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Golf
Einer schlägt, einer trägt

Golf-Caddies haben einen anstrengenden Beruf - vor allem, wenn sie als Blitzableiter für hochsensible Spielerpersönlichkeiten dienen. Trotzdem kommt es selten vor, dass sie von sich aus bei ihrem Arbeitgeber kündigen - doch genau das ist vergangenen Samstag passiert.

09.08.2014
    Es ist ein Job, bei dem man eine ganze Menge verkraften muss. Aber letzten Samstag, am 12. Loch in Reno/Nevada, hatte Michael Lawson genug. Nachdem sich der Caddie jahrelang das Gemaule seines Arbeitgebers angehört hatte, ließ er den schweren Golf-Sack einfach stehen und machte sich verärgert davon. Der Spieler - der Amerikaner Brian Stuard - war völlig überrascht. Zum Glück gab es eine nette Frau unter den Zuschauern, die einsprang - in Sandalen und im Kleid - und die Tasche schulterte. Und so konnte der Golf-Profi seine Runde ohne große Mühe zu Ende bringen.
    Der Fall sorgte für Aufsehen. Denn normalerweise läuft die Sache genau andersherum. Der Spieler schmeißt den Caddie raus. Und der fällt aus allen Wolken. Wie im Fall von Steve Williams - der jahrelang geglaubt hatte, Tiger Woods sei einer seiner besten Freunde. Doch nachdem sich der von seinen Sex-Eskapaden erholt hatte, zog er einen dicken Strich unter viele Beziehungen. Auch unter diese:
    "Ich war absolut schockiert. 13 Jahre. Ich war unglaublich loyal. Sehr enttäuschend."
    Träger und Berater
    Das Verhältnis zwischen Golfer und Caddie ist etwas ganz Besonderes im Sport. "Es gibt Wochen, da verbringe ich mehr Zeit mit meinem Caddie als mit meiner Frau", hat der Amerikaner Jim Furyk mal gesagt. Wobei der Caddie oft eine Rolle spielt, die der dem alten Bild einer Hausfrau ähnelt. Der Adjutant hat pünktlich mit sauber geputzten Schlägern, Bällen, Regenschirm und genügend Wasserflaschen bereit zu sein, darf nicht schlapp machen und sollte außerhalb vom Platz möglichst nicht über sich und schon gar nicht über seine Arbeit reden.
    Dabei leisten sie eine ganze Menge. Berühmt ist das erfolgreiche Duo Phil Mickelson und Jim Mackay. Die beiden beratschlagen manchmal minutenlang, welchen Schläger und welchen Schlag Mickelson probieren soll.
    "Yeah, you can do it. But you can't control the wind down there."
    "Yeah. I like it."
    Gute Caddies arbeiten ganz sicher genauso hart wie die Profigolfer. Weshalb sie mit den 10 Prozent, die sie von den Preisgeldeinnahmen ihrer Chefs abbekommen, eher unterbezahlt sind. Aber Auflehnung gibt es keine. Das klassische Rollenverständnis aus der adeligen viktorianischen Zeit, als die Sportart in Großbritannien aufkam, gilt nach wie vor. Weshalb jemand wie der Amerikaner Brian Deasy, der jahrelang ziemlich einträglich für namhafte Profis arbeitete, irgendwann zu dem Resultat kam:
    "Ich würde das niemandem empfehlen. Es mag toll aussehen, aber es ist hart."
    Das Leben eines Handlungsreisenden. 38 Wochen im Jahr auf Achse.
    Manche verbinden Beruf und Privatleben
    Es sei denn, man findet eine Lösung wie Caroline Masson aus Gladbeck, 25 Jahre alt, eine hochtalentierte Profi-Golferin, inzwischen auf Platz 60 der Weltrangliste. Sie spielt seit dem letzten Jahr in den USA. Sie und ihr amerikanischer Caddie Jason McDede sind auch im Privatleben ein Paar.
    "Ja, es ist sehr angenehm, bei der vielen Reiserei jemanden dabei zu haben, mit dem man sich natürlich gut versteht, mit dem man alles zusammen erleben kann, auch Spass hat und durch bessere und vielleicht auch mal durch schlechtere Zeiten geht. Im Großen und Ganzen muss man einfach lernen, das ein bisschen zu trennen. Dass man halt vieles nicht von dem einen mit zu dem anderen rüberträgt. Auf dem Golfplatz ist es ein Job. Und abseits vom Golfplatz ist es dann einfach eine ganz normale Beziehung."
    Das Arrangement ist ungewöhnlich für die Sportart, in dem die Nerven schnell mal blank liegen, wenn's nicht so gut läuft. Und wenn der Caddie als Blitzableiter herhalten muss.
    "Klar, wenn es dann der eigene Freund ist, sind da natürlich manchmal Situationen, die vielleicht leichter wären, wenn es nicht der Freund wäre. Man wird vielleicht auch mal sauer. Jeder macht auch mal Fehler."
    Das Geheimnis? Kommunikationskultur.
    "Ich denke, dass er mit meinem Spiel viel helfen kann. Dann vielleicht auch Sachen anders ansprechen kann als ein anderer Caddie das machen würde, weil er vielleicht Angst um seinen Job hat."
    Ein guter Caddie kann den Unterschied machen
    Die Angst ist durchaus berechtigt. Man denke an den Amerikaner Bill Haas, der kurz vor dem Masters im April seinen Bruder arbeitslos machte, der ihm mehrere Jahre als Caddie zur Seite gestanden hatte. Der kam nach ein paar Wochen allerdings woanders unter. Was typisch ist. Caddie-Leben ist eine Mischung aus Karussellfahren und Bäumchen-Wechsel-dich.
    Steve Williams etwa trägt seit dem Rauswurf bei Tiger Woods die Tasche des Australiers Adam Scott. Und er bestätigte dabei im Handumdrehen die Theorie, dass ein guter Caddie einen Profi um einen bis anderthalb Schläge pro Runde besser macht. Scott gewann vor einem Jahr das Masters und stand vor kurzem mehrere Wochen auf Platz eins der Weltrangliste.