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"Gott schütze uns vor Frauenfußball"

Am Anfang stand ein Zitat. 1970, im Jahr, als der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sein Verbot des Frauenfußballs aufgehoben hat, lancierte der Weltverband FIFA eine Umfrage zu diesem merkwürdigen Umstand, dass nicht nur Männer gegen den Ball treten.

Von Jens Weinreich | 08.05.2011
    Ein asiatischer Nationalverband sandte prompt eine Depesche nach Zürich ins FIFA-Hauptquartier, die es in sich hatte. "Gott schütze uns vor dem Frauenfußball!" stand da geschrieben.

    So war das damals. Noch immer denken viele Männer so, nicht nur in der FIFA. "Die Zukunft des Fußballs ist weiblich", hat Joseph Blatter schon vor anderthalb Jahrzehnten gesagt. Damals war er noch FIFA-Generalsekretär, nicht Präsident. Als FIFA-Präsident hielt es Blatter im November 2010 nicht einmal für nötig, zur WM-Endrundenauslosung nach Frankfurt zu kommen. Er brüskierte damit nicht nur die Organisatoren. "Die Zukunft des Fußballs ist weiblich", dichtete Blatter – nicht die Gegenwart.

    Wenngleich: Laut Angaben der FIFA sind derzeit schon rund zehn Prozent der angeblich 300 Millionen aktiven Fußballer – Frauen und Mädchen. Laut Angaben des DFB sind mehr als eine Million von sechseinhalb Millionen DFB-Mitgliedern – Frauen und Mädchen. Tendenz in beiden Beispielen: rasant steigend.

    Die FIFA verlangt von ihren Nationalverbänden, mindestens zehn Prozent jener 250.000 Dollar, die jährlich überwiesen werden, für die Förderung des Frauenfußballs auszugeben. Zehn Prozent, immerhin. Der Anteil am Marketingumsatz im Fußballbusiness, den der professionelle Frauenfußball generiert, ist bei Weitem geringer, bewegt sich eher im Promillebereich. Der Markt regelt vieles: Insofern sind die ständigen Vergleiche mit dem Männerfußball nervend und fast ausnahmslos unangebracht. Gerade im Vorfeld dieser Weltmeisterschaft wollen es Medienvertreter und Politiker immer wieder wissen, reden über Gleichberechtigung, argumentieren politisch scheinbar korrekt – und doch so absurd.

    Auf Dauer weit wirkungsvoller als derlei gut gemeinte Aufrufe und Betrachtungen sind Movies wie "Kick it like Beckham" mit Keira Knightley. Auch tun in der immer zu Großereignissen aufflammenden Diskussion gelassene Stimmen gut – wie die von Steffi Jones, Chefin der deutschen WM-Organisation, oder Bernd Schröder, Meistertrainer von Turbine Potsdam. Denn beide warnen vor überzogenen Erwartungen. Frauenfußball bleibt Frauenfußball. Die WM wird zwar volle Stadien bringen, doch danach kommen zu den meisten Bundesligaspielen nur einige Hundert Zuschauer. Daran wird sich kurzfristig nichts ändern.

    Wer über die FIFA und den Frauenfußball räsoniert, sollte unbedingt trennen zwischen den hilflos-dummen Sprüchen der greisen Führungsclique und der professionellen Arbeit in der FIFA-Administration, wo Fachleute – darunter vor allem Frauen! - die Projekte vorantreiben. FIFA-Funktionäre wie Blatter oder sein erster Vizepräsident Julio Grondona aus Argentinien pflegen dagegen einen, nun ja, doch eher antiquierten Umgang mit dem anderen Geschlecht. Es ist gar nicht so lange her, da empfahl Blatter den Fußballerinnen ein Outfit wie beim Beachvolleyball. Heiße Höschen. Stiletto statt Stollenschuh gewissermaßen.

    In das Machtzentrum des Weltverbandes FIFA hat es übrigens noch keine Frau geschafft. Blatters Truppe bleibt da lieber unter sich. Es sieht nicht danach aus, dass sich das in Kürze ändern sollte. Wobei sich ein Aufstieg einer Funktionärin wie Lydia Nsekera geradezu aufdrängt: Lydia Nsekera ist die Präsidentin des Fußballverbandes von Burundi, erst die zweite Präsidentin eines afrikanischen Nationalverbandes. Ihre Geschichte ist so aufregend, dass sie bereits zum IOC-Mitglied ernannt wurde. In der FIFA aber gibt es für sie keine Chance.

    Eine gewisse Gleichberechtigung gibt es nur bei der World Player Gala der FIFA. Da wird den Männer-Stars kaum mehr Zeit eingeräumt als den drei Frauen. Messi oder Marta, Iniesta oder Bairamaj, Mourinho oder Neid – das ist hier längst nicht mehr die Frage. Wenigstens für den einen Abend im Jahr im Züricher Opernhaus, wenn die besten der Welt gekürt werden.

    Natürlich wird auch im Frauenfußball gedealt und gekungelt. Vielleicht nur nicht so wild – und nicht mit so viel Geld. Denn im Vergleich zu jenen Hunderten Millionen Dollar, die Russland und Katar für die Vergabe der Männer-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 investiert haben, war die Akquise der Frauen-WM 2011 doch eine billige Angelegenheit. Der DFB musste sich nur mit den Australiern einigen, schon war die Sache entschieden.

    Der australische Verband, durchaus mit Chancen, zog seine Bewerbung zurück, die Deutschen unterstützten Australien dafür mit Know-how und Manpower bei der Offerte für die Männer-WM 2022 – und bekamen im Oktober 2007 die Frauen-WM 2011 zugesprochen. So einfach war das.

    Bald rollt der Ball - die FIFA-Frauen-WM 2011 auf dradio.de
    Spielplan der FIFA-Frauen-WM 2011
    FIFA-Frauen-WM 2011 - offizielle Website