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Götter, Griechen und Geräte

Die erste Orgel mit 50 Pfeifen, die Feuerspritze und eine Urform des Luftgewehrs Diese frei epochalen Erfindungen sind derzeit in Neapel zu sehen. Die Wissenschaftsausstellung "Heureka" zeigt unter anderem Meisterwerke altgriechischer Mechanik.

Von Thomas Migge |
    Ktesibios war ein Erfinder. Heute würde man ihn Mechaniker nennen. Im dritten vorchristlichen Jahrhundert entwickelte der in Alexandria lebende Wissenschaftler vier epochale Gegenstände: die Wasseruhr, die erste Orgel mit ganzen 50 Pfeifen, die Feuerspritze und eine Urform des Luftgewehrs.

    Schnell erkannte Ktesibios, daß eine Uhr, die mit Hilfe von Wasser funktioniert, ungenau ist, weil der Wasserauslauf nicht exakt geregelt werden kann. So erfand der helle Kopf das erste Zifferblatt und installierte es auf einem drehbaren Zylinder. Auf den von Platon erfundenen Weckmechanismus verzichtete der Alexandriner, weil ihn der laute Pfeifton, erzeugt durch Wasserkraft, störte. Eugenio Lo Sardo ließ die Ziffernuhr und auch den Wecker Platons nachbauen. Beide Meisterwerke altgriechischer Mechanik sind in einer Ausstellung zu sehen, die das Nationalmuseum für Archäologie in Neapel organisiert hat. Lo Sardo ist der Kurator dieser ungewöhnlichen Wissenschaftsschau:

    ""Wir wissen nicht genau, wie die Griechen auf diese Erfindungen gekommen sind. Die Ägypter kannten Sonnenuhren aber der Sprung zu Zeitmessern mit Zahnrädern, präzise, wie man sie erst später wieder seit dem 17. Jahrhundert schuf, ist revolutionär. Herophilos erfand sogar eine Taschen-Wasser-Uhr, um Kranken den Puls messen zu können. Das sind nur einige Beispiele, von denen uns etwas überliefert wurde"."

    Die Ausstellung zeigt die Reste und die Nachbauten von 200 Erfindungen der hellenistischen Epoche. Eine Epoche, so die These von Ausstellungskurator Eugenio Lo Sardo, die 212 vor Christus im sizilianischen Syrakus mit dem Tod des Archimedes zu Ende ging. Ein römischer Soldat erstach ihn. Im Tod soll er, wie Plutarch berichtet, das technisch hochentwickelteste Planetarium seiner Zeit in den Händen gehalten haben: ein durch ein kompliziertes Räderwerk getriebenes Modell zur mechanischen Darstellung der Planetenbewegungen. Ein Nachbau dieses Planetariums ist ebenfalls in Neapel zu sehen. Eugenio Lo Sardo:

    ""Erst seit einiger Zeit ist die Altertumswissenschaft den Geheimnissen antiker Erfindungen auf der Spur. Es ist den Arabern zu verdanken, daß die technischen Errungenschaften der Hellenen überliefert wurden. Nach Archimedes Tod und der Vorherrschaft der Römer im Mittelmeerraum verkümmerte die experimentelle wissenschaftliche Forschung. Vorrang hatten unter den Römern technische Entwicklungen für die Architektur und das Militärwesen. Das ist ein wichtiger Punkt den wenn man wissen muß, wenn man mit der der antiken Wissenschaft beschäftigt"."

    So lernt der Ausstellungsbesucher, das fast alle technischen Gegenstände, die die Römer benutzten, von den Griechen entwickelt worden waren. Zum Beispiel der Leuchtturm. Sostratos von Knidos errichtete den berühmtesten Leuchtturm der gesamten Antike auf einer Halbinsel vor Alexandria. Er war eines der sieben Weltwunder und hatte eine Höhe von 110 Metern. Die neapolitanische Wissenschaftsschau zeigt in zehn Sektionen den erstaunlichen Erfindungsreichstum der Griechen. Für den Besucher besonders faszinierend sind die mechanischen Spiel- und Vergnügungsgeräte der antiken Menschen:

    ""Wir verfügen über archäologische Funde, die uns viele Hinweise auf wirklich ungewöhnliche Geräte geben. Das waren mit Wasser oder Sand oder mit Antriebsfedern betätigte Vorrichtungen, die Musik erzeugten und Figuren in Bewegung setzten. Eine Höchstleistung der Automatentechnik war das Automatentheater, das nach Heron die Naupliosfabel in 5 Szenen darstellt. Diese Automaten sind nicht groß"."

    Die Antriebstechnik setzt eine Vielzahl von Figuren in Bewegung und mit Wasser angetriebene Miniorgeln produzieren Töne. Erstaunlich sind auch die im Nationalmuseum ausgestellten Theatermaschinen. Auch sie wurden originalgetreu nachgebaut und sind voll funktionstüchtig.

    Donnermaschinen zum Beispiel: dabei handelt es sich um große Trommeln, in die man Metallkugeln fallen läßt. Die alten Griechen verwendeten bei ihren Theatervorstellungen auch Hebekräne, die das Fliegen und Schweben mythologischer Gestalten in Szene setzten. Seither bezeichnet der noch heute gebräuchliche Begriff "Deus ex machina", der Gott aus der Maschine, eine unerwartete oder auch gekünstelte Lösung eines dramatischen Konflikts.