.
Jesus Is Coming
Ein Zusammenstoß der Gegensätze: In "Jesus Is Coming" kollidiert die unschuldige Welt eines Säuglings mit dem Fanatismus eines amerikanischen Fernsehpredigers. Sie hörten eine Aufnahme mit dem Aurelia Saxophon Quartett.
Ter Veldhuis hat ein Faible für solche widersprüchlichen Reibungen, für unaufgelöste Gegensätze. So bewegt sich sein Werk zwischen E- und U-Musik, zwischen Humor und Ernsthaftigkeit. Diese Musik unterhält, aber sie bedient sich zugleich sprachlicher Elemente, in denen Verzweiflung, Sucht, Krieg oder Selbstmord thematisiert werden:
Heartbreakers, 1. Teil
"Heartbreakers" von Jacob ter Veldhuis, ein Stück für Jazz-Ensemble und elektronisches Zuspiel, komponiert 1999.
Die neue CD-Edition mit Werken von Jacob ter Veldhuis liefert in jeder der drei Boxen umfangreiche Einführungsstexte. Sie werden ergänzt um Pressestimmen aus Zeitungen und Zeitschriften, aus Funk und Fernsehen. Die Musiker werden ausführlich vorgestellt, und zahlreiche Weblinks verweisen auf die Internetseiten von Musikern, Orchestern, Verlagen und Produzenten.
Jacob ter Veldhuis: "Shake Down”,
aus: Suites Of Lux
Ballettmusik mit elektrisch verstärkter Violine: die Suites Of Lux von Jacob ter Veldhuis, geschrieben 2004 für eine unkonventionell illuminierte Tanzperformance. Sie hörten Monica Germino an der Violine.
Einige Worte zu den beiden DVDs, die in der ersten und zweiten Box enthalten sind. Hier findet sich weiterführendes Material: Dokumentationen, Interviews, Konzertmitschnitte. Darüber hinaus ist das 2005 beim HollandFestival uraufgeführte "Now" dokumentiert, ein Stück für symmetrisches Orchester und Video.
So kann man sich ein Bild machen auch von den audiovisuellen Projekten des Komponisten. Projekte auf der Höhe der Zeit: So wurde die Musik von Jacob ter Veldhuis auch in Videoclips verarbeitet, die man sich eher auf einem Musikkanal vorstellen könnte als im Konzertsaal.
Damit ist diese Edition sowohl für Einsteiger wie auch für Kenner ein Glücksfall: Neugierigen erschließt sich Ter Veldhuis' Werk von vielen Seiten, und wer mehr wissen will, kann einer der zahlreichen Spuren folgen, die hier gelegt werden.
Ein kleiner Wermutstropfen: Ausgerechnet das im Jahr 2000 komponierte Video-Oratorium "Paradiso" fehlt – wahrscheinlich, weil diese DVD schon 2003 bei Chandos veröffentlicht wurde. So muss man sich allein mit der klingenden Ebene des opulenten Video-Oratoriums begnügen: ein abenteuerlicher Ausflug in die süße Zuckerwelt von Konsonanz und Harmonie.
Paradiso
Ein Ausschnitt aus dem Video-Oratorium "Paradiso", leidenschaftlich interpretiert von Claron McFadden, Sopran, und Tom Allen, Tenor. Es spielte das Nordniederländische Orchester unter Leitung von Alexander Liebreich.
Wer sich einlässt auf die Musik von Jacob ter Veldhuis, der kann einen vielfarbigen, immer wieder überraschenden musikalischen Kosmos entdecken. Dass ein so fruchtbarer Komponist Anfang 2007 zugab, in einer Schaffenskrise zu stecken, mag verblüffen. Doch es ist genau diese Offenheit, die den Komponisten und sein Werk auszeichnet. Ter Veldhuis versteckt sich eben nie hinter intellektuellen Wolken oder hermetischen Gedankenkonstrukten.
Eine Komposition, die - so der Komponist - den Weg aus der Schaffenskrise aufzeigen könnte, ist "Buku" für Tenorsaxophon und Boombox. Erstmals verarbeitet ter Veldhuis keine Sprache. Sondern er greift auf musikalisches Material zurück; um genau zu sein auf kurze Schnipsel aus historischen Jazzaufnahmen. Charlie Parker, Cannonball Adderley und Art Pepper - sie alle tauchen auf in "Buku" und werden von Jacob ter Veldhuis auf eine neue musikalische Ebene gehoben.
Mit einem Ausschnitt aus "Buku" - interpretiert vom Saxophonisten Arno Bornkamp - möchte ich mich von Ihnen verabschieden. Das war die "Neue Platte", heute mit drei neuen CD-Boxen mit Musik des Komponisten Jacob ter Veldhuis. Erschienen ist die Edition beim Label "Basta". Informationen dazu finden Sie auf der Homepage des Deutschlandfunks unter www.dradio.de. Am Mikrofon war Michael Arntz.
Buku
Jüngst wurde das Werk des 1951 geborenen Ter Veldhuis in einer Edition des holländischen Labels "Basta" umfangreich beleuchtet: drei CD-Boxen mit sechs CDs, zwei DVDs und mit ausführlichen Informationsmaterialien.
Zum Einstieg in die farbige Klangwelt von Ter Veldhuis ein Ausschnitt aus seinem "Rainbow Concerto", dem Cello-Konzert aus dem Jahr 2002.
Rainbow-Concerto, 2. Satz
Ein Ausschnitt aus dem "Rainbow Concerto" von Jacob ter Veldhuis. Es spielten Marien van Staalen, Cello, und das Philharmonische Orchester Arnheim unter Leitung von Jurjen Hempel.
Die Musik von Jacob ter Veldhuis ist provokativ. In strengen Zirkeln der neuen Musik wird der Holländer kritisch beäugt. Denn Ter Veldhuis hat sich Anfang der Neunzigerjahre abgewendet von der - wie er es nennt – "Dissonanzsucht" der neuen Musik. Seitdem schreibt er konsonante, harmonische Werke, aber auch Musik, die von Rock und Pop beeinflusst ist.
Die neue CD-Edition bündelt das Werk von ter Veldhuis in drei Gruppen: Orchesterwerke, Kammermusik und die so genannten "Boombox-Stücke". Bei diesen handelt es sich im Grunde um Musik mit elektronischem Zuspiel. Doch bei Jacob ter Veldhuis kommt dieses Zuspiel aus der Boombox, also aus dem tragbaren CD-Player, der in den 80er Jahren Symbol war der urbanen Jugendkultur in den USA.
Ter Veldhuis verarbeitet in seinen Boombox-Stücken authentisches Sprachmaterial: emotional aufgeladene Zitate aus Fernsehshows, Dokumentationen, Interviews.
In dem 2003 entstandenen "Jesus is Coming" für Saxophonquartett und Boombox verbindet der Komponist das Plappern und Lachen eines Babys mit der aggressiven Rede eines amerikanischen Fernsehpredigers.
Jesus Is Coming
Ein Zusammenstoß der Gegensätze: In "Jesus Is Coming" kollidiert die unschuldige Welt eines Säuglings mit dem Fanatismus eines amerikanischen Fernsehpredigers. Sie hörten eine Aufnahme mit dem Aurelia Saxophon Quartett.
Ter Veldhuis hat ein Faible für solche widersprüchlichen Reibungen, für unaufgelöste Gegensätze. So bewegt sich sein Werk zwischen E- und U-Musik, zwischen Humor und Ernsthaftigkeit. Diese Musik unterhält, aber sie bedient sich zugleich sprachlicher Elemente, in denen Verzweiflung, Sucht, Krieg oder Selbstmord thematisiert werden:
Heartbreakers, 1. Teil
"Heartbreakers" von Jacob ter Veldhuis, ein Stück für Jazz-Ensemble und elektronisches Zuspiel, komponiert 1999.
Die neue CD-Edition mit Werken von Jacob ter Veldhuis liefert in jeder der drei Boxen umfangreiche Einführungsstexte. Sie werden ergänzt um Pressestimmen aus Zeitungen und Zeitschriften, aus Funk und Fernsehen. Die Musiker werden ausführlich vorgestellt, und zahlreiche Weblinks verweisen auf die Internetseiten von Musikern, Orchestern, Verlagen und Produzenten.
Jacob ter Veldhuis: "Shake Down”,
aus: Suites Of Lux
Ballettmusik mit elektrisch verstärkter Violine: die Suites Of Lux von Jacob ter Veldhuis, geschrieben 2004 für eine unkonventionell illuminierte Tanzperformance. Sie hörten Monica Germino an der Violine.
Einige Worte zu den beiden DVDs, die in der ersten und zweiten Box enthalten sind. Hier findet sich weiterführendes Material: Dokumentationen, Interviews, Konzertmitschnitte. Darüber hinaus ist das 2005 beim HollandFestival uraufgeführte "Now" dokumentiert, ein Stück für symmetrisches Orchester und Video.
So kann man sich ein Bild machen auch von den audiovisuellen Projekten des Komponisten. Projekte auf der Höhe der Zeit: So wurde die Musik von Jacob ter Veldhuis auch in Videoclips verarbeitet, die man sich eher auf einem Musikkanal vorstellen könnte als im Konzertsaal.
Damit ist diese Edition sowohl für Einsteiger wie auch für Kenner ein Glücksfall: Neugierigen erschließt sich Ter Veldhuis' Werk von vielen Seiten, und wer mehr wissen will, kann einer der zahlreichen Spuren folgen, die hier gelegt werden.
Ein kleiner Wermutstropfen: Ausgerechnet das im Jahr 2000 komponierte Video-Oratorium "Paradiso" fehlt – wahrscheinlich, weil diese DVD schon 2003 bei Chandos veröffentlicht wurde. So muss man sich allein mit der klingenden Ebene des opulenten Video-Oratoriums begnügen: ein abenteuerlicher Ausflug in die süße Zuckerwelt von Konsonanz und Harmonie.
Paradiso
Ein Ausschnitt aus dem Video-Oratorium "Paradiso", leidenschaftlich interpretiert von Claron McFadden, Sopran, und Tom Allen, Tenor. Es spielte das Nordniederländische Orchester unter Leitung von Alexander Liebreich.
Wer sich einlässt auf die Musik von Jacob ter Veldhuis, der kann einen vielfarbigen, immer wieder überraschenden musikalischen Kosmos entdecken. Dass ein so fruchtbarer Komponist Anfang 2007 zugab, in einer Schaffenskrise zu stecken, mag verblüffen. Doch es ist genau diese Offenheit, die den Komponisten und sein Werk auszeichnet. Ter Veldhuis versteckt sich eben nie hinter intellektuellen Wolken oder hermetischen Gedankenkonstrukten.
Eine Komposition, die - so der Komponist - den Weg aus der Schaffenskrise aufzeigen könnte, ist "Buku" für Tenorsaxophon und Boombox. Erstmals verarbeitet ter Veldhuis keine Sprache. Sondern er greift auf musikalisches Material zurück; um genau zu sein auf kurze Schnipsel aus historischen Jazzaufnahmen. Charlie Parker, Cannonball Adderley und Art Pepper - sie alle tauchen auf in "Buku" und werden von Jacob ter Veldhuis auf eine neue musikalische Ebene gehoben.
Mit einem Ausschnitt aus "Buku" - interpretiert vom Saxophonisten Arno Bornkamp - möchte ich mich von Ihnen verabschieden. Das war die "Neue Platte", heute mit drei neuen CD-Boxen mit Musik des Komponisten Jacob ter Veldhuis. Erschienen ist die Edition beim Label "Basta". Informationen dazu finden Sie auf der Homepage des Deutschlandfunks unter www.dradio.de. Am Mikrofon war Michael Arntz.
Buku