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Google Classroom & Co.
Virtuelles Klassenzimmer ohne Ministeriumsstempel

"Classroom" gibt es nun auch auf dem deutschen Markt: Google setzt damit voll auf den Trend des digitalen Lernens. Nicht geeignet für den Schuleinsatz, lautet allerdings das Urteil einiger Ministerien - der Grund dafür ist eine altbekannte Befürchtung.

Von Kai Rüsberg | 05.09.2014
    Das Google-Logo ist durch ein Brillenglas auf einem Bildschirm zu sehen.
    Google startet gerade mit seinem virtuellen Klassenzimmer in Deutschland. (dpa / Martin Gerten)
    Mit Einspielfilmen auf Englisch und eigenen Internetseiten auf Deutsch wirbt Google für sein neues Produkt Classroom. Bildungseinrichtungen können im Internet eine virtuelle Lern- und Arbeitsplattform mit wenigen Clicks eröffnen. Zur Verfügung stehen Cloudspeicherdienste, Anwendungsprogramme wie die Textverarbeitung Docs und Email aus dem Google-Baukasten. Lehrer bekommen damit die Möglichkeit, Arbeitsmaterialien zentral für die angemeldeten Schüler abzulegen und diese können ihre ausgefüllten Bögen oder Aufsätze im Web jederzeit abgeben, erklärt Richard Heinen, Bildungsexperte an der Uni Duisburg-Essen:
    "Was die bieten, ist eine Umgebung, in der ich meinen Klassenraum abbilden kann. Ich kann als Lehrer meine Materialien dort ablegen und Schüler können ihre Ergebnisse wieder an mich zurückspielen. Das sind Systeme, die aber auch in Deutschland schon etabliert sind."
    Open-Source-Projekt Moodle als Alternative
    In Deutschland wird schon oft das Open-Source-Projekt Moodle an Schulen und Universitäten eingesetzt, wofür aber immer eigenes Personal notwendig ist, dass sich um Probleme mit Servern oder Hilfe für die Anwender kümmern muss. Google bietet nun alles aus einer Hand, integriert mit anderen Webangeboten wie YouTube-Videos, Landkarten und Kalendern. Zudem kümmert sich der Konzern darum, dass die Software auf allen Geräten auch problemlos läuft. Denn Online-Lernpakete können nicht genutzt werden, ohne dass künftig auch private Geräte wie Smartphones oder Tablets in der Schule zugelassen werden.
    "OK, damit können die Schüler zu Hause die Materialien bearbeiten. Aber wenn ich das in der Schule machen möchte, dann fehlt mir die Ausstattung im Klassenzimmer."
    Über strikte Handyverbote muss an Schulen, die sich dem digitalen Lernen öffnen wollen, neu nachgedacht werden. Ob allerdings Bildungsangebote der großen Internetkonzerne die richtige Wahl sind, bezweifelt Bildungsforscher Richard Heinen:
    "Die machen das ja nicht, um die Schulen zu beglücken, sondern die wollen Kunden bekommen."
    Verschiedene Bildungsministerien sind skeptisch
    Der Trend zu digitalen Lernplattformen wie Google Classroom wird auch in den Bildungsministerien wahrgenommen. Doch gerade gegenüber Systemen, die ihren Sitz im Ausland haben, demonstriert Ludwig Hecke, Staatssekretär im NRW Schulministerium, eine deutliche Zurückhaltung:
    "Insofern können wir als Ministerium den Einsatz entsprechender Lernplattformen nicht empfehlen, internationale Anbieter als Träger von einer Lernplattform zu nehmen. Aber das heißt nicht, dass wir das den Schulen verbieten, wenn sie sich anders entscheiden."
    Das bayerische Kultusministerium ist noch deutlicher und schreibt in einer Stellungnahme: Vom Einsatz beziehungsweise Weiterbetrieb von Lernplattformen, bei denen personenbezogene Daten auf einem Server außerhalb der Europäischen Union gespeichert werden, wird seitens des Staatsministeriums dringend abgeraten. In NRW gilt: Am Ende sind die Schulleiter verantwortlich, sagt Staatssekretär Hecke.
    "In NRW ist die Situation, dass die Schulen in eigener Verantwortung entscheiden. Die Schulleiter haben Sorge zu tragen, dass der Datenschutz eingehalten wird."
    Google war für den Deutschlandfunk trotz dreifacher Anfrage an die Pressestelle nicht für Nachfragen zu erreichen. Bei Google muss jede Schule eigenständig einen Vertrag nach irischem Recht und mit englischen Vertragsbedingungen schließen. Alles läuft per Internet.