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Götterbote in der Warteschleife

Raumfahrt. - Lange ließen Weltraumforscher den der Sonne nächsten Planeten links liegen und interessierten sich stattdessen etwa für Mars. Jetzt wird die Abstinenz unterbrochen: die NASA-Sonde "Messenger" wird sich zu einem heißen Rendezvous mit Merkur aufmachen. Der Start dazu sollte am Montag stattfinden, doch Gewitterwolken sorgten für eine vorläufige Verschiebung der Reise.

02.08.2004
    Zeus scheint etwas gegen den Besuch bei Merkur zu haben, so scheint es zumindest. Denn ein Ausläufer des tropischen Sturms Alex zog über der Startanlage der Cape Canaveral Air Force Station in Florida auf. Wegen der Gefahr eines möglichen Blitzeinschlags entschieden sich die verantwortlichen Meteorologen vier Minuten vor Ende des Countdowns für einen Abbruch des Starts. Bis dahin waren die Vorbereitungen geradezu vorbildlich und ohne jede technische Störung verlaufen. Der erneuter Startversuch ist jetzt für Dienstag, 8 Uhr 21 MESZ geplant. Auch morgen muss der Starttermin entweder exakt eingehalten werden oder es folgt eine erneute Verzögerung. Denn Messenger soll auf eine besonders raffinierte Flugbahn geschickt werden, die aber das Zeitfenster für den Aufbruch auf genau zwölf Sekunden pro Tag limitiert. Erfolgt der Start indes nicht bis zum 14. August, muss die Sonde mindestens ein Jahr auf eine neue Chance warten.

    Das Kniffelige an Messengers Flug ist nicht die Distanz zu Merkur, sondern die anvisierte Umlaufbahn um den Planeten. Dazu muss das Vehikel zunächst auf eine hohe Geschwindigkeit gebracht werden, um dem Anziehungsfeld der Erde zu entkommen. Weil Merkur aber um einiges kleiner ist als die Erde und eine entsprechend schwächere Anziehungskraft ausübt, muss die NASA-Sonde stark abbremsen, will sie nicht über das Ziel hinaus schießen. Die nötigen Flugbewegungen könnten zwar von dem Triebwerk allein bewältigt werden, doch würde das Mitführen des dafür nötigen Treibstoffs die Kosten des Unternehmens in astronomische Höhen treiben. Bleibt als Alternative dazu also nur eine kunstvoll berechnete Bahn, bei der die Schwerkraft die Arbeit übernimmt. Daher wird das Raumschiff ein Jahr nach seinem Start in den Weltraum wieder zur Erde zurückfallen und sich durch die Gravitation beschleunigen lassen. Dieses Manöver wird an der Venus gleich zweimal wiederholt. Am Bestimmungsort wird Messenger schließlich in drei derartigen Annäherungen stark abgebremst. Erst dann sind Flugbahn und Geschwindigkeit so, dass die Raumsonde im März 2011 in die Umlaufbahn um den Merkur einschwenken kann. Der komplizierte Kurs verschafft Messenger eine gesamte Flugstrecke von satten acht Milliarden Kilometern - mehr als die Flugstrecke zum fernsten Planeten Pluto.

    Ein weiteres Problem stellt die enorme Temperatur dar, der die Sonde ausgesetzt sein wird, wenn sie der Sonne dreimal näher ist als die Erde. Selbst der weiße Schutzschild, der aus eigens entwickeltem Keramikgewebe besteht, wird rund 350 Grad Celsius widerstehen müssen. Dass sich diese Mühen lohnen, davon sind die Wissenschaftler überzeugt. Denn noch immer ist nur wenig über den kleinen Nachbarn bekannt. So wurde bislang weniger als die Hälfte seiner Oberfläche fotografiert. Ein großes Rätsel ist etwa Merkurs Magnetfeld. Nach gängiger Theorie sind zu seiner Erzeugung Ströme innerhalb eines flüssigen Kerns nötig. Andererseits nahmen Forscher bisher an, dass der Kern des kleinen Merkur seit rund zwei Milliarden Jahren völlig erstarrt sein sollte. Weitere Fragestellungen von Messenger sind daneben die Entstehung des hohen Eisengehalts von Merkur sowie weiterer Aufschluss über die Zustände im solaren Urnebel, aus dem die Sonne und ihre Planeten hervor gingen. Geht also am Dienstag alles gut, wird Messenger ab 2008 von Merkur seine Daten zur Erde funken.

    [Quelle: Dirk Lorenzen]