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"Googeln" auf der Festplatte

Festplatten werden immer größer und damit sinkt auch die Chance, etwa die Steuererklärung des Vorjahres schnell wieder zu finden. Abhilfe wollen Google und Co mit Suchmaschinen für den Heim-PC schaffen, doch dahinter stecken handfeste Motive.

Von Detlev Karg |
    Und ewig grüßt die Sanduhr! Diesen Film kennt jeder, der sich mit bordeigenen Mitteln, zumeist also dem Windows-Explorer, auf die Suche nach einer Datei auf seinem Computer macht. Die Betreiber von Portalen und Suchmaschinen haben das Problem erkannt und überbieten sich nun darin, Programme mit schlauer Suchtechnik für daheim anzubieten. Das ist auch höchste Zeit, denn das eigentliche Ärgernis für die Anwender liegt darin, dass Dateien seit über einem Jahrzehnt im Internet einfacher zu finden sind als auf der häuslichen Festplatte. Die Idee dahinter ist klar: Die Portale wollen näher an den Endkunden. Der aber ist fest in der Hand von Microsoft. Der Softwareanbieter schickt darum seinen Portaldienst MSN mit der Toolbar in das Rennen. Auch Apple bleibt nicht untätig und wird im Nachfolger von Mac OS X, Tiger, eine umfassende Desktop-Suche integrieren.

    "Das Problem ist ja, dass viele User auf ihren Rechnern sehr viele Daten haben. Sie haben Winword-Dokumente, Excel-Tabellen drauf, sie haben pdf-Dateien, und wenn sie irgend etwas suchen, dann finden sie das in der Regel ohne weiteres nicht mehr. Und so eine Suchmaschine guckt dann eben in die Dateien hinein, dekodiert das praktisch und kann dann dem Benutzer die Dateien zur Verfügung stellen, in denen bestimmte Begriffe auftauchen."

    ...sagt Frank Felzmann, Referatsleiter und Sicherheitsexperte im Bonner Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Zeit für einen ersten Test also. Bereits in der jetzigen Betaphase zeigen die Programme ihre Stärken, Schwächen und Eigenheiten. Sie arbeiten im Prinzip ähnlich: Bei der Erstinstallation wird ein Index aller Dateien auf dem PC angelegt. Das dauert je nach Zahl der Dateien auf dem PC gut eine Stunde. Dann kann es losgehen mit dem Forschen auf dem eigenen Rechner. Während Google sich derzeit auf sehr wenige Formate wie Outlook-Mails, Word, AOL Instant Messenger, Excel, Internet Explorer und PowerPoint beschränkt, suchen MSN Toolbar, Yahoo Desktop Search und Co. nach allen möglichen Dateiformaten, über 200 insgesamt.

    Stichprobe: Schon die erste Suche mit Google bringt Pikantes an den Tag: Aus dem Browsercache fischt das Programm an erster Stelle meinen aktuellen Kontostand, der eigentlich nur mit meiner PIN-Nummer sichtbar wäre. Kein beruhigendes Resultat an PCs, die sich mehrere Benutzer teilen. Gleich danach folgen etliche Mails aus Webmailprogrammen. Auch die wären sonst ja nur mit meinem Passwort zu lesen. Andererseits findet Google via Volltextsuche meinen Namen nur in der Hälfte der Dateien, die MSN Toolbar ausspuckt. Hier macht sich die größere Suchbreite bei MSN positiv bemerkbar. Dafür nervt die MSN Toolbar mit ihren dauernden Versuchen, ins Netz gehen zu wollen, wie meine Firewall meldet. Google ist da ruhiger veranlagt und hat in der gewohnten weißen Google-Maske im Browser lediglich den Link "Desktop" eingerückt.

    Beeindruckend ist die Schnelligkeit aller Helferlein: Ganze zwei Sekunden dauert es, bis ein Resultat, auch mit Volltextsuche, auf dem Schirm erscheint. Der erste Eindruck zeigt: So praktisch die Desktop-Suche im Einzelfall ist, hat sie auch ihre Tücken. Diese liegen vor allem in dem Index begründet, den jedes Suchwerkzeug erstellt – genauso wie die großen Brüder im Netz. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) warnt denn auch, durch die schlauen Helferlein gebe es neue Gefahren auf Computern, die von mehreren Anwendern genutzt werden.

    "Über die Desktop-Suche kann ich möglicherweise auf Cache-Daten von anderen Benutzern zugreifen, wenn diese nicht mit alleinigen Rechten eingerichtet wurden, obwohl diese Caches sonst getrennt sind."

    Im Zweifelsfall könnten so Passwörter eines anderen gelesen und dessen besuchte Seiten im Netz angezeigt werden. Deshalb der klare Rat des BSI an Unternehmen, den Einsatz von Desktopsuchtools der Mitarbeiter tunlichst zu untersagen. Und:

    Außerdem werden Hacker die bekannten Schwächen von Browsern aufs Neue ausnutzen."

    ...warnt Felzmann. Denkbar ist dann durchaus, dass der Index eines privaten PCs via Mail-Wurm in alle Welt versendet wird, ohne dass der Betreffende dies merkt. Das BSI rät darum: Offline suchen. Virenscanner und Firewall sollten heute ohnehin selbstverständlich sein, um sich zu schützen. Und damit kommen wir zur Frage: Sammeln die Hersteller Daten? Denn die Desktopsuche funktioniert ja online und offline. MSN Deutschland etwa teilt auf Anfrage des Deutschlandfunks mit, dass keine personenbezogenen Daten gesammelt werden, wohl aber würden die Suchbegriffe analysiert. Hier schließt sich der Kreis: Die Suchmaschinen für den PC überschwemmen heute den Markt, weil sich mit Werbung im Netz Geld verdienen lässt.

    Die Geschäftsidee: Wer auf seinem PC eine bestimmte Suchmaschine einsetzt, nutzt die gleiche auch für das Internet. Dort aber blüht das Geschäft mit den so genannten "Sponsored Links", die neben den eigentlichen Suchergebnissen erscheinen. Wie das Marktforschungsinstitut Jupiter Research berichtet, erwirtschaften alle Portalbetreiber zusammen 2,1 Milliarden US-Dollar pro Jahr mit diesen bezahlten Links. Den Kampf darum haben Microsoft, Google und Konsorten jetzt auf dem Desktop eröffnet. Dass die PC-Besitzer zu Hause nun alles schnell finden, ist dabei ein angenehmer Nebeneffekt.