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Google als Machtfaktor

Mit der zunehmenden Digitalisierung von Texten, Bildern, Filmen ist alles Suche, und Suche wird zu allem. Die Verschmelzung von Daten, Telefonie und Diensten im Internet beflügelt den rasanten Aufstieg von Google – gegründet von den beiden Informatikdoktoranden der Stanford University, Sergey Brin und Larry Page. Ihr Aufstieg liest sich so:

Von Gunnar Sohn |
    "Google ist noch nicht einmal sieben Jahre alt, und seine Gründer sind Anfang dreißig. Es mag ein junges Unternehmen sein, doch es ist für Web 2.0 ‚das Huhn, das goldene Eier legt’ und mit einem Börsenwert von über 130 Milliarden Dollar wertvoller als Disney, General Motors, Ford, Amazon.com, die New York Times, die Washington Post und das Wall Street Journal zusammen. Es macht fast seinen gesamten Gewinn mit Anzeigen, die neben den Suchergebnissen gezeigt werden".

    Selbst Regierungschefs wie Chirac erkennen mittlerweile die globale Herausforderung von Google. Der französische Staatspräsident startete im vergangenen Frühjahr das Projekt Quaero, um die erste "wahre multimediale Suchmaschine" in Europa auf die Beine zu stellen. Quaero soll nicht nur Texte, sondern auch Musik oder Bilder finden. Die Suchergebnisse sollen auf Computern, Mobiltelefonen und Fernsehen in mehreren Sprachen angezeigt werden können. In den Internetforen und Branchenkreisen wird das Projekt allerdings skeptisch gesehen, denn bei Google arbeiten mehrere tausend Softwareentwickler an der stetigen Verbesserung der Suchmaschine. Den Vorsprung von Google werde das staatlich geförderte Projekt wohl nicht einholen. Die Gründe für die Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens liefern Vise und Malseed in ihrem Buch. Dort heißt es:

    "Der wichtigste technologische Vorteil, durch den sich Google von potenziellen Konkurrenten abhebt, besteht darin, dass seine Angestellten sämtliche Personalcomputer, welche das Unternehmen für seine Suchaktionen benutzt, nach Maß zusammensetzen. Dies könnte das Geheimnis von Google sein. Experten betrachten Personalcomputer im Allgemeinen als Bedarfsartikel, vergleichbar mit Toastern, doch Google montiert über 100.000 billige PCs, setzt sie ein und verbessert dauernd ihre Perfomance. Es baut die Geräte, stapelt sie auf kühlschrankgroßen Regalen übereinander und verknüpft sie mit patentierter Software und Kabeln. Keine Gesellschaft verfügt über eine größere Rechenleistung als Google mit seinem Netzwerk gewöhnlicher, doch aufgemotzter PCs. In einem Zeitalter der hoch spezialisierten Arbeit montiert Google jeden PC seines mächtigen Netzwerks in sicheren Anlagen, die kein Außenseiter betreten darf, einschließlich der Besucher des Googleplex, die glauben, alles gesehen zu haben. Der schiere Umfang der Rechenoperationen von Google sorgt dafür, dass dieses Vorgehen kostengünstiger und qualitativ hochwertiger ist als der Kauf maßgefertigter Computer bei einem anderen Hersteller. Die maßgeschneiderten PCs arbeiten zusammen und führen Suchaktionen rasch durch, indem sie Anfragen in winzige Komponenten zerlegen. Diese Teile werden gleichzeitig verarbeitet, indem man sie mit im Voraus indizierten und aufbereiteten Kopien des Internet vergleicht".

    Der Düsseldorfer Internetexperte Bernhard Steimel, Sprecher der Brancheninitiative Voice Business, bestätigt diese Einschätzung. Das europäische Projekt Quaero plane Projekte, die sich die Entwicklerteams bei Google schon längst auf die Fahnen geschrieben hätten. Schon in naher Zukunft werde sich die ursprüngliche Suche im Web über den PC auf alle anderen Produkte ausbreiten. Ein entscheidender Baustein sei die von Google vorangetriebene Spracherkennung, die Webinhalte für das Telefon nutzbar mache. Steimel:

    "Internet-Suchdienste werden von Millionen Menschen genutzt und bieten sich daher besonders dafür an, in Sprache abgebildet zu werden".

    Heraus komme eine Art persönlicher "Info- und Kommunikationsmanager", der alle Google-Dienste zu einer sprachgesteuerten Info- und Kontaktbasis verschmilzt. Ein solcher Dienst wäre von jedem Handy mobil zu nutzen, wenn alle Funktionen für Sprachausgabe und -erkennung ebenso ausgelegt wären wie für die Nutzung mit grafischem Interface. Millionen Kunden hätten dann auf mobilen Endgeräten mit IP-Telefonie und Datenanbindung die Welt in der Tasche: Sie könnten telefonisch ihre gesamte E-Mail-Korrespondenz führen, Kontakte und Termine pflegen und das Web in Text, Ton und Video durchsuchen. Das europäische Projekt sei nach Ansicht von Steimel eine Totgeburt. Aber nicht nur staatliche Prestigeprojekte werden sich an der Experimentierfreudigkeit von Google die Zähne ausbeißen, sondern auch die Giganten der Informationstechnologie und Telekommunikation. Dazu schreiben Vise und Malseed:

    "Im Januar hat Google, um Microsoft eins auszuwischen, ein neues Softwarepaket auf den Markt gebracht, das innerhalb und außerhalb Deutschlands kostenlos heruntergeladen werden kann. Es enthält unter dem Namen ‚GooglePack’ eine Reihe beliebter Anwendungen, darunter Google Earth, Google Desktopsuche, Mozilla Firefox, um im Web zu surfen, Anti-Spyware- und Antivirus-Programme, die neueste Version von Adobe, um PDF-Files zu lesen, ein Bildschirmschoner-Kit, einen Google Updater, der automatisch neue Versionen und Upgrades bereitstellt und eine Google-Toolbar, die mit dem Internet Explorer zu benutzen ist. Das GooglePack ist ungeachtet der heftigen Konkurrenz zu Microsoft so gestaltet, dass es unter Windows läuft. Es wurde von Google als ein Download konzipiert, das alle Komponenten auf einen Rutsch installiert, weil die Gründer Sergey Brin und Larry Page selber frustriert darüber waren, welcher Zeitaufwand und welche Schwierigkeiten mit dem Herunterladen von Software auf neue Computer verbunden waren. Vorbei ist die Ära des Personalcomputers, in der Microsoft und andere Software-Hersteller an neuen Programmen ansehnlich verdient hatten. Jetzt beginnt das Zeitalter des Internets, wo man, wie Google beweist, der Konkurrenz voraus ist, wenn man Software entwickelt und bündelt, die nichts kostet, die funktioniert und die im Handumdrehen heruntergeladen werden kann. Ein solches Gratisangebot ist kaum zu schlagen, erst recht, wenn es auch noch Google-Qualität hat".

    Und genau das mache die Branchenriesen nervös. Experten rechnen mit weiteren Erdbeben, und das Epizentrum liege fast immer am Google-Firmensitz in Mountain View. So überziehe Google zur Zeit die gesamten Vereinigten Staaten mit einem WiMax-Funknetz und bietet kostenlose Telefondienste an. Auch hier refinanziere sich das Unternehmen durch Werbung. In San Francisco sei es bereits jetzt möglich, über GoogleTalk zu telefonieren ohne einen Dollar dafür zu zahlen. Für die klassischen Telefongesellschaften könne die Luft sehr dünn werden. Es sei abzusehen, dass sie künftig weder mit Minutenpreisen noch mit Anschlussgebühren Geld verdienen können. Durch Services wie GoogleTalk werden die Erwartungen der Nutzer grundlegend neu geprägt. Kostenloses Telefonieren wird zu einer Selbstverständlichkeit. Die College-Boys werden sich nach Ansicht von Vise und Malseed von Großkonzernen oder staatlichen Initiativen nicht so schnell in die Knie zwingen lassen. Denn ihre Philosophie, die in den maximal drei bis fünf Mitarbeitern umfassenden Entwicklungsteams von Google gelebt werde, sei fast unschlagbar. Und das ist in der Tat eine gesunde Missachtung für das Unmögliche.

    Das war eine Rezension von Gunnar Sohn zum Buch der beiden Journalisten David Vise und Mark Malseed, Die Google Story, erschienen im Murmann-Verlag in Hamburg, es hat 330 Seiten und kostet 19 Euro 90.