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Glyphosat-Urteil
Bayer unterliegt im ersten Berufungsverfahren

Im Berufungsverfahren um das Urteil im US-Prozess um einen Unkrautvernichter mit dem Wirkstoff Glyphosat ist die Strafe für den Bayer-Konzern stark reduziert worden. Der Schuldspruch bleibt jedoch weiterhin bestehen. Dennoch bewerten Beobachter die Entscheidung als Punktsieg für Bayer.

Von Brigitte Scholtes | 21.07.2020
Jungpflanzen auf einem Feld in Brandenburg, aufgenommen im Mai 2019
Inzwischen gibt es Zweifel, ob die Menschen wirklich diese Art der Landwirtschaft wünschen, meinen Analysten (picture alliance / Andreas Franke)
Die Summe des Schadens- und Strafschadensersatzes ist deutlich gesunken: Statt 289 Millionen Dollar sind es nun nur noch 20,5 Millionen Dollar, die Bayer an den Kläger Dewayne Johnson zahlen muss. Das sei ein Punktsieg für Bayer, meinen einige Beobachter. Der Schuldspruch aber bleibt, weil der Kläger nach Ansicht des Gerichts genügend Belege dafür geliefert habe, dass seine Krebserkrankung durch Glyphosat ausgelöst worden sei. Deshalb dürfte Bayer in Berufung gehen. Denn das Unternehmen ist weiter überzeugt, dass der Unkrautvernichter Glyphosat nicht krebserregend sei, sondern dass es sich um ein sicheres Produkt handle. Das dürfte Bayer tun bis zur obersten Instanz, dem Supreme Court.
Logo des Bayer-Konzerns
Zwei Jahre Monsanto-Übernahme
2018 kaufte der Chemie-Konzern Bayer für über 60 Milliarden Dollar den US-amerikanischen Konkurrenten Monsanto. Seitdem beschäftigen Bayer tausende Klagen wegen des mutmaßlich krebserregenden Unkrautvernichters Glyphosat.
Damit aber stiegen die Chancen des Unternehmens, am Ende doch ein Urteil zu seinen Gunsten zu erreichen, glaubt Uwe Treckmann, Analyst der Commerzbank:
"Denn dieser Supreme Court muss letztendlich seiner Urteilsbegründung, die Aussagen einer Bundesbehörde zugrunde legen. Und hier hat die Umweltbehörde EPA ja vor einiger Zeit klar verlauten lassen, dass glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel bei angemessener Anwendung nicht krebserregend sind. Insofern bin ich der Überzeugung, dass Bayer hier den Gang durch die Instanzen bis zum Ende durchziehen wird."
Es muss nachverhandelt werden
Drei Glyphosat-Urteile hat es bisher gegeben, die Bayer alle angefochten hat. Ende Juni aber hatte sich der Konzern mit den meisten anderen Klägern in einem Vergleich über 10,9 Milliarden Dollar geeinigt, mit dem der zuständige Richter jedoch so noch nicht in allen Details einverstanden ist. So zweifelt er etwa am Umgang mit künftigen Klagen. Da muss also noch nachverhandelt werden.
"Wichtig ist aber am Ende, dass ein für Bayer vertretbares Ergebnis stehen wird, und die Wahrscheinlichkeit erachte ich da eigentlich als relativ hoch." Meint Analyst Treckmann.
Rückstellungen hat Bayer für die Rechtskosten schon gebildet. 63 Milliarden Euro hatte Bayer 2018 für den Saatguthersteller Monsanto bezahlt, der glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel Roundup herstellt, es war die teuerste Übernahme, die sich ein deutsches Unternehmen je geleistet hat. Bayer-Chef Werner Baumann ist aber immer noch vom Sinn dieses Kaufs überzeugt. Ende Juni sagte er dem Nachrichtensender n-tv:
"Die Kombination beider Unternehmen war immer basiert auf der großen Innovationskraft, die beide Unternehmen haben und wo die Unternehmen sich aufgrund ihrer Expertise sich sehr, sehr gut ergänzen."
Skepsis gegenüber Agro-Chemie wächst
Ein wichtiger Grund für den Kauf war die Annahme, dass die Weltbevölkerung wächst und ernährt werden muss. Das sei nur mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln möglich. Doch inzwischen gibt es Zweifel, ob die Menschen wirklich diese Art der Landwirtschaft wünschen, meint Analyst Treckmann:
"Das ist alles derzeit noch nicht wirklich abzusehen, wo das hinführt. Tendenziell sehen aber viele Marktbeobachter, das ist doch dahingehend, dass die großen Zeiten der Agro–Chemie ein wenig vorbei sind. Und das wäre dann natürlich ein Indiz dafür, dass das sich aus Sicht von Bayer natürlich nicht ganz so positiv wäre."