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Götterpläne und Mäusegeschäfte

Das Schiller-Nationalmuseum in Marbach ehrt seinen Namenspatron mit einer Ausstellung, die auf Marbacher und Weimarer Archivalien gestützt ist. Anhand von Handschriften, Drucken, und persönlichem Besitz erscheint Schiller als strategischer Jungdramatiker, der Beziehungen zu seinen Gunsten spann, gewandt die Medien seiner Zeit zu nutzen wusste und als Manager seiner selbst Haushaltspläne aufstellte, die er nie einhielt.

Von Christian Gampert |
    Es weht vielleicht doch ein etwas forscherer Wind im Deutschen Lite-raturarchiv in Marbach, seit Ulrich Raulff dort Direktor ist. Die große Ausstellung jedenfalls, mit der Archiv und das Schiller-Nationalmuseum ihren Namenspatron zum 200. Todestag würdigen, stellt vor allem die Strategien der Selbstvermarktung vor, mit denen der dann im 19.Jahrhundert als Freiheits- und Nationaldichter verein-nahmte Dramatiker sich einen Platz im Literaturbetrieb der Zeit si-cherte. Im 18.Jahrhundert gab es kein wirkliches Urheberrecht, ein einmal gedrucktes Stück konnte von jedem gespielt oder umredigiert werden, und wer vom Schreiben leben wollte, der musste kalkulieren.

    In Marbach sehen wir die anonyme Selbstrezension, mit der der junge Schiller seine "Räuber" gebührend ins Gespräch und auf den Markt brachte; wir sehen aber auch die Schreibkommode, 1789 erworben, die einen gewissen Aufstieg signalisiert. Da man Literatur nicht wirk-lich ausstellen kann, sondern nun mal lesen muss, haben die beiden Kuratoren Frank Druffner und Martin Schalhorn sich auf die Archiva-lien gestürzt, die man in Marbach und Weimar aufbewahrt, Hand-schriften, Drucke, persönlicher Besitz, und daraus eine Ausstellung gebaut, die den idealischen Dichter manchmal etwas unsanft auf die Füße stellt.

    Denn Schiller wusste durchaus auch mit symbolischem Kapital zu wuchern, er ließ sämtliche Ehrungen sofort in die Zeitung setzen, ope-rierte andererseits gezielt mit Normverstößen und Mythisierungen – die unerträgliche Karlsschule, der Konflikt mit dem Herzog Carl Eu-gen, die ganze Räuber-Affaire sind nicht nur Freiheitsdurst und Edel-mut, sondern auch Strategie eines Jungdramatikers, der bei Bedarf und besseren Erfolgsaussichten dann in andere Fächer, in Geschichte, Phi-losophie und Poesie auswich, sich mit Goethe in den "Xenien" zum li-terarischen Oberschiedsrichter machte und nebenbei auch schon mal für Damen-Almanache schrieb. Und den populistischen "Tell" nahm er sich ja auch erst vor, als das Volk quasi schon danach schrie.

    Die Ausstellung macht diese radikalen Brüche, Stuttgart, Mannheim, Jena, Weimar, dieses "Immer-wieder-neu-anfangen-müssen", sehr deutlich, und sie stellt dann den merkantilen Bodensatz eines Schrift-stellerlebens vor: Götterpläne und Mäusegeschäfte eben. Als Schiller einigermaßen saturiert ist und Familie hat, stellt er großartige private Haushaltsentwürfe auf, die er dann nie einhält. Er notiert aber penibel die Ausgaben für Alkoholika: 5 Reichstaler für Rum, 22 für Cham-pagner, 35 für einen Wein aus der Bourgogne. Ebenso penibel werden Ideen für Stücke gesammelt, Exzerpte angelegt und sogar ein Ver-zeichnis der geplanten Werke aufgestellt, die nach getaner Arbeit dann abgehakt werden – Kurator Frank Druffner findet dieses leicht öko-nomistisch-zwanghafte Ethos nicht unbedingt sympathisch.

    "Schließlich ist dieses Kalkulieren etwas, was sogar in persönliche Beziehungen hineingehen kann. Wenn er seine Freundschaftsentwürfe entwickelt, dann wird schon relativ deutlich, wie er sich solche Freundschaften vorstellt, was er sich von ihnen erhofft, welche Kom-petenzen er den jeweiligen Partnern zumisst in dieser Beziehung. In-sofern ist Schiller in der Tat ein sehr berechnender, kalkulierender Charakter."

    Wie die Freundschaft mit Körner angebahnt wird, kann man in Brie-fen nachlesen. Die Menage à trois mit den Schwestern Lengsfeld gip-felt in merkwürdigen Schriftstücken, in denen Caroline, die Ver-schmähte, deren Schwester Schiller dann heiratete, den Dichter ideali-siert und bestimmte Ereignisse bis zur Selbstverleugnung retuschiert.

    Schließlich wird in Marbach auch der Nachruhm problematisiert. Der Hofmedicus Huschke sah nach Schillers Tod bei seiner Sektion einen innerlich zerfallenen Körper:

    "Und Huschke verfasst ein Protokoll, das in der Ausstellung auch zu sehen ist, das endet mit dem Satz: Bei den Umständen muss man sich wundern, wie der arme Mann so lang hat leben können. Der Befund wird sofort publik, und umgehend ist das Gerücht von dem Geistwe-sen Schiller geboren. "

    Dieses Geistwesen wird dann in der Weimarer Zeit zum Idol des deut-schen Bürger- und Kleinbürgertums. In Marbach wird er jetzt als fast moderner Kopf vorgestellt: als Manager seiner selbst.