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Gordon Brown im Stimmungshoch

Nach britischem Recht müsste Premierminister Gordon Brown erst Anfang 2010 eine Parlamentswahl anberaumen. Er kann aber auch jederzeit vorher zu Urne rufen. Am Sonntag begann der erste Labour-Parteitag, an dem Brown als Premierminister und Parteivorsitzender teilnimmt. Eine Neuwahl-Ankündigung ist nicht ausgeschlossen. Martin Zagatta berichtet.

24.09.2007
    Ob und wann er eine vorgezogene Wahl ansetzt, wollten die Reporter schon bei der Ankunft von Gordon Brown in Bournemouth wissen. Fragen, denen der Premierminister zum Auftakt des Parteitages aber beharrlich ausgewichen ist.

    Er konzentriere sich ganz auf seine Arbeit. Und wenn die Zeit für eine Wahl gekommen sei, dann seien die Themen klar, allem voran stabiles Wachstum.

    Mehr wollte sich der Schotte nicht entlocken lassen. Mit der nächsten Unterhauswahl könnte der Regierungschef zwar noch zweieinhalb Jahre warten. Aber Umfragen sehen die Labour-Partei derart deutlich, mindestens sechs Prozentpunkte, vor der konservativen Opposition, dass nun von einer möglichen Wahl sogar schon im Oktober die Rede ist.

    "Wenn sie jetzt wählen lassen, wird Labour locker gewinnen","

    sagt Ben Page voraus.

    ""Gordon Brown wird diese Spekulationen wohl sehr genießen","

    meint der Direktor des Ipsos-Mori-Instituts.

    ""Und Krisen wie die um die Northern-Rock-Bank scheinen nicht nichts ins Gewicht zu fallen."

    Dennoch plant die Regierung, Spareinlagen künftig bis zu einer Höhe von 150.000 Euro umgerechnet absichern zu lassen, gut dreimal soviel wie bisher. Schatzkanzler Alistair Darling, als erster am Rednerpult, hat Anstrengungen versprochen, um die Sparer besser zu schützen.

    Würde heute abgestimmt, könnte die Labour-Partei den Meinungsforschern zufolge ihre Mehrheit im Unterhaus um gut 30 Sitze, auf mehr als 100 Mandate ausbauen. Demnach sind auch nur 20 Prozent der Briten dafür, dass der Oppositionsführer David Cameron Premierminister werden sollte. Mehr als doppelt so viele, 42 Prozent, sprechen sich für Gordon Brown aus. Ein erstaunlicher Meinungsumschwung. Denn als der als langweilig geltende Schotte die Regierungsgeschäfte im Juni von Tony Blair übernommen hat, schlug ihm gehörige Skepsis entgegen. Mittlerweile hat sich der 56-jährige den Erhebungen zufolge aber als Krisenmanager bewährt, bei den versuchten Terroranschlägen in London und Glasgow und mit einem schrittweisen Truppenabzug aus dem Irak.

    Die Opposition ist in einem Stimmungstief, auch wenn George Osborne, die Nummer zwei der Tories, den Premierminister nun höchstpersönlich verantwortlich macht für die Bankenkrise. Ein Jahrzehnt von Schulden unter Gordon Brown als Schatzkanzler habe Großbritannien anfälliger gemacht für finanzielle Turbulenzen und wirtschaftliche Unsicherheit.

    Setzt sich die Finanzkrise fort, sollte auch der Immobilienmarkt in Großbritannien weiter in Mitleidenschaft gezogen werden, könnte die Stimmung bald schon kippen. Und Gewerkschaftsvertreter drohen mit Streiks, sollte der Premierminister an den Lohnbegrenzungen im öffentlichen Dienst festhalten. Brown hat angekündigt, nicht nachzugeben. Ein Streit, in dem auch die Symbol-Figur der Labour-Linken, Tony Benn, die Neuwahlen, zumindest die Diskussion über sie, für einen geschickten Schachzug hält.

    ""Wir haben einen neuen Anführer, mit breiter Unterstützung, und diese Spekulation kommt dem Premierminister entgegen. Der Parteitag wird stillhalten, wird mitziehen, wenn davon auszugehen ist, dass eine Wahl unmittelbar bevorsteht","

    kalkuliert der 82-Jährige. Damit scheint auch abzusehen, dass das Drängen der Gewerkschaften und zahlreicher Labourabgeordneter auf eine Abstimmung, auf ein Referendum über den angestrebten EU-Vertrag im Sand verlaufen wird. Der linke Parteiflügel wird sich wohl fügen müssen - erst recht, wenn tatsächlich bald gewählt werden sollte.