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Google für Wissenschaftler

Als die Internet-Suchmaschine Google ihren speziellen Dienst für Wissenschaftler, "Google Scholar", im November 2004 vorstellte, war die Begeisterung bei Wissenschaftlern und Forschern groß. Doch eine Studie, die "Google Scholar" jetzt erstmals getestet und mit anderen wissenschaftlichen Datenbanken verglichen hat, kommt insgesamt zu keinem zufrieden stellenden Ergebnis.

Von Antje Allroggen | 10.08.2005
    Anne-Kathrin Walter ist Diplominformatikerin. Derzeit arbeitet sie für das Bonner Informationszentrum Sozialwissenschaften mit an einem Drittmittelprojekt, das wissenschaftliche Datenbanken auf ihren Informationsgehalt hin untersucht:

    " "Google Scholar" - zu finden unter scholar.google.com. So, die Eingangsmaske von Google kennt man ja schon, ist wie bei google.de, dann haben wir bei der "advanced scholar search" dieses Feld genutzt: "Return articles published in". Da kann man Zeitschriftennamen eingeben und erhält dann eine Trefferliste."

    Von "Google Scholar" wollte die Forschungsgruppe wissen, ob der neue Suchdienst mit der Qualität bereits bestehender Datenbanken und Bibliothekskatalogen zu vergleichen ist. Bisher gibt es keine einzige Studie über die Qualität der neuen Google-Suchmaschine. Gleich zu Beginn der Untersuchung gab es allerdings Probleme. Denn "Google Scholar" war nicht bereit, den Bonner Wissenschaftlern Informationsmaterial zur Verfügung zu stellen:

    " Google hält sich da sehr bedeckt. Es ist nicht so, dass man auf die Website gehen kann und nachlesen kann, welche Inhalte in "Google Scholar" drin sind, es gibt da nur sehr wenig Information. Und so kam es, dass wir untersuchen wollten, was eben in "Google Scholar" drin ist. "

    Weil es keine offiziellen Angaben darüber gibt, nach welchen Suchkriterien "Google Scholar" arbeitet, konnten die Bonner Informatiker die neue Suchmaschine nur stichprobenhaft nach Inhalt und Recherchequalität hin untersuchen. Als Vergleichsmaß dienten dabei drei unterschiedliche Fachdatenbanken: eine internationale aus dem naturwissenschaftlich-technischen Bereich, eine Liste, die Wissenschaftlern Auskunft über deutsche sozialwissenschaftliche Texte gibt sowie ein internationales Verzeichnis, das frei zugängliche elektronische Zeitschriften katalogisiert. Ein Beispiel: Ein sozialwissenschaftlicher Begriff wird zuerst bei "Google Scholar", dann in der SOLIS-Fachdatenbank für Sozialwissenschaftler gesucht.

    " Und zwar haben wir einen sozialwissenschaftlichen Begriff Anarchosyndikalismus genommen und gesucht. Und es gibt fünf Treffer. Und davon sind zwei, die vielleicht relevant wären, nur Zitationen. Das heißt, sie bringen einen Suchenden nicht weiter, und drei Nachweise, die man verfolgen könnte."

    " Jetzt können wir mal im Vergleich dazu unsere Datenbank SOLIS anschauen. Da kommt man über www.infoconnex.de hin. Und Anarchosyndikalismus ist bei uns ein Schlagwort. Dann kann man danach suchen, und dieses Schlagwort ergibt 37 Treffer in unserer Datenbank."

    Alle Vergleiche von "Google Scholar" mit anderen Datenbanken brachten ein Ergebnis: Die kommerzielle Suchmaschine liefert dem Nutzer in der Regel zwar viele Treffer, doch häufig erhält er nicht mehr als bloße Zitationen. Das heißt: Der Suchende bekommt nur grobe Angaben zu Titel, Autor und Erscheinungsjahr geliefert - weiterführende Links sind selten und kostenpflichtig. So genannte Abstracts - Artikel, die den Inhalt der jeweiligen Quelle zusammenfassen - sucht man bei "Google Scholar" in der Regel vergeblich. Auch das Ranking, also die Auflistung der gefundenen Treffer nach Relevanz, scheint bei "Google Scholar" eher willkürlich, als wissenschaftlich fundiert zu sein. So erhielten die Bonner Wissenschaftler bei der Suche nach einem medizinischen Begriff in der Zeitschrift "nature" als ersten Treffer einen Aufsatz aus dem Jahr 1970.

    " Daher liegt die Vermutung nahe, dass "Google Scholar" das Ranking hauptsächlich nach diesen Zitationen ausrichtet."

    Das heißt: Was von wem auch immer am häufigsten zitiert wird, erscheint Google am wichtigsten. Immerhin schnitt die Suchmaschine beim Verweis auf elektronische Fachzeitschriften, so genannte Open-Access-Magazine, relativ gut ab, wenngleich hier vor allem kommerzielle Verlage vertreten sind.

    "Google Scholar" sei also höchstens zusätzlich zu anderen wissenschaftlichen Datenbanken zu empfehlen, meint Max Stempfhuber vom Bonner Informationszentrum Sozialwissenschaften, der die Studie betreut hat:

    " Im Moment kann man Studierenden oder auch Wissenschaftlern nicht empfehlen, sich allein auf "Google Scholar" zu verlassen, genauso wenig wie man ihnen empfehlen kann, sich auf Google oder Internetsuchmaschinen zu verlassen."

    " Man kann natürlich gucken, was ist in "Google Scholar" drin, aber man muss sich als Studierender immer klar sein: Im Moment ist die primäre Informationsquelle wirklich die Fachdatenbank, und dann kann man Google sicherlich als additives Element verstehen und sich da noch einige Dinge herausholen."