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Goldenes aus Georgien

Goldschmuck aus georgischen Gräbern ist im Alten Museum in Berlin zu sehen. Die Ausstellung "Medeas Gold" sei die erste internationale Schau des Georgischen Nationalmuseums, sagte der Generaldirektor des Hauses, David Lordkipanidze. Ungeklärt ist bislang, ob die Funde Bezug zu den antiken Sagen um Jason und Medea haben.

Moderation: Stefan Koldehoff |
    Stefan Koldehoff: Dass man die griechischen Sagen und Mythen des klassischen Altertums in Teilen ruhig wörtlich nehmen darf, das haben spätestens Heinrich Schliemann und Wilhelm Dörpfeld belegt, als sie Homers Troja Schicht für Schicht ausgruben. Es gibt weiter Beispiele: das von Jason und den Argonauten zum Beispiel, die auf der Suche nach dem Goldenen Vlies bis in das Königreich Kolchis segelten, wo die Königstochter Medea sie mit ihren Zauberkräften schließlich zum Ziel führte. Kolchis lag im heutigen Georgien. Und von dort, aus der Hauptstadt Tblissi, ist nun eine Ausstellung nach Berlin ins Alte Museum gereist, die, so heißt, es, zum ersten Mal außerhalb des Landes zeigt, dass das Goldene Vlies vielleicht, möglicherweise, unter Umständen nicht nur schöne Legende war.

    Carsten Probst, was zunächst einmal zeigt diese Ausstellung unter dem Titel "Medeas Gold"?

    Carsten Probst: Zu sehen ist Schmuck aus Gräbern, die man in der kleinen Stadt, in dem kleinen Ort Wani, etwa 60 Kilometer von der Schwarzmeerküste entfernt, in Georgien gefunden hat, in Gräbern, die bisher noch völlig unversehrt waren. Zu sehen sind beispielsweise riesige goldene Diademe mit Treibarbeiten, die Löwenszenen zeigen, die Wildschweine überfallen und fressen. Zu sehen sind Ketten, riesige Halsketten mit 31 Schildkrötenanhängern, beispielsweise in filigranster Arbeit ausgeführt, oder goldener Kopfschmuck in vielerlei Variationen bis hin zu kleinsten Goldperlen, die wohl zu Tausenden auch mal an Gewändern gehangen haben und dergleichen mehr, also lauter Grabbeigaben, die nicht nur allerhöchsten Repräsentanten irgendeines Kultes aus dem ersten Jahrtausend vor Christus zugerechnet werden konnten, sondern offenkundig auch durchaus so genannten Normalbürgern gehörten. Weshalb das Ganze nun aber so da liegt und überhaupt sich in dieser Form ausbreitet, ist bis heute eigentlich noch ein historisches Rätsel.

    Koldehoff: Wenn es denn stimmt, dass diese Schätze zum ersten Mal Georgien verlassen durften, stellt sich natürlich die Frage, warum jetzt, was steckt dahinter?

    Probst: Ja, also natürlich ist hier in Berlin allerorten nicht nur durch die Präsenz georgischer höchstrangiger Politiker zu spüren, dass man dem Ganzen eine europäische Dimension geben möchte. Hinter diesen Funden steckt eine lange Geschichte der Abgrenzung georgischer Urkultur sozusagen gegen den immer wieder als bedrohlich empfundenen Einfluss Russlands und natürlich auch der Sowjetunion. Gerade die Sowjetunion hat man immer so als Vernichter der eigenen Kultur begründeter Maßen auch wahrgenommen. Georgien zählt ja zu den wenigen Ländern, die überhaupt eine eigene Sprache und Schrift beispielsweise ausgebildet haben. Und solche Funde wie jetzt in Wani belegen natürlich dann aus Sicht der Georgier, dass man eigentlich eine sehr weit zurückreichende, bis ins 8. Jahrhundert vor Christus zurückreichende Hochkultur, diese Arbeiten sind ja alle wunderbar gearbeitet, also wirklich auf höchstem Standard, besessen hat und demzufolge sozusagen ein Selbstbehauptungsrecht der eigenen Identität gegenüber Russland hat, das sozusagen viel weiter in die Geschichte zurückreicht, als man es annehmen könnte. Und gleichzeitig zeigt man diese Arbeiten natürlich jetzt im Herzen Europas, wie man sagt, um sich damit auch zur europäischen Kultur zuzurechnen und quasi zum großen europäischen Zusammenhang der Antike.

    Koldehoff: Also haben wir da, Sie hatten längere Zeit in Tblissi gelebt, so was die den nächsten Beitrittskandidaten?

    Probst: Ganz genau, so wird es auch wahrgenommen. Man hat hier am 25. März in Berlin ja ohnehin die Feiern zum 50. Jahrestag der europäischen Vereinigung, und die politischen Vertreter, die heute bei der Pressekonferenz im Alten Museum auch saßen, sagten, das ist vielmehr als eine Ausstellung, das ist für uns so etwas wie die Einbettung in die europäische Diskussion. Man möchte also quasi symbolische Politik betreiben, das allerdings mit wissenschaftlichen Funden, von denen noch wissenschaftlich überhaupt nicht erwiesen ist, dass sie irgendetwas mit der Jason-Sage oder der Medea-Sage zu tun haben. Das ist alles umstritten und noch vollkommen ungeklärt. Klar ist nur: Es hat hochwertige Goldarbeiten und Goldfunde in Georgien gegeben.

    Koldehoff: Also - mit der Bitte um kurze Antwort – schon ein bisschen eine Mogelpackung, aber eine, die sich trotzdem lohnt anzuschauen?

    Probst: Unbedingt. Also der Titel ist etwas irreführend, das, was zu sehen ist, ist aber großartig.