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Gordischer Knoten

Wir stehen hier im Kuhstall wo die Kühe gerade genüsslich beim Fressen sind, wo sie vom Melken kommen. Auf Gut Kerkow haben wir 140 Milchkühe, insgesamt haben wir 500 Rinder. Wir dürfen eine Quote von 1,34 Mio. kg Milch im Jahr produzieren, das sind gut 4000 Liter Milch am Tag, und dafür halten wir diese 140 Milchkühe, dass jede Kuh eben 10 000 l Milch im Jahr gibt, und momentan produzieren wir 3500 Liter Milch am Tag. Momentan bekommen wir 28 Cent pro Kilo Milch und das entspricht ziemlich genau dem was es mich auch kostet diese Milch zu produzieren.

Theo Geers |
    Wir stehen hier im Kuhstall wo die Kühe gerade genüsslich beim Fressen sind, wo sie vom Melken kommen. Auf Gut Kerkow haben wir 140 Milchkühe, insgesamt haben wir 500 Rinder. Wir dürfen eine Quote von 1,34 Mio. kg Milch im Jahr produzieren, das sind gut 4000 Liter Milch am Tag, und dafür halten wir diese 140 Milchkühe, dass jede Kuh eben 10 000 l Milch im Jahr gibt, und momentan produzieren wir 3500 Liter Milch am Tag. Momentan bekommen wir 28 Cent pro Kilo Milch und das entspricht ziemlich genau dem was es mich auch kostet diese Milch zu produzieren.

    Manchmal blickt Johannes Niedeggen skeptisch in die Zukunft. Vor 10 Jahren hat er das Gut Kerkow in der Uckermark, einem Landstrich im Nordosten Brandenburgs, übernommen. Doch von der Milch allein könnte er Gut Kerkow mit seinen Stallungen und dem modernen Maschinenpark kaum halten. Deshalb hat sich Johannes Niedeggen längst weitere Einkommensquellen erschlossen: Zuchtvieh zum Beispiel. Allein in diesem Jahr hat er 15 Färsen, also junge Kühe, an andere Milcherzeuger verkauft, die dafür gutes Geld gezahlt haben. Hinzu kommt der Hofladen, in dem Johannes Niedeggen vor allem das Fleisch seiner Angus-Rinder verkauft. Die saftigen Steaks können aber auch in der urigen Speicherstube im ersten Stock verzehrt werden, und wem es auf Gut Kerkow dann immer noch gefällt, der braucht nur quer über den Hof zur weißen Gutsvilla zu schlendern: Perfekt renovierte Ferienwohnungen verlocken zum Urlaub auf dem Bauernhof. Wer will, der kann dabei gleich die Geburt eines Kälbchens miterleben - die Geburtstermine werden gerne im voraus mitgeteilt.

    Doch jede Geburt eines Kalbes weckt bei Johannes Niedeggen auch gemischte Gefühle - zur Zeit zumindest. Denn Johannes Niedeggen muss sich wie jeder andere konventionell wirtschaftende Landwirt an den Rahmenbedingungen orientieren, welche die EU-Agrarpolitik setzt. Und genau dieser für den Nicht-Landwirt kaum zu durchschauende Dschungel aus Prämien und Ausgleichszahlungen für Weizen, Mais oder Raps, aus Tierprämien für Mutterkühe, Bullen und Ochsen, aus Milchquoten, Interventionspreisen und Exportbeihilfen - dieser Dschungel soll durchforstet werden.

    Dieses komplizierte Regelwerk der EU-Agrarpolitik, mit dem Johannes Niedeggen täglich kämpft, beschäftigt ab Mittwoch auch die EU-Agrarminister. Dann treffen sie sich in Luxemburg, um zum dritten Mal nach 1992 und 1999 die gemeinsame Agrarpolitik zu reformieren.

    Es wird auf jeden Fall ein hartes Ringen: nördliche wie südliche Mitgliedsstaaten stehen sich ebenso gegenüber wie Nettozahler und Nettoempfänger, und natürlich gibt es auch unter den Ministern reformfreudige und reformunwillige Kantonisten. Und mittendrin: Franz Fischler, der zuständige EU-Agrarkommissar. Er umreißt das Ziel dieser Reform so:

    Wir wollen unter keinen Umständen neue Überschussberge entstehen lassen. Auch keine Butterberge oder Getreide- oder sonst irgendwelche Berge. Es dürfen keine falschen Produktionsanreize bestehen bleiben: Dieses Konzept, das wir teilweise immer noch haben, dass wir zur Zeit mehr Geld ausgeben, je mehr Rinder gemästet werden, und dann hinterher noch einmal Geld ausgeben, damit die Rinder, die zuviel sind auf unserem Markt, dann irgendwo in der Welt verkauft werden können, das ist kein nachhaltiges System. ()Das muss geändert werden.

    Das sehen Europas Verbraucher - übrigens auch aus dem Blickwinkel des Steuerzahlers - genau so:

    Bse und Mks...

    ... Dioxin im Hähnchenfleisch...

    ... Nitrofen im Ökogetreide...

    ... Massentierhaltung und Gülleprobleme in Südoldenburg...

    ... Höfesterben auf den Almen ...

    ... Landflucht in Zentralfrankreich...

    ....zusammengebrochene Märkte für landwirtschaftliche Erzeugnisse in den Entwicklungsländern, weil die EU ihre Überschüsse mit Exportsubventionen auf den Weltmarkt drückt ...

    .... angesichts dieser Negativschlagzeilen gewinnt eine aus Sicht der Agrarlobby ketzerische Frage immer mehr Anhänger: Sind die knapp 45 Mrd. € an Steuergeldern bei Europas Bauern überhaupt noch gut angelegt oder könnte man das Geld auch sinnvoller oder zweckgebundener einsetzen? Dies sorgt - erst recht in Zeiten leerer Kassen - für Reformdruck, vor allem auf die klassische Agrarpolitik.

    Mit "klassisch" ist die sogenannte 1. Säule der Agrarpolitik gemeint, also alle Subventionen, die im Rahmen der Marktordnungen an Getreide- oder Zuckerrübenbauern, an Olivenölerzeuger, Winzer oder Bullenmäster gezahlt werden. Sie alle müssen diese Prämien regelmäßig beantragen und bekommen diese sogenannten Direktzahlungen später von Vater Staat zusätzlich zu dem Verkaufserlös, den der Landhandel etwa für den Weizen oder der Schlachthof für den Bullen zahlt.

    Neben dieser klassischen 1. Säule gibt es noch die sogenannte 2. Säule der Agrarpolitik. Sie umfasst alle Ausgaben sind zur Entwicklung der ländlichen Räume. In diesem Jahr stehen dafür 4,6 Mrd. € zur Verfügung. Damit werden zum Beispiel Betriebsgründungen durch Junglandwirte gefördert, aber auch Aufforstungen oder die Direktvermarktung ab Hof. Zusammen mit den Ausgaben für die klassischen Agrarsubventionen verschlingt die EU-Agrarpolitik so knapp 45 Mrd. € im Jahr.

    Reformdruck auf die Agrarpolitik üben aber nicht nur ihre enormen Kosten und ihre teils zweifelhaften Nebenwirkungen hervor: Der EU und ihren Agrarpolitikern sitzt die Welthandelsorganisation WTO im Nacken. Unter ihrem Dach läuft derzeit eine neue Verhandlungsrunde zur Liberalisierung des Welthandels. An einem weiteren Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen haben die exportabhängigen Industrienationen Europas naturgemäß ein überragendes Interesse. Derartige Erleichterungen kann und wird es aber nur geben, wenn es im Gegenzug auch neue Regeln für den weltweiten Handel mit Agrarprodukten gibt.

    Hier aber steht die EU mit dem Rücken an der Wand. Nutzt sie doch bisher weidlich alle Möglichkeiten aus, ihre Agrarüberschüsse auf den Weltmarkt zu drücken. Liegen die Preise in der EU über denen des Weltmarktes, dann geht das nur, wenn europäische Agrarprodukte mit Hilfe von Exportsubventionen künstlich verbilligt werden. Doch genau diese Ausfuhrsubventionen gehen nciht nur ins Geld, sie sollen in der laufenden WTO-Runde auch abgebaut werden mit dem Ziel, sie allmählich völlig zu beseitigen.

    Will die EU dann jedoch wie bisher den Export als Ventil für ihre latente Überschussproduktion nutzen, denn geht das nur, wenn in der EU die Preise für Agrarprodukte weiter gesenkt werden. Das ist auch diesmal geplant: Bei Milch soll der Interventionspreis, also der Preis, zu dem die EU generell die Produkte aufkauft, die am Markt nicht sofort einen Käufer finden, ab 2004 in fünf Jahresschritten um insgesamt 28 % sinken, bei Getreide noch einmal um 5 %. Dafür erhalten die die Bauern im Gegenzug Preisausgleichszahlungen ähnlich wie schon bei den beiden vorangegangenen Agrarreformen der Jahre 1992 und 1999.

    Doch auch diese interne Stützungsmaßnahmen zugunsten der Landwirte sollen im Rahmen der WTO-Runde deutlich gesenkt werden, weshalb die Union auch hier in der Schusslinie steht.

    Ausgehandelt werden soll dies alles im September auf einem WTO-Treffen im mexikanischen Luxusbadeort Cancun. Und dorthin will Agrarkommissar Franz Fischler nicht mit leeren Händen fahren. Er drängt deshalb mit Macht darauf, in der kommenden Woche die EU-Agrarreform unter Dach und Fach zu bringen:

    Wenn wir nach Cancun gehen und dort entscheiden sollen, zu welchen Bedingungen künftig der Agrarhandel stattfinden soll, und gleichzeitig auch entscheiden sollen, und das haben wir selbst verlangt, ja – die Europäer wollen, dass wir gleichzeitig über besser Labelling-Vorschriften über den Tierschutz und viele andere Nicht-Handelsfragen entschieden wird, dann könne wir zu unseren Gunsten aus diesen Verhandlungen nur mehr herausholen, wenn das zusätzliche Verhandlungskapital, das diese Reform bringen wird, uns jetzt zur Verfügung steht und nicht später. Nach Cancun hilft uns das ganze Verhandlungskapital nichts mehr, denn da ist bereits entschieden.

    Franz Fischler will deshalb die Agrarsubventionen auf eine neue Grundlage stellen. Das Zauberwort seiner Reformvorschläge lautet....

    Entkopplung!

    Damit ist gemeint, die Prämien künftig von der Produktion zu entkoppeln. Bauern sollen danach nicht mehr dafür eine Prämie erhalten, dass sie eine bestimmte Fläche mit Weizen bepflanzt oder dass sie einen Bullen für den Schlachthof gemästet haben. Die Prämien sollen vielmehr unabhängig davon was und wie viel ein Bauer produziert, als Entgelt dafür fließen, dass er die ländliche Kulturlandschaft bewirtschaftet und in Schuss hält, also eine gesellschaftlich erwünschte Leistung erbringt.

    Die Höhe dieser neuen - entkoppelten - Betriebsprämie soll sich dabei an den Direktzahlungen orientieren, die ein Bauer in den Jahren 2000 bis 2002 kassierte, egal ob es sich um Tierprämien etwa für Bullen oder Mutterkühe, um Getreide- oder Flächenstillegungsprämien handelte. Alles käme in einen Topf, würde auf die Zahl der bewirtschafteten Hektar umgelegt und dann in einer Summe ausgezahlt.

    Derartig finanziell abgesichert sollen die Bauern künftig ihre Entscheidungen darüber, was sie anbauen oder wie viele Tiere sie im Stall halten, nicht mehr daran festmachen, ob etwa die Maisprämie höher ist als die für Raps, sondern ausschließlich daran, ob der Mais tatsächlich auch Abnehmer findet, also an der Marktsituation und den Marktpreisen.

    Es geht darum in Zukunft, dass das Prinzip von Leistung und Gegenleistung gelten soll. Der Bauer muss etwas leisten, nämlich er muss sicherstellen, das die Landschaften gepflegt werden, er muss Umweltleistungen erbringen, er muss also viele öffentliche Güter herstellen, die am Markt ihm nicht bezahlt werden. Und als Gegenleistung dafür bekommt er die Förderung und nicht mehr dafür, dass er sich an der Überproduktion beteiligt.

    Das klingt gut, zumal die entkoppelte Betriebsprämie auch den Charme hätte, dass die EU in der WTO-Verhandlungsrunde den Kopf aus der Schlinge ziehen könnte. Denn Agrarsubventionen, die dem Schutz von Natur und Umwelt oder der Entwicklung ländlicher Räume dienen, sind auch jetzt schon innerhalb der WTO ausdrücklich erlaubt.

    Trotzdem lehnen sowohl die meisten europäischen Bauern als auch die meisten Agrarminister diese totale Entkopplung von Prämien und Produktion ab. Nur Großbritannien, die Niederlanden, Schweden und Dänemark unterstützen diese Pläne. Auf der anderen Seite stehen jedoch mit Frankreich, Spanien und Irland drei der Hauptprofiteure der bisherigen Agrarförderung. Ähnlich ablehnend denken auch die Agrarminister aus Belgien, Porutgal, Griechenland, Österreich oder Finnland. Und so weiß sich auch der Präsident des deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, in bester Gesellschaft:

    Wir lehnen mit den meisten Regierungen und Bauernverbänden in Europa diese totale Entkopplung ab. Dies würde in der Praxis bedeuten, dass aufgrund von historischen Zahlungen diese Zahlungen weiter fließen an Bauernfamilien, ohne Verpflichtungen, das sie dies, was sie vorher produziert haben und wofür sie Ausgleichszahlungen erhalten, das sie diese Produktion weiter führen. Dies hätte zwei negative Aspekte: zum einen in die LW hinein, weil damit das bestehende Prämiensystem zementiert würde, auf der anderen Seite Betriebe, die jetzt Prämien haben, in Bereiche einsteigen, wo sich andere ohne Prämien und Ausgleichszahlungen einen Markt aufgebaut haben, Kapital investiert haben, und jetzt könnte der andere Bauer unfair Konkurrenz machen.

    Mit anderen Worten: Ein Bullenmäster könnte seine Bullen abschaffen und auf Schweinemast umsatteln und hätte dabei den Vorteil, die entkoppelte Betriebsprämie weiter zu kassieren, während der Schweinemäster ohne dieses Finanzpolster leben und überleben müsste. Doch Franz Fischler lässt sich davon nicht beirren:

    Sie dürfen nicht vergessen, der muss erst mal investieren, er kann ja nicht in den Rinderstall Schweine stellen, das geht ja alles gar nicht. Ich halte diese ganzen Befürchtungen für weit überzogen. In der Praxis wird sich das so nicht abspielen.

    Auch den zweiten Einwand - die Bauern würden aufgrund der Entkopplung im Extremfall fürs Nichts-Tun bezahlt - lässt Franz Fischler nicht gelten. Der EU-Agrarkommissar verweist auf die von ihm geplante engere Verknüpfung der Direktzahlungen mit Bewirtschaftungs- und Umweltauflagen, im EU-Fach-Chinesisch "cross-compliance" genannt:

    Darunter kann sich niemand was vorstellen, aber sehr leicht kann sich jemand was darunter vorstellen, dass wenn ein Bauer das Grundwasser verunreinigt, dass wir aufhören sollten, ihn dafür mit Förderungen zu belohnen, sondern genau das Gegenteil muss passieren: nämlich jeder muss darauf achten, das so etwas nicht passiert, nur dann bekommt er das Geld, und das wird auch kontrolliert.

    Kontrolliert werden soll vor allem, ob ein Bauer insgesamt 38 EU-Vorschriften beachtet - die Nitratrichtlinie, in Deutschland als Gülleverordnung umgesetzt, die Richtlinien zur Bekämpfung von BSE, für Tiertransporte, für das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln usw. usw.

    Das wiederum reicht einer anderen Kritikergemeinde der EU-Agrarpolitik nicht. Im Prinzip richtig, aber in der konkreten Umsetzung zu schwach - so kritisiert beispielsweise Lutz Ribbe von der Umwelt-Stiftung Euronatur dieses Prinzip der Cross-Compliance:

    Wir sagen: Es kann doch wohl nicht angehen, dass die Einhaltung von Gesetzen quasi schon den öffentlichen Geldmitteltransfer rechtfertigt. Ich krieg ja auch kein Geld , wenn ich an ner roten Ampel anhalte oder ne Steuererleichterung, weil ich die Oma über den Zebrastreifen lasse. Wir sagen, es muss ein Stück darüber hinaus gehen () und das ist viel zu wenig ausgeprägt an den Fischler-Vorschlägen.

    Bemängelt wird auch, dass mit der entkoppelten Betriebsprämie die heutigen Ungerechtigkeiten bei der Auszahlung der Prämien zementiert werden.

    Es ist traditionell so, dass in der EU Grünland nie eine Lobby hatte und nie gefördert wurde. Das bringt die Schizophrenie mit sich, dass ein Landwirt in Bayern - wenn er auf nem Hektar Fläche Mais anbaut, 460 € bekommt, wenn er daneben einen Hektar Grünland hat, bekommt er gar nichts. d.j. der Anreiz, wegzugehen vom Grünland, was ökologisch sehr wertvoll ist, hin zu Produkten, die sich betriebswirtschaftlich zwar besser rechnen, auch durch die Subventionen, die aber ökologisch abträglicher sind, diese Anreiz ist immer noch gegeben. Dieser Anreiz muss genommen werden.

    In diese Richtung denkt auch Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast.

    Dass man Entkopplung macht von Prämien und Produktion macht ist ein ganz entscheidender Punkt. Nur: Ich will mehr! Ich will nicht nur den Stop und wir entkoppeln, sondern ich will auch die Unterstützung von extensiver Landwirtschaft. Ich glaube, dass man da ein anders Ausgleichssystem schaffen muss.

    Umweltpolitisch wäre das wünschenswert.

    Der Vorschlag hat nur einen Haken: Renate Künasts Vorschlag bedeutet Umverteilung. Verlierer wären in jedem Fall die intensiv wirtschaftenden Betriebe, die jetzt beispielsweise vergleichsweise hoch bezuschussten Mais anbauen, der dann als Silage in der Bullenmast verwendet wird. Gewinner wären die Landwirte, die zum auf extensiven Grünlandstandorten Milchvieh halten.

    Derartiges geht, auch wenn es von allen Agrarministern der Bundesländer durch die Bank unterstützt wird, dem Bauernverband zu weit. Gerd Sonnleitner:

    Fischler, der redet von Entkopplung, Künast von Umverteilung, und wir Bauern reden davon, wie man den einzelnen Betriebszweigen helfen kann. Mit einer pauschale Umlegung von Prämien dann auf Acker und Grünland, undifferenziert nebulös würden wir den Bedürfnissen der Milchbauern nicht gerecht werden.

    Also ist die Forderung des Bauernverbandes leicht nach zu vollziehen:

    Zustimmen, wenn auch zähneknirschend, würde man der geplanten Entkopplung der bisherigen Direktzahlungen bei Getreide. Vorausgesetzt, die alte Prämienhöhe bliebe gewahrt.

    Die Milcherzeuger hingegen sollen nicht durch eine aus Sicht des Bauernverbandes nebulöse Grünlandprämie gefördert werden, sondern direkt, in dem der Milchpreis nicht über 5 Jahre um 28 % gesenkt wird, sondern - bei vollen Preisausgleich - über 3 Jahre nur um insgesamt 15 %. So war es 1999 im Rahmen der Agenda 2000 bereits beschlossen worden, und dabei soll es bleiben.

    Tatsächlich würde eine Preissenkung um 28 % die Milchbauern hart treffen. Auf Gut Kerkow in der brandenburgischen Uckermark hat Johannes Niedeggen schon einmal durchgerechnet, was das für ihn bedeuten würde:

    Also für meinen Betrieb, wenn von den 28 Cent noch mal 28 % runter gehen, dann wären wir bei 22 Cent die wir als Preis für die Milch bekommen würden, dann muss man sagen, dann kann ich keine Milch mehr produzieren, dann muss ich die Milchkühe von der warte her abschaffen.

    Dieses Beispiele zeigen, welchen gordischen Knoten die Agrarminister ab Mittwoch durchschlagen müssen:

    Hier die Notwendigkeit, in der EU wichtige Agrarpreise weiter zu senken, um europäische Agrarprodukte auf den Weltmärkten auch zukünftig absetzen zu können...

    dort die Absicht, daraus drohende Einkommensverluste für die einzelnen Bauern so gering wie möglich zu halten...

    ... dies aber durch wie auch immer von der Produktion entkoppelte Direktzahlungen so zu regeln, dass keine Anreize für eine neuerliche Überschussproduktion entstehen...

    ... woanders der Wille, diese Reform zu nutzen, um von der umstrittenen intensiven Landwirtschaft wegzukommen und umweltfreundliche extensive Wirtschaftsformen wie beim Grünland stärker zu fördern ...

    und über allem der von der WTO ausgehende Zwang, die europäischen Agrarsubventionen endlich so zu reformieren, dass sie weiteren Erleichterungen beim Welthandel auch mit den für Europa ungleich wichtigeren Industrieprodukten nicht mehr länger im Wege stehen.

    Doch diese großen Linien, an denen sich die Agrarreform orientieren muss, könnten ab Mittwoch leicht in den Hintergrund treten. Es wird ein großes Feilschen geben, um Prozentsätze bei Preissenkungen und Milchquoten, um Zeiträume, über die die Reformen gestreckt und damit erträglicher gemacht werden können, um viele viele Euros, die bei der einen Lösung eher den südlichen und bei einer anderen eher den nördlichen EU-Staaten zufließen würden. Und es wird um Tauschgeschäfte gehen nach dem Motto "stimmst Du dem Ausstieg aus der Roggen-Intervention zu, dann lasse ich mit mir über die Kürzung der Prämie für Hartweizen reden". Kurzum: Die Konfliktlinien verlaufen kreuz und quer durch alle EU-Staaten, weshalb auch ein Scheitern der Verhandlungen nicht völlig auszuschließen ist.