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Goldgelb statt Kirschrot

Die älteste Kastanienbäume Europas stehen im Eisacktal in Südtirol. Hier gibt es Esskastanien in Hülle und Fülle. Nach ihnen hat man einen Weg benannt, den Kescht'nweg, rund 60 Kilometer lang, beginnend oberhalb von Brixen.

Von Sabine Wuttke | 02.11.2008
    Markttag in Feldthurns , 850 Meter über dem Eisacktal. Es gibt Äpfel und Apfelsaft. Die Bäuerinnen bieten Hauspatschen an und Honig, die Bauern probieren den Wein, eher den alten als den jungen...

    "Den neuen könn' mer nich trinken, der macht Gepludere....Lachen"

    Außerdem werden Krapfen gebacken, wahlweise gefüllt mit Pflaumenmus oder Spinat, und es gibt Keschtn, Esskastanien. Nach ihnen hat man einen Weg benannt, den Kescht'nweg, rund 60 Kilometer lang, beginnend oberhalb von Brixen, wo die nördlichsten Kastanienbäume Südtirols wachsen, über Ritten bis zum Schloss Runkelstein bei Bozen. Feldthurns ist eine Station mit seinem Renaissance-Schloß, dem ehemaligen Sommersitz der Brixener Fürstbischöfe, seinen 2.500 Einwohnern und

    " Kastanienbäumen. Die haben wir bei der Jahrtausendfeier gezählt. Die haben bei uns Ehrenbürgerrecht."

    "Wir wissen ja, die Dörfer hatten ein oder zwei Gasthäuser, und das war der Unterwirt, und weiter oben ist der Oberwirt. Die waren so soziale Einrichtungen. Die Bauern haben sich da getroffen, besonders am Sonntag, a bissel was zu diskutieren oder a Karterle zu machen. Und jetzt, seit den 60er Jahren ist die Straße gekommen, und jetzt haben wir auch a bissel Tourismus."

    Und für die Urlauber, die Wanderer aber auch die Einheimischen dominieren die Keschtn noch bis zum 11. November die Speisekarte:

    "Man kann so viele gute Sachen davon machen:.....und die Nachtische, die hören überhaupt nicht mehr auf, gell. "

    Gratis dazu gibt es den Blick auf die gegenüber liegenden, jetzt schon verschneiten Berge: die 2500 Meter hohe Plose, die Dolomiten mit dem Peitler-Kofel, einem der schönsten Aussichtsberge, den berühmten Geislerspitzen. Unterhalb die bunt gefärbten Wälder, im dunklen Grün rote und leuchtend gelbe Flecken. Das sind

    "...die Kirschen, die sind im Herbst ganz rot und die Kastanien goldgelb."

    Wandern auf dem Keschtnweg - das ist die Begegnung mit Bäumen, die schon 500 Jahre alt sind, mit Bäuerinnen, die einen Sack, wie eine Schürze umgebunden, die Kastanien sammeln ...

    "Ma, das mach ich schon seit ich zehn Jahr bin. Das geht so von Tradition zu Tradition immer weiter"

    Wandern auf dem Keschtnweg ist das Laufen durch Kastanienhaine, vorbei an hölzernen Wegkreuzen, ist auch ein Blick auf die gegenüberliegende Seite des Tals: Wie hingewürfelt zwischen dem Grün der Almen einzelne Orte, zum Beispiel Deis. Die "Deiser Kugeln" sind sein Markenzeichen, Amethystvorkommen und einzigartig in Südtirol. Zu vergleichen mit denen von Idar-Oberstein und doch anders, wie Lorenz Fischnaller erklärt

    "Das Besondere der Deiser Kugeln ist, dass bis zu sieben Mineralien in einer einzigen Kugel vorkommen können. "

    Zum Abschluss unseres Ausflugs Einkehr bei Norbert Blasbichler, einem jungen Bauern, der nebenbei Apfelsaft ausschenkt und geröstete Kastanien verkauft, hergestellt in einem besonderen Verfahren...

    "Früher ist das a Waschmaschinentrommel gewesen . Und da isch unten das Feuer, Und da isch die Trommel, was drehen tut . Und mit dem Drehen wern die Kaschtanien schön regelmäßíg gebrotn....Zum Kastanienbraten nehmen wir Kastanienholz, einfach, um dem Feuer die gewisse Langsamkeit zu geben, dass sie nicht ganz so schnell brennen."

    Die Geschichte von 1000 Jahren könnte der älteste Kastanienbaum Europas erzählen. Er steht im Eisacktal. Ich habe versucht, wenigstens ein kleines Kapitel dieser Bäume für Sie aufzuschreiben.