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Goethe-Institut zur Flüchtlingskrise
"Sprache ist der Schlüssel zur Integration"

Kostenlose Deutschkurse für syrische Flüchtlinge, Sprachkurse für ehrenamtliche Deutschlehrer: Auch das Goethe-Institut engagiert sich in der Flüchtlingskrise. Denn Sprache sei zur Integration unerlässlich, sagte der Generalsekretär des Goethe-Instituts, Johannes Ebert, im DLF. Das Institut stehe für eine Willkommenskultur.

Johannes Ebert im Gespräch mit Karin Fischer | 04.09.2015
    Johannes Ebert, Generalsekretär vom Goethe-Institut
    Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts (picture alliance / dpa)
    Karin Fischer: Das Goethe-Institut ist der Vermittler deutscher Kultur im Ausland und das längst nicht nur in Form von Sprachkursen. Viele Goethe-Institute gerade in Schwellenländern machen Kultur in Städten erst möglich, die sich die sonst nicht leisten würden, oder sie spielen die Rolle eines Think Tanks, wenn es um Themen wie Demokratie oder Zivilgesellschaft, Umweltbewusstsein oder Kulturinitiativen geht. Sprachkurse im Ausland werden in den vergangenen Jahren zwar je nach Schwere der Krise im betreffenden Land häufiger nachgefragt. Doch wäre auch eine auswärtige Kulturpolitik im Innern denkbar? Wie geht das Goethe-Institut im In- und Ausland mit der Flüchtlingswelle um? Das habe ich den Generalsekretär Johannes Ebert gefragt.
    Johannes Ebert: Ja, Frau Fischer, Sie haben das richtig angesprochen. Das Goethe-Institut ist weltweit mit 160 Instituten präsent, in Deutschland mit 13 Instituten, und wir betrachten natürlich die gesamte Flüchtlingsproblematik aus einer weltweiten Perspektive. Das heißt, wir haben bereits 2013 in Jordanien ein erstes Projekt im Flüchtlingscamp Zaatari gemacht, ein Vorleseprojekt für Kinder, das große Resonanz hatte, und seitdem im Jahr 2014 zahlreiche Projekte entwickelt. Das heißt, es geht auch um Bildung, um Kreativität, um Bearbeitung von Traumata, und da haben wir sowohl in der Türkei als auch im Libanon als auch in Jordanien Projekte aufgelegt, sowohl im Kultur- als auch im Sprachbereich.
    Fischer: Sie haben das Motto genannt, Herr Ebert: "No lost Generation", unter dem sich viele Kulturinitiativen zusammengeschlossen haben für solche Projekte. Was konkret passiert?
    Ebert: Das eine, das sind Projekte, die dazu beitragen, dass Künstler und Kulturschaffende, die fliehen mussten vor allem in die Nachbarländer, wieder arbeiten können. Dazu haben wir einen Fonds aufgelegt, gemeinsam mit einer lokalen NGO, ETI Dschahad. Daraus werden wir zehn Projekte im Nahen Osten fördern von syrischen Künstlern, die flüchtig sind. Wir haben ein anderes Projekt, eine mobile Musikschule für Kinder in der Bekaa-Ebene, weil Kultur doch neue Perspektiven öffnet und in den Lagern ja auch so ein gewisser Stillstand herrscht. Das gibt den Kindern auch wieder Selbstvertrauen zurück und es gibt ihnen die Möglichkeit, das Erlebte auch irgendwie zu verarbeiten. Ein ähnliches Projekt machen wir über Figurentheater in der Türkei, wo Kinder ihre eigene Geschichte darstellen mit Figuren, die sie selbst gebastelt haben. Oder wir machen beispielsweise auch im Libanon Fußballprojekte, wo mehrere hundert Kinder mit deutschen und libanesischen Trainern Fußballprojekte auflegen - auch das, um Perspektiven zu öffnen, um sich ein bisschen körperlich zu betätigen und um einen Teamgeist zu entwickeln. Wir machen aber beispielsweise jetzt auch in Istanbul ein Seminar für Mitarbeiter in Flüchtlingscamps zum Thema Trauma, zu pädagogischen Themen.
    "Eine Brücke nach Deutschland sein"
    Fischer: Kultur also förmlich als Überlebensmittel und natürlich ist Sprache auch ein essenzieller Teil eines womöglichen Integrationsprozesses. Ich lese von kostenlosen Sprachkursen für syrische Flüchtlinge in Istanbul. Dort bietet das Goethe-Institut solche Kurse Bürgerkriegsflüchtlingen an, die etwa nach Deutschland ausreisen werden. Was wissen Sie über die Nachfrage und die Praktikabilität?
    Ebert: Ja, das ist eine andere Schiene, die wir fahren, eine Brücke nach Deutschland zu sein, weil wie Sie richtig sagen ist Sprache wirklich, die deutsche Sprache zur Integration einfach unerlässlich. Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Wir geben Stipendien am Goethe-Institut Istanbul. Da war die Herausforderung, die Flüchtlinge zu ermitteln, die bereits eine Zusage haben, in Deutschland zu leben. Es gibt ja im Ausland sogenannte Kontingentflüchtlinge, die eine Zusage haben, dass sie nach Deutschland können, und die haben wir aber mithilfe der deutschen Botschaft, mithilfe des UN-Flüchtlingswerks, nicht alle, aber einen Teil der Personen ausfindig gemacht und die sitzen jetzt bei uns in kostenlosen Kursen und kriegen auch Stipendien in den ganz normalen Kursen. Wir erreichen da im Moment so etwa 130 Syrer, die nicht nur sprachlich fortgebildet werden, sondern auch ein interkulturelles Training bekommen, wie sie dann in Deutschland ankommen können. Das ist, glaube ich, wichtig für die Integration und ich denke, dieses Projekt werden wir natürlich auch weiterführen.
    Fischer: Das klingt jetzt alles wieder sehr wohl geordnet, sehr hilfreich ausgedacht, sehr deutsch in gewisser Weise, Herr Ebert. Sagen Sie, vor welche Herausforderungen wird denn ein Institut oder eine Institution wie die Ihre durch so eine Flüchtlingsproblematik im Ausland gestellt?
    Ebert: Na ja, im Ausland ist es so: Da wir immer in den Szenen verankert sind, kriegen wir das wirklich deutlich zu spüren und versuchen, dann zu reagieren. Dann gehen wir wahrscheinlich schon ein bisschen deutsch heran und überlegen, was können wir wirklich tun mit unseren Mitteln. Wir haben Untersuchungen gemacht und haben dann wirklich drei Themen für uns identifiziert: das erste, die kulturelle Zukunft der Region sichern helfen, Beitrag zu erfolgreicher Integration in Deutschland und auch eine Diskussion über dieses Thema, die wir auch durchaus in Deutschland führen wollen. Ich denke, wir müssen schon wissen, was wir tun, um nachhaltig arbeiten zu können.
    "Wir positionieren uns sehr, sehr deutlich"
    Fischer: Wo positioniert sich denn das Goethe-Institut in Bezug auf dieses Großthema Flüchtlinge, mögliche Einwanderungsgesellschaft Deutschland, Zuwanderung im großen Stil?
    Ebert: Das Goethe-Institut steht für ein offenes Deutschland und es steht für eine Willkommenskultur. Das heißt, für den Zugang und für die korrekte Behandlung und Eingliederung von Flüchtlingen, die zu uns kommen. Das ist uns schon sehr wichtig. Das hat unser Präsident auch jetzt bei der Verleihung der Goethe-Medaille gesagt, wo wir beispielsweise mit Sadiq al-Azm einen Syrer geehrt haben, einen syrischen Intellektuellen, der nicht mehr in Syrien leben kann, weil er ins Exil gehen musste aufgrund seiner politischen Anschauungen. Also wir positionieren uns auch mit dieser Goethe-Medaillenverleihung sehr, sehr deutlich.
    Fischer: Jenseits der Goethe-Medaille, Johannes Ebert, engagieren Sie sich mit dem Goethe-Institut ja aber auch noch weiter in Deutschland.
    Ebert: Ja. Wir haben 13 Goethe-Institute in Deutschland und im Unterschied zu den Goethe-Instituten im Ausland erhalten die keine Steuergelder. Das heißt, die finanzieren sich rein über Kursgebühren. Wir haben aber als Goethe-Institut gesagt, wir wollen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und zumindest einen Beitrag auch in Deutschland leisten, und haben begonnen, Sprachkurse für ehrenamtliche Deutschlehrer in Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden anzubieten. Das heißt, wir bieten zehn Stunden für ehrenamtliche Deutschlehrer, um ihnen einen Begriff zu vermitteln, wie moderner interaktiver Deutschunterricht heute aussieht. Das werden wir auch weiterführen. Wir hoffen, dass wir innerhalb eines Jahres da etwa 500 Deutschlehrer erreichen. Aber natürlich wäre es sinnvoll, dieses Programm weiter auszubauen. Dafür bräuchten wir dann aber auch öffentliche Mittel. Das können wir dann nicht aus unserer eigenen Kraft stemmen.
    Fischer: Johannes Ebert, der Generalsekretär des Goethe-Instituts, über die Kulturarbeit mit und für Flüchtlinge. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.