Katja Lückert: In Lahnau-Waldgirmes bei Gießen wird seit über 16 Jahren die Anlage einer römischen Stadt ausgegraben. Federführend ist dabei die Frankfurter Römisch-Germanische Kommission. Offenbar handelt es sich bei dieser Anlage um keine militärische, sondern um eine ein zivile Anlage von rund acht Hektar Größe. Am 12. August nun stießen die Archäologen in einem Brunnen auf einen lebensgroßen, vergoldeten Pferdekopf und einen Schuh, die beide vermutlich zu einem Reiterstandbild des Kaisers Augustus gehörten. Das Imperium Romanum beherrschte den Westen und Süden Germaniens und unter Augustus weitete sich das Reich auch nach Nordosten aus. Die Gründung Waldgirmes wird als Anzeichen des beabsichtigten Übergangs von der Eroberung zur dauerhaften Herrschaft gesehen. Dann allerdings unterlagen die Römer in der Varusschlacht, deren 2000-jähriges Jubiläum gerade in diesem Jahr gefeiert wird. Da kommt dieser Fund schon zur rechten Zeit, oder? Die Frage geht an Egon Schallmeyer, den hessischen Landesarchäologen.
Egon Schallmeyer: Das kann man so sagen. Das ist natürlich nicht inszeniert, sondern ist tatsächlich, wie das immer bei Ausgrabungen ist, dass dann Stücke herauskommen, wenn man sie möglicherweise auch gut in dem zeitgenössischen Kontext verwerten kann. Also, Spaß beiseite – das sind Ausgrabungen, die ja schon seit einigen Jahren in Waldgirmes durchgeführt werden, und dass wir jetzt diesen Pferdekopf und noch weitere Teile schon in der Vergangenheit dieser Reiterstatue in Waldgirmes finden, das ist natürlich ganz besonders.
Katja Lückert: Der Kopf des Reiterstandbildes in einem Brunnen – wie geriet der da hinein? Haben den wütende Germanen hineingeworfen?
Schallmeyer: Dahin gehen die ersten Überlegungen, dass im Jahre neun nach Christus, als Varus mit seinen Legionen in der sogenannten Schlacht im Teutoburger Wald unterging, Wirren auch die Stadt Waldgirmes betrafen. Wir haben Anzeichen, unter anderem Brandschichten, die in diesen Zusammenhang gesetzt werden können. Da muss man davon ausgehen, dass germanische Krieger, die den Stützpunkt erobert haben, möglicherweise auch diese Statue zertrümmert haben. Interessant ist – und das würde auch auf Germanen hindeuten –, dass die Reiterfigur als solche offensichtlich in Tausende kleine Stücke zerschlagen wurde, während der Pferdekopf noch relativ gut erhalten, also fast noch komplett erhalten im Brunnen sozusagen intentionell, also mit ganz bewusster Absicht, versenkt wurde. Dazu muss man wissen, dass die Germanen ja ein besonderes Verhältnis zu Pferden hatten, auch Pferdekulte zum Ausdruck gebracht haben und möglicherweise ist diese Versenkung sozusagen eine teilweise Wiedergutmachung, dass man eine Reiterfigur und ein Pferd zerstört hat.
Katja Lückert: Kann es denn auch sein, dass die Römer selber die Stadt quasi abgebrochen haben in letzter Sekunde?
Schallmeyer: Das ist die zweite Version, wobei das Abbrechen der römischen Stadt erst im Jahre 16 nach Christus erfolgt ist nach allem, was wir uns jetzt aus den Befunden herauslesen können. Man wird natürlich die weitere Diskussion noch abwarten. Nach neun nach Christus, nach der Niederlage des Varus, hat ja die römische Okkupationspolitik nicht aufgehört, sondern im Gegenteil, die Römer haben noch einmal versucht, ganz Germanien bis zur Elbe zu unterwerfen und als Provinz auszuweisen. Das ist dann im Jahre 16 eingestellt worden, dann, als der neue Kaiser Tiberius eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufgemacht hat und beschlossen hat: Wir überlassen die Germanen jetzt ihren eigenen Zwistigkeiten und ziehen uns auf die Rheinlinie zurück.
Katja Lückert: Wie genau gelingt es denn jetzt, die gemachten Funde zu datieren? gibt es da irgendwelche Holzstücke oder so, an denen man das sehen kann?
Schallmeyer: Wir können diese Fundstücke exakt datieren auf einer Zeitspanne zwischen vier, drei vor Christus, das sind die Brunnenhölzer, die sind (unverständlich), also aufgrund der Jahresringchronologie, und natürlich den historischen Zeitangaben, neun nach Christus, das ist aus der Literatur bekannt, oder 16 nach Christus. Das heißt also, die Zeitspanne, in der diese Reiterfigur letztlich aufgestellt gewesen sein kann, bewegt sich zwischen vier, drei vor Christus und 16 nach Christus, und das ist für archäologische, chronologische Situationen in dieser Zeit schon exorbitant, das sagen zu können.
Katja Lückert: Es gab ja vor einigen Jahren in Augsburg einen ähnlichen Fund, dennoch ist dieser jetzt von größerer Bedeutung?
Schallmeyer: Ja, er ist aus dem Fundzusammenhang von größerer Bedeutung, weil klar ist: Er gehört in das römische Kaiserhaus, also sehr wahrscheinlich zu Augustus, er gehört in die Frühphase der römischen Okkupation Germaniens und er gehört aufgrund seiner stilistischen und technischen Herstellungsmerkmale zu dem Besten, was wir aus dieser Zeit im Imperium Romanum kennen.
Katja Lückert: Was wird jetzt geschehen? Wird das in einer besonderen Ausstellung ausgestellt werden? Wird man versuchen, dieses ganze Reiterstandbild wieder zusammenzusetzen, wird das gelingen können?
Schallmeyer: Wir werden es nicht ganz zusammenbringen, es sei denn, beim Schlämmen der Bodenmaterialien aus dem Brunnen kommen jetzt wirklich alle 100 oder 1000 Teile, die kleingeschlagen wurden. Aber wir haben wichtige Teile dieser Gesamtstatue, sodass wir sie sozusagen virtuell rekonstruieren können. Aber um das machen zu können, müssen wir erst das Ganze konservieren und auch restaurieren, und wir wollen dann natürlich den Gesamtbefund – auch in seiner Deutung und auch mit Vergleichsstücken – in einer Ausstellung zeigen. Das wird aber noch ein bisschen dauern.
Katja Lückert: Ein archäologischer Sensationsfund in Waldgirmes bei Gießen, ein Gespräch mit dem hessischen Landesarchäologen Egon Schallmeyer war das.
Egon Schallmeyer: Das kann man so sagen. Das ist natürlich nicht inszeniert, sondern ist tatsächlich, wie das immer bei Ausgrabungen ist, dass dann Stücke herauskommen, wenn man sie möglicherweise auch gut in dem zeitgenössischen Kontext verwerten kann. Also, Spaß beiseite – das sind Ausgrabungen, die ja schon seit einigen Jahren in Waldgirmes durchgeführt werden, und dass wir jetzt diesen Pferdekopf und noch weitere Teile schon in der Vergangenheit dieser Reiterstatue in Waldgirmes finden, das ist natürlich ganz besonders.
Katja Lückert: Der Kopf des Reiterstandbildes in einem Brunnen – wie geriet der da hinein? Haben den wütende Germanen hineingeworfen?
Schallmeyer: Dahin gehen die ersten Überlegungen, dass im Jahre neun nach Christus, als Varus mit seinen Legionen in der sogenannten Schlacht im Teutoburger Wald unterging, Wirren auch die Stadt Waldgirmes betrafen. Wir haben Anzeichen, unter anderem Brandschichten, die in diesen Zusammenhang gesetzt werden können. Da muss man davon ausgehen, dass germanische Krieger, die den Stützpunkt erobert haben, möglicherweise auch diese Statue zertrümmert haben. Interessant ist – und das würde auch auf Germanen hindeuten –, dass die Reiterfigur als solche offensichtlich in Tausende kleine Stücke zerschlagen wurde, während der Pferdekopf noch relativ gut erhalten, also fast noch komplett erhalten im Brunnen sozusagen intentionell, also mit ganz bewusster Absicht, versenkt wurde. Dazu muss man wissen, dass die Germanen ja ein besonderes Verhältnis zu Pferden hatten, auch Pferdekulte zum Ausdruck gebracht haben und möglicherweise ist diese Versenkung sozusagen eine teilweise Wiedergutmachung, dass man eine Reiterfigur und ein Pferd zerstört hat.
Katja Lückert: Kann es denn auch sein, dass die Römer selber die Stadt quasi abgebrochen haben in letzter Sekunde?
Schallmeyer: Das ist die zweite Version, wobei das Abbrechen der römischen Stadt erst im Jahre 16 nach Christus erfolgt ist nach allem, was wir uns jetzt aus den Befunden herauslesen können. Man wird natürlich die weitere Diskussion noch abwarten. Nach neun nach Christus, nach der Niederlage des Varus, hat ja die römische Okkupationspolitik nicht aufgehört, sondern im Gegenteil, die Römer haben noch einmal versucht, ganz Germanien bis zur Elbe zu unterwerfen und als Provinz auszuweisen. Das ist dann im Jahre 16 eingestellt worden, dann, als der neue Kaiser Tiberius eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufgemacht hat und beschlossen hat: Wir überlassen die Germanen jetzt ihren eigenen Zwistigkeiten und ziehen uns auf die Rheinlinie zurück.
Katja Lückert: Wie genau gelingt es denn jetzt, die gemachten Funde zu datieren? gibt es da irgendwelche Holzstücke oder so, an denen man das sehen kann?
Schallmeyer: Wir können diese Fundstücke exakt datieren auf einer Zeitspanne zwischen vier, drei vor Christus, das sind die Brunnenhölzer, die sind (unverständlich), also aufgrund der Jahresringchronologie, und natürlich den historischen Zeitangaben, neun nach Christus, das ist aus der Literatur bekannt, oder 16 nach Christus. Das heißt also, die Zeitspanne, in der diese Reiterfigur letztlich aufgestellt gewesen sein kann, bewegt sich zwischen vier, drei vor Christus und 16 nach Christus, und das ist für archäologische, chronologische Situationen in dieser Zeit schon exorbitant, das sagen zu können.
Katja Lückert: Es gab ja vor einigen Jahren in Augsburg einen ähnlichen Fund, dennoch ist dieser jetzt von größerer Bedeutung?
Schallmeyer: Ja, er ist aus dem Fundzusammenhang von größerer Bedeutung, weil klar ist: Er gehört in das römische Kaiserhaus, also sehr wahrscheinlich zu Augustus, er gehört in die Frühphase der römischen Okkupation Germaniens und er gehört aufgrund seiner stilistischen und technischen Herstellungsmerkmale zu dem Besten, was wir aus dieser Zeit im Imperium Romanum kennen.
Katja Lückert: Was wird jetzt geschehen? Wird das in einer besonderen Ausstellung ausgestellt werden? Wird man versuchen, dieses ganze Reiterstandbild wieder zusammenzusetzen, wird das gelingen können?
Schallmeyer: Wir werden es nicht ganz zusammenbringen, es sei denn, beim Schlämmen der Bodenmaterialien aus dem Brunnen kommen jetzt wirklich alle 100 oder 1000 Teile, die kleingeschlagen wurden. Aber wir haben wichtige Teile dieser Gesamtstatue, sodass wir sie sozusagen virtuell rekonstruieren können. Aber um das machen zu können, müssen wir erst das Ganze konservieren und auch restaurieren, und wir wollen dann natürlich den Gesamtbefund – auch in seiner Deutung und auch mit Vergleichsstücken – in einer Ausstellung zeigen. Das wird aber noch ein bisschen dauern.
Katja Lückert: Ein archäologischer Sensationsfund in Waldgirmes bei Gießen, ein Gespräch mit dem hessischen Landesarchäologen Egon Schallmeyer war das.