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Gold als Tumorkiller

Materialforschung. - Gold als Füllung für kaputte Zähne oder als kompletter Zahnersatz war lange die einzige Verwendung, die Mediziner für das edle Metall hatten. Doch nun ist es Forschern gelungen, winzige Nanoteilchen aus Gold herzustellen. Dieses Nanogold könnte nun dazu taugen, resistenten Keimen den Garaus zu machen oder Tumore aufzuspüren oder sogar zu zerstören.

Von Frank Grotelüschen |
    Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sind. Den Ärzten treiben sie zunehmend Sorgenfalten ins Gesicht, denn die Mediziner verzeichnen immer mehr von diesen resistenten Keimen. Deshalb suchen die Experten unter Hochdruck nach neuen Behandlungsmethoden. Eine Idee: die Entwicklung lichtempfindlicher Bakteriengifte. Gegen sie dürften die Keime nicht so schnell Resistenzen entwickeln, hofft der Mikrobiologe Michael Wilson vom University College in London.

    "Es geht um Chemikalien, die zunächst mal gar keine Wirkung auf die Keime haben. Erst wenn man sie mit Licht von einer bestimmten Farbe bestrahlt, werden sie aktiv. Erst dann produzieren sie Stoffe, die die Bakterien abtöten."

    Parodontitis therapieren manche Mediziner bereits mit den lichtaktiven Antibiotika, vor allem in Kanada. Auch für die Behandlung von Wund- oder Hautinfektionen kommen sie infrage. Michael Wilson hat nun einen Trick entdeckt, der die Wirksamkeit der neuen Arzneien deutlich steigert. Ein im wahrsten Sinne des Wortes goldener Trick.

    "Wir haben herausgefunden, dass wenn man eine Prise feinster Goldteilchen hinzufügt, die Wirksamkeit des Antibiotikums spürbar ansteigt. In einigen Fällen war das Präparat sogar doppelt so wirksam. Das bedeutet: Mit etwas Gold als Beigabe kann man mehr Bakterien abtöten, und zwar in kürzerer Zeit."

    Wilson arbeitet mit sogenanntem Nanogold. Das sind Teilchen, die nur ein paar Millionstel Millimeter messen. Warum dieses Nanogold das lichtaktive Antibiotikum so auf Trab bringt? Der Experte zuckt mit den Schultern.

    "Da sind wir uns nicht ganz sicher. Aber es sieht so aus, als würde das Gold es dem Antibiotikum ermöglichen, das Licht effektiver nutzen zu können. Dadurch kann es dann mehr Gifte produzieren. Und die töten die Bakterien dann schneller ab."

    Bevor man so ein goldhaltiges Antibiotikum allerdings auf Patienten loslässt, muss noch geklärt werden, ob und in welchen Konzentrationen das Nanogold selbst womöglich giftig ist. Sofort einsetzen könnte man es dagegen als antibakterielle Schutzschicht etwa in Krankenhäusern, meint Wilson.

    "Man könnte es für Beschichtungen verwenden, die man einfach als Farbe auf die Wände aufbringt. Das Licht von ganz normalen Leuchtstoffröhren würde genügen, um diese Beschichtungen zu aktivieren. Und jedes Bakterium, das darauf landet, wäre sofort hinüber."

    Auch Yvonne Kohl, Forscherin am Fraunhofer Institut für Biomedizinische Technik in St. Ingbert, arbeitet mit Nanoteilchen aus Gold - und zwar für eine neue Diagnosemethode bei der Früherkennung von Prostatakrebs.

    "Gold ist ein Material, was sehr stark Licht absorbiert. Deshalb verwenden wir Gold als Nanopartikel."

    Das Prinzip: Die Forscher injizieren dem Patienten eine Lösung, die winzige Stäbchen aus Gold enthält. Diese Nanostäbchen sind mit einem Antikörper beschichtet, bildlich gesprochen einem Spürhund für Krebszellen. Dadurch können die Goldteilchen gezielt an den Tumorzellen andocken. Dann beleuchten die Forscher das Gewebe mit einem schwachen Infrarotlaser.

    "Dieser Laser sendet Licht. Das Licht wird von den Partikeln absorbiert. Diese Partikel geben Schall und Wärme ab. Diese Wärme und der Schall werden wieder von einem anderen Sensor aufgenommen und umgewandelt in ein Signal."

    Aus diesem Signal lässt sich ein Ultraschallbild erzeugen, das einen eventuell vorhandenen Tumor viel deutlicher zeigen soll als gewöhnliche Ultraschallverfahren. Und:

    "Ein Vorteil davon ist, dass die tiefer in die Haut eindringen können. Dass wir auch Tumore oder Metastasen, die tiefer unter der Haut liegen, entdecken können."

    Bislang haben die Forscher ihr Verfahren allerdings nur an Zellkulturen erprobt. In ein bis zwei Jahren, hofft Yvonne Kohl, könnten klinische Studien starten. Ähnliches gilt für eine andere Idee, der mehrere Forscherteams auf der Welt nachgehen: Sie wollen die an das Geschwür angedockten Goldstäbchen nicht nur dazu bringen, den Krebs zu verraten, sondern wollen die Tumorzellen damit zerstören. Wenn die Goldteilchen das Infrarotlicht absorbieren, erwärmen sie sich so stark, dass sie die Zellen, an denen sie hängen, den Garaus bereiten. Gold also als Tumorkiller. Eine ehrgeizige Vision, die frühestens in acht bis zehn Jahren in die Kliniken Einzug halten könnte.