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Götter, Gatten und Geliebte

Eine lehrreiche und freche Komödie von heute, über drei Frauen in Italien. Irene ist zwar geschäftstüchtig, aber in der Liebe leidet sie offenbar gern; gerade ist sie auf den verheirateten Renato hereingefallen, der zwar der schönste und klügste, aber auch der gemeinste aller Männer ist. Er läßt sie warten, versetzt sie, beleidigt und kränkt sie, aber Irene hat wegen ihm trotzdem die Ärztin Nora vom Status der Geliebten in den Status einer "besten Freundin" versetzt. Nora erträgt es, wie sie alles erträgt: Einen unzurechnungsfähigen, tyrannischen Vater im Altenheim, den skrupellosen Bruder, der sie um ihr Erbe betrügt und sie dabei noch für ihre "typisch weiblichen" "Verliereröntscheidungen" verspottet, und dazu kommen noch die aufdringlichen, quengelnden Patienten. Sandra schließlich, Irenes Mitarbeiterin und Vertraute, ist selbstbewußt und hat ihren etwas wirren Freund Dario fest im Griff, nur selten schütteln ihn Eifersuchtsanfälle, wenn sie einen früheren Geliebten trifft. Soweit die drei Frauen. Die geliebten/gehassten Männer glänzen zwar durch Abwesenheit, aber sie beherrschen das Denken, Fühlen und Handeln der Hauptfiguren mehr, als ihnen lieb sein müßte. Margherita Giacobino veröffentlichte vor ein paar Jahren den Roman "Hausfrauen in der Hölle" ? ein verwegenes, chaotisches Buch, das exakt das hielt, was der Titel versprach. Es kam hierzuland zusätzlich noch als Taschenbuchausgabe heraus, und auch die ist inzwischen vergriffen, ohne daß bisher nachgedruckt wurde.

Sabine Peters |
    Unbegreiflich. Denn Giacobino wird von sehr unterschiedlichen Leuten gelesen, bis hin zu denjenigen, die Bücher eher zum Abstauben anfassen. Die Autorin schreibt einerseits süffige, unterhaltsame Literatur. Andererseits zielen die Menschenkenntnis und der Witz in ihren Romanen nicht auf schmunzelnde Affirmation, nicht auf Einverständnis mit den Gegebenheiten ab, sondern ihre Bücher wollen in den besten Momenten immer noch etwas mehr. Es gibt da ein Verlangen nach Verstehen, das darauf zielt, Automatismen und Funktionsmechanismen zu durchbrechen. Und man spürt immer wieder eine unbändige Glückssehnsucht, die auch im neuen Buch über das eigentlich bloß amüsante, bloß schräge "happy end" hinausreicht. Es kann sein, daß man Griacobino gedrängt hat, den Aufbau und die Form des neuen Buchs ein bißchen einfacher, eingängiger zu gestalten. Jedenfalls durchschaut man den Aufbau und die Zielrichtung sehr schnell? ist das ein Lob, oder ein Tadel? Man kommt hier schon bequemer voran als bei den rein additiv aufgebauten "Hausfrauen", aber es wird einem auch die Lust am Entdecken abgenommen. Kurz, wer "Götter, Gatten und Geliebte" nicht bei laufendem Fernseher liest, ahnt bald: Die abwesenden Männer entpuppen sich, wer hätte das gedacht, als ein einziger. Irenes Liebhaber ist der ehemalige von Sandra und gleichzeitig der Bruder von Nora. Sprich, Noras Bruder hat ihr auch noch die Geliebte weggenommen, und hätte Sandra seinerzeit Renatos Kind nicht abgetrieben, wäre Nora Tante geworden.

    Renato taucht erst am Ende auf; nach einem Schlaganfall liegt er bewusstlos in einem Krankenhaus, und die Frauen, vor allem aber Irene, verzichten auf diese Art seiner Anwesenheit. Renatos Ehefrau wird den Pflegefall übernehmen, und die drei Heldinnen sind den Mann endlich los, sie sind frei. Ein Roman als eine Komödie: Es gibt reichlich Verdrehtheit, Ungeschick und Unzulänglichkeit; die Frauen sind normal bescheuerte und dabei ausgeprägte Charaktere, die jeden Mensch mit einem Funken Selbstironie zur Identifikation einladen; es gibt jede Menge Anlaß zur Situationskomik und der Konflikt eigentlich geht es hier ja um Verwechslungen, um Intrigen löst sich abrupt auf heiter? groteske Weise auf. Der Roman gewinnt seine Dynamik aus der Schnelligkeit der Perspektivwechsel, aus den Brüchen zwischen Innensicht und Außenwelt. Die Dialoge sind treffend und bissig gehalten; und daß fast vollständig im Präsenz erzählt wird, erhöht das Tempo des Buchs.

    Dieser Roman braucht Geschwindigkeit? dabei ist er aber leider mitunter etwas langatmig, und zwar immer dort, wo die Autorin bis in die Kindheit der drei Frauen zurückgeht, um psychologisch fast lückenlos auszumalen, warum ein Mensch heute so und nicht anders ist. Irene bleibt so verhuscht und impulsiv, wie sie es immer war, ob sie den Geliebten nun aufopferungs? und entsagungsvoll pflegen will, oder ob sie im Gebet eine weitaus günstigere Alternative mit Gott aushandelt. Sandra bleibt patent wie eh und je; Nora aber entwickelt sich vorbildlich, fast wie im Lehrbuch, sie bricht aus der Rolle des passiven Opfers aus und fängt an, sich nach allen Seiten hin zu wehren und aktiv nach ihrem Glück zu streben. Soll man das als Leserin kritisieren? Strickmuster! Klischee! Schönfärberei! oder soll man einfach neidvoll lechzen und "hurra" rufen? So oder so: "Götter, Gatten und Geliebte" ist ein genießerisch geschriebener und übrigens auch genauso übersetzter Roman, für den man streng genommen nicht trommeln müßte; solche Titel sprechen sich auch unter der Hand herum.