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Glücksfall oder Einflussnahme?

Forschungspolitik. - Es scheint, als wäre eine regelrechte Spendenwut unter Privatleuten und Wirtschaftsunternehmen ausgebrochen. Ein Glücksfall für die Forschung, jubeln die einen - fragwürdige Einflussnahme auf die Wissenschaft, kritisieren die anderen.

Von Armin Himmelrath |
    Dermatopharmakologie – so heißt das wissenschaftliche Fachgebiet, das sich mit der Durchlässigkeit der Haut für Medikamente beschäftigt. Ein Bereich, für den beim Tierarzneimittel-Hersteller Bayer HealthCare Norbert Mencke verantwortlich ist:

    "Die Haut ist ein ganz wichtiges Organsystem, und die wird zunehmend als Transporteur für Wirkstoffe gedacht, also entweder auf der Haut oder durch die Haut hindurch, und hier wollen wir Grundlagen erarbeiten und Dinge erarbeiten, die wir heute so noch nicht kennen."

    Die Forschung an solchen neuen Fragestellungen erledigt Bayer HealthCare aber nicht in der eigenen Forschungsabteilung, sondern in Kooperation mit der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Genauer: Durch die Stiftung eines neuen Lehrstuhls. Denn Grundlagenforschung ist teuer, und in Hannover gibt es bereits eine entsprechende Arbeitsgruppe. Für das Unternehmen ist es billiger, sich an dieses Netzwerk anzudocken. Eine direkte Einflussnahme auf die Arbeit des neuen Professors gebe es aber nicht, sagt Norbert Mencke.

    "Da muss und soll die Freiheit der Wissenschaft natürlich erhalten bleiben, das ist ein ganz hohes Gut. Wir sehen hier eher – und so hat auch die Hochschule das gesehen – dass wir gute Möglichkeiten haben, hier wissenschaftliches Know-how einzubringen, und da dann mit dieser Arbeitsgruppe zu kooperieren, so dass wir hier dann natürlich zu Gemeinsamkeiten kommen werden. Aber die Forschungsschwerpunkte, die diese Person dann nachher legen wird, in welche Richtung es gehen wird, die werden von uns nicht berührt werden."

    Vor mehr als 20 Jahren hatte der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft erstmals ein Förderprogramm für Stiftungsprofessuren aufgelegt. Rund 400 Professoren sind seither durch private Geldgeber bezahlt worden, vor allem aus der Industrie. Derzeit wird allein durch den Stifterverband bundesweit pro Jahr bis zu ein Dutzend neuer Stiftungsprofessoren gefördert – mit steigender Tendenz. Ein Trend, den Thorsten Bultmann vom Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler höchst bedenklich findet:

    "Methodisch arbeitet dann natürlich erst einmal jeder dieser Professoren formell unabhängig, und die können sich auch selber einbilden, gewissermaßen freie Wissenschaft zu betreiben, aber das Wichtige und Entscheidende ist dabei vermutlich die Schere im Kopf, weil die gesamte Suche, die Auswahl der Methoden und des Gegenstands, sind natürlich festgelegt durch die Widmung der jeweiligen Professur."

    Eine solche inhaltliche Widmung gebe es aber auch bei staatlich finanzierten Professoren, entgegnet Karsten Buse. Der Physiker ist Inhaber des Heinrich-Hertz-Stiftungslehrstuhls der Deutschen Telekom an der Uni Bonn. Dass Unternehmen mit Geldstiftungen eigene Interessen verfolgen, findet Karsten Buse legitim:

    "Die Stifterin – aus der Industrie in aller Regel – hat natürlich das Interesse an neuen Innovationen, an Erkenntnissen, häufig auch in Form von Erkenntnissen, die dann an der Universität erbracht werden und wo dann zumindest ein Teil der Rechte in den Besitz des Geldgebers übergeht."

    Solche handfesten Interessen verfolgt die vor wenigen Wochen gegründete Exzellenz-Stiftung zur Förderung der Max-Planck-Gesellschaft nicht. Deren Ziel ist es, mit einem Stiftungskapital von 100 Millionen Euro Spitzenforschung in den Max-Planck-Instituten schnell und flexibel zu fördern – und dabei die wissenschaftliche Unabhängigkeit und die organisatorische Autonomie der Gesellschaft trotzdem nicht anzutasten. Dass sich die Max-Planck-Forscher über das zusätzliche Geld freuen, ist nicht verwunderlich. Und auch Stiftungsprofessor Karsten Buse hat bei seinen Kollegen keine Bedenken gespürt, wenn es um private oder industrielle Finanzspritzen für die Forschung geht. Buse:

    "Zumindest hier in Bonn hat schon – zumindest seit ich hier bin – eine sehr große Offenheit und Toleranz geherrscht. Die Befürchtungen, die man vielleicht haben kann, dass man einfach sagt: OK, man hat seine Seele verkauft, weil man mit einem Industrieunternehmen zusammenarbeitet, und dass man deswegen etwas schief angeguckt wird, das ist hier zum Glück nie eingetreten. Weil man auch gesehen, dass sich eigentlich für beide Seiten so eine win-win-Situation ergibt. Dass es für beide Seiten Vorteile hat."

    Für Wissenschafts-Kritiker Thorsten Bultmann überwiegen jedoch die Nachteile:

    "Auf diese Weise wird dann informell die Hochschullandschaft verändert, ohne dass es dazu irgendeiner politischen Entscheidung bedarf, und ohne dass das in irgendeiner Weise legitimationspflichtig wäre. Darin sehe ich das eigentliche Problem: Dass das nicht reflektiert wird - aber die Hochschulen eben in ihrer blanken Finanznot natürlich zu diesem Mittel wie nach jedem Strohhalm, das irgendwie mehr Geld in die Uni bringt, greifen."

    Tatsächlich sind alleine die deutschen Hochschulen– noch ohne die außeruniversitäre Forschung – mit bis zu drei Milliarden Euro pro Jahr unterfinanziert, schätzen Experten. Ein paar hunderttausend Euro für eine Stiftungsprofessur helfen zwar der jeweiligen Universität enorm weiter. Im Gesamtsystem aber fallen sie so gut wie gar nicht auf.