"Die Religion kehrt zurück in die Gesellschaft", lautet eine Leitthese der Ausstellungsgestalter des Dresdner Hygienemuseums. Aber wie kehrt sie zurück? Erregt, laut, provozierend, kurzatmig. Fast Food für die Medien. Der Islam - ein Gefahrenquell für Juden- und Christentum. Christliche Fürsorge für Kinder und Jugendliche - ein Hort der Unsittlichkeit. Nicht zu vergessen der Mord an einer Muslimin im Dresdner Landgericht, geschehen vor einem Jahr und zunächst gar nicht in seiner religiösen Dimension wahrgenommen. Da war die Vorbereitung der Ausstellung Kraftwerk Religion bereits im Gange.
So betrachtet ist Religion tatsächlich in unsere Leben zurückgekehrt und fest verankert, trotz der Kirchenaustritte im Westen und bleibender Säkularisation im Osten Deutschlands. Aber Religion deswegen mit dem Titel "Kraftwerk" verbinden?
"Kraftwerke liefern in der Regel gleichmäßig Strom. Aber Kraftwerke können auch aussetzen, sie können explodieren, sie können Restmüll, Sondermüll hinterlassen - manchmal liefern sie auch nur Schwachstrom","
umreißt Museumsdirektor Klaus Vogel das breite Spektrum, das für ihn mit "Kraftwerk" in Verbindung steht. Nicht minder breit wird "Religion" gebraucht, als Oberbegriff für eine Vielzahl von Gemeinschaften, in denen auf sehr verschiedene Weise an diesen oder jenes geglaubt wird. Die Internetseite religion-vor-ort.de spiegelt sie wider. Allein Dresden besitzt rund 40 Gemeinschaften. Wie will man diese Zersplitterung des Glaubens in einer Ausstellung fassbar, begreifbar machen?
""Ich habe in meinem Leben noch nie so viel weggelassen wie dieses Mal","
bekennt Kuratorin Petra Lutz die Schwierigkeit,
""Also wir haben bestimmt 95 Prozent der Objekte, die in der engeren Wahl gewesen sind, weggelassen, weil dieses Gebiet zu groß ist. Was wir erzählen wollen, ist ja nicht zuletzt, dass es nichts Fixes ist, dass Religion von Handelnden lebt. Dass es nicht ein Christentum gibt, weder das, was sich über 2000 Jahren nicht verändert, noch eines, was jetzt von allen Christen gleich gelebt wird. Wenn sie das erzählen wollen, dann brauchen sie eine Menge an Erzählungen, weil sie sonst diese Differenzierungen nicht machen können."
Weshalb, meint Klaus Vogel, die Stimmen derer, die in Videosequenzen zu Wort kommen, die Hälfte des Wertes dieser Ausstellung ausmachten:
" (Frau) Mein Standpunkt ist, dass in einem aufgeklärten Land wie Deutschland es möglich sein müsste, dass Frauen mit oder ohne Kopftuch ihren Beruf ausüben können. - (Mann) Wo ich groß geworden bin gab es einen Pfarrer im Nachbarort, der hat sich so angestrengt für die ganze Gemeinde, das war total toll! - (Frau) Ich persönlich hätte ein Problem, wenn man von mir eine kirchliche Heirat verlangen würde; das würde ich nicht einsehen. - (Mann) Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Frauen, die Kopftücher tragen, das aus eigenem Willen machen. "
Vogel: "Wir haben junge Menschen befragt - würdet ihr euch als religiös oder eher atheistisch bezeichnen? Und die jungen Menschen sagten: Ach wissen Sie, eigentlich gar keins von beidem. Also, wir sind nicht mal Atheisten, war die Botschaft."
Sie hätten demnach auch keine Verwendung für eine Darwin-Puppe, die in Amerika bei Atheisten sehr beliebt scheint als Affront gegen die Kreationisten.
"Was kannst du uns zum Thema erzählen?" wurden also auch die Objekte gefragt, bevor sie als ausstellungswürdig empfunden wurden. Das Prospekt für ein Zielfernrohr zum Beispiel, wie es im Afghanistankrieg eingesetzt wird: Der amerikanische Hersteller nannte es JN8:12. Dahinter steht ein Spruch aus dem Johannisevangelium: Ich bin das Licht der Welt usw.
Ein Sparkamel für muslimische Kinder. Ein Sparschwein käme nicht infrage, selbst wenn es gut gefüllt wäre: Unrein bleibt unrein.
An anderer Stelle eine moderne russische Ikone: Neben der Moskauer Schutzgöttin steht - Stalin im Militärmantel. Der wesentliche Verursacher christlich-religiöser Unterdrückung in der Sowjetunion nun zu einer Art Erlöser erhoben - schwer zu verstehen. Klaus Vogel versucht eine Erklärung, was Glauben allgemein soll und vermag:
"Das Bedürfnis, aus einem Alltagsleben , das nicht immer befriedigend ist, sich an einem Höheren zu orientieren - das gibt es, glaube ich, schon im Menschen."
Und wenn es die "Ikone Stalin" ist. Daneben hängt der Gekreuzigte - mit dem Lenin-Orden im Schnittpunkt. Petra Lutz war besonders stolz, die kleine Taufschale Friedrich Nietzsches zeigen zu können. Es sei ein besonders nachdenkenswertes Objekt.
"Das eine, weil sie dafür steht, in welche feste christlich-protestantische Tradition Friedrich Nietzsche geboren ist; sein Vater (protestantischer Pfarrer), der ihn in seinem eigenen Taufkleid getauft hat, eine Traditionslinie, die protestantischer nicht sein könnte, und - was war er denn nun? Hat er dazugehört? Er hat ja die Traditionen nicht ganz hinter sich gelassen, er hat ja mit denen gearbeitet."
Und sich förmlich abgearbeitet am Christentum und ein Kraft-Werk ganz anderer Art geschaffen. Insofern ist die Ausstellung "Kraftwerk Religion" eine Ausstellung, die wenig Antworten gibt nach dem Motto: So ist das. Vielmehr: So sehe ich das. Und du?
Die Religionen, Glaubens- oder Nicht-Glaubens-Bekenntnisse feiern in den drei Sälen zwischen Filz und Stahlplatten auf der Erde und wolkenähnlichen Spruchzügen am Himmel friedliche Koexistenz, die sie im normalen gesellschaftlichen Leben nicht immer haben. Doch genau das ist der Wert der Ausstellung im Dresdner Hygienemuseum: die Chance, mit vielem in Kontakt zu kommen, überrascht zu werden und in Ruhe darüber nachdenken zu können. Auch wenn am Ende wieder nur Fragen bleiben. Hilfreich sollen die breit angelegten Gespräche sein, die die Ausstellung bis in den Frühsommer kommenden Jahres begleiten werden. Viele finden durch und mit der evangelischen Kirche statt. Direktor Klaus Vogel:
"Wir haben die großartige Gelegenheit, viele Zuschauer und Interessierte zu gewinnen dadurch, dass der 33. Evangelische Kirchentag in Dresden stattfindet. Wer die Ausstellung sieht, weiß, dass es nicht die Ausstellung zum Kirchentag ist. Aber wir haben die Gelegenheit genutzt (die Mittel und Kontakte der EKD), um uns einige sehr interessante Gesprächspartner ins Haus zu holen. Ich bin mir aber sicher, dass es keine Missionsveranstaltung wird. Dafür bürgen schon die hochrangigen Namen der Referenten, die aus den verschiedensten Glaubensgemeinschaften sind, und auch ein paar Agnostiker sind darunter."
So betrachtet ist Religion tatsächlich in unsere Leben zurückgekehrt und fest verankert, trotz der Kirchenaustritte im Westen und bleibender Säkularisation im Osten Deutschlands. Aber Religion deswegen mit dem Titel "Kraftwerk" verbinden?
"Kraftwerke liefern in der Regel gleichmäßig Strom. Aber Kraftwerke können auch aussetzen, sie können explodieren, sie können Restmüll, Sondermüll hinterlassen - manchmal liefern sie auch nur Schwachstrom","
umreißt Museumsdirektor Klaus Vogel das breite Spektrum, das für ihn mit "Kraftwerk" in Verbindung steht. Nicht minder breit wird "Religion" gebraucht, als Oberbegriff für eine Vielzahl von Gemeinschaften, in denen auf sehr verschiedene Weise an diesen oder jenes geglaubt wird. Die Internetseite religion-vor-ort.de spiegelt sie wider. Allein Dresden besitzt rund 40 Gemeinschaften. Wie will man diese Zersplitterung des Glaubens in einer Ausstellung fassbar, begreifbar machen?
""Ich habe in meinem Leben noch nie so viel weggelassen wie dieses Mal","
bekennt Kuratorin Petra Lutz die Schwierigkeit,
""Also wir haben bestimmt 95 Prozent der Objekte, die in der engeren Wahl gewesen sind, weggelassen, weil dieses Gebiet zu groß ist. Was wir erzählen wollen, ist ja nicht zuletzt, dass es nichts Fixes ist, dass Religion von Handelnden lebt. Dass es nicht ein Christentum gibt, weder das, was sich über 2000 Jahren nicht verändert, noch eines, was jetzt von allen Christen gleich gelebt wird. Wenn sie das erzählen wollen, dann brauchen sie eine Menge an Erzählungen, weil sie sonst diese Differenzierungen nicht machen können."
Weshalb, meint Klaus Vogel, die Stimmen derer, die in Videosequenzen zu Wort kommen, die Hälfte des Wertes dieser Ausstellung ausmachten:
" (Frau) Mein Standpunkt ist, dass in einem aufgeklärten Land wie Deutschland es möglich sein müsste, dass Frauen mit oder ohne Kopftuch ihren Beruf ausüben können. - (Mann) Wo ich groß geworden bin gab es einen Pfarrer im Nachbarort, der hat sich so angestrengt für die ganze Gemeinde, das war total toll! - (Frau) Ich persönlich hätte ein Problem, wenn man von mir eine kirchliche Heirat verlangen würde; das würde ich nicht einsehen. - (Mann) Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Frauen, die Kopftücher tragen, das aus eigenem Willen machen. "
Vogel: "Wir haben junge Menschen befragt - würdet ihr euch als religiös oder eher atheistisch bezeichnen? Und die jungen Menschen sagten: Ach wissen Sie, eigentlich gar keins von beidem. Also, wir sind nicht mal Atheisten, war die Botschaft."
Sie hätten demnach auch keine Verwendung für eine Darwin-Puppe, die in Amerika bei Atheisten sehr beliebt scheint als Affront gegen die Kreationisten.
"Was kannst du uns zum Thema erzählen?" wurden also auch die Objekte gefragt, bevor sie als ausstellungswürdig empfunden wurden. Das Prospekt für ein Zielfernrohr zum Beispiel, wie es im Afghanistankrieg eingesetzt wird: Der amerikanische Hersteller nannte es JN8:12. Dahinter steht ein Spruch aus dem Johannisevangelium: Ich bin das Licht der Welt usw.
Ein Sparkamel für muslimische Kinder. Ein Sparschwein käme nicht infrage, selbst wenn es gut gefüllt wäre: Unrein bleibt unrein.
An anderer Stelle eine moderne russische Ikone: Neben der Moskauer Schutzgöttin steht - Stalin im Militärmantel. Der wesentliche Verursacher christlich-religiöser Unterdrückung in der Sowjetunion nun zu einer Art Erlöser erhoben - schwer zu verstehen. Klaus Vogel versucht eine Erklärung, was Glauben allgemein soll und vermag:
"Das Bedürfnis, aus einem Alltagsleben , das nicht immer befriedigend ist, sich an einem Höheren zu orientieren - das gibt es, glaube ich, schon im Menschen."
Und wenn es die "Ikone Stalin" ist. Daneben hängt der Gekreuzigte - mit dem Lenin-Orden im Schnittpunkt. Petra Lutz war besonders stolz, die kleine Taufschale Friedrich Nietzsches zeigen zu können. Es sei ein besonders nachdenkenswertes Objekt.
"Das eine, weil sie dafür steht, in welche feste christlich-protestantische Tradition Friedrich Nietzsche geboren ist; sein Vater (protestantischer Pfarrer), der ihn in seinem eigenen Taufkleid getauft hat, eine Traditionslinie, die protestantischer nicht sein könnte, und - was war er denn nun? Hat er dazugehört? Er hat ja die Traditionen nicht ganz hinter sich gelassen, er hat ja mit denen gearbeitet."
Und sich förmlich abgearbeitet am Christentum und ein Kraft-Werk ganz anderer Art geschaffen. Insofern ist die Ausstellung "Kraftwerk Religion" eine Ausstellung, die wenig Antworten gibt nach dem Motto: So ist das. Vielmehr: So sehe ich das. Und du?
Die Religionen, Glaubens- oder Nicht-Glaubens-Bekenntnisse feiern in den drei Sälen zwischen Filz und Stahlplatten auf der Erde und wolkenähnlichen Spruchzügen am Himmel friedliche Koexistenz, die sie im normalen gesellschaftlichen Leben nicht immer haben. Doch genau das ist der Wert der Ausstellung im Dresdner Hygienemuseum: die Chance, mit vielem in Kontakt zu kommen, überrascht zu werden und in Ruhe darüber nachdenken zu können. Auch wenn am Ende wieder nur Fragen bleiben. Hilfreich sollen die breit angelegten Gespräche sein, die die Ausstellung bis in den Frühsommer kommenden Jahres begleiten werden. Viele finden durch und mit der evangelischen Kirche statt. Direktor Klaus Vogel:
"Wir haben die großartige Gelegenheit, viele Zuschauer und Interessierte zu gewinnen dadurch, dass der 33. Evangelische Kirchentag in Dresden stattfindet. Wer die Ausstellung sieht, weiß, dass es nicht die Ausstellung zum Kirchentag ist. Aber wir haben die Gelegenheit genutzt (die Mittel und Kontakte der EKD), um uns einige sehr interessante Gesprächspartner ins Haus zu holen. Ich bin mir aber sicher, dass es keine Missionsveranstaltung wird. Dafür bürgen schon die hochrangigen Namen der Referenten, die aus den verschiedensten Glaubensgemeinschaften sind, und auch ein paar Agnostiker sind darunter."