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Gotteszorn und Engelsstimmen

Ein Bonner Name hat in Kirchen und Konzertsälen einen besonders guten Klang: Das Familienunternehmen Klais baut seit 125 Jahren Orgeln für die ganze Welt. Die Pfeifenorgeln aus dem Rheinland stehen in Köln und Aachen ebenso wie auf Neuseeland oder in Tokio.

Von Michael Köhler |
    " Ich bin von Beruf Orgelbauer. "

    Das sagt der 40-jährige Philipp Klais, in der vierten Generation Inhaber des gleichnamigen Traditionsunternehmens am Rande der Bonner Altstadt,

    " Wir bauen nur Pfeifenorgeln. Wir haben 15 Auszubildende. Wir haben ein Team von 60 Mitarbeitern. Das Interessante bei diesen 60 Mitarbeitern ist, dass bis auf zwei, nämlich meine Sekretärin, die extrem sprachbegabt ist und meine Finanzchefin, die was Richtiges studiert hat, alle eine handwerkliche Ausbildung zum Orgelbauer oder zum Schreiner haben. Es gibt also keinen, der das nicht hat, also auch der bei uns Lohnbuchhaltung macht, ist eingelernter Orgelbauer. "

    Der Besucher merkt rasch, das ist kein gewöhnliches Unternehmen. Von außen ein unscheinbarer Klinkerbau, geht es im Hof auf ein beeindruckend großes Betriebsgelände mit großen Werkstätten und offenen Holzlager.

    " Es gibt in Deutschland über 150 Unternehmen, über 150 Werkstätten, die Orgeln herstellen, und das spricht für den Beruf des Orgelbauers. Orgelbau ist ein unheimlich faszinierender Beruf, weil in welchem anderen Beruf hat man die Möglichkeit in so tollen Räumen zu arbeiten, dort klingende Skulpturen zu erstellen, die eben nicht nur für einige Jahre da sind, sondern - das ist unser Wunschtraum und unser Ziel, und wir sehen das aus der Restaurierung - eben nicht nur einige Jahrzehnte, sondern auch Jahrhunderte dort verbleiben können. "

    Neu errichtete und bereits installierte Klais-Orgeln stehen auf der ganzen Welt, im neuseeländischen Auckland und in Marburg, in Caracas und Tokio und natürlich in den Domen von Aachen, Trier und Köln.

    " Den Umsatz, den wir machen, das ist natürlich von Jahr zu Jahr sehr stark unterschiedlich, wann Projekte abgerechnet werden. Die Projekte laufen in der Regel über mehrere Jahre, zwei bis drei Jahre, so das schwankt in einem Bereich zwischen 3,5 und fünf Millionen Euro Umsatz pro Jahr. "

    Das Restaurierungsgeschäft nimmt in den letzten Jahren größeren Raum ein. Neben den Kirchen sind es insbesondere Konzertsäle, die über Orgeln verfügen. Der Privatkunde spielt bis auf Ausnahmen eine sehr geringe Rolle. Philipp Klais hat als Geschäftsführer seine eigene Auffassung von Wachstum.

    " Wachstum ist für uns kein Thema, weil ich eigentlich im Orgelbau keine, ich sehe da keinen Qualitätsanspruch drin, durch Größe besser zu werden. Für uns ist Fertigungstiefe das Stichwort. Was wir möchten, ist eben nicht outsourcen und sozusagen just in time, diesen modernen Standards folgen, sondern wir möchten hier in Teamarbeit - und das ist auch modern - ein Team fertigt immer eine Orgel, vom Holzzuschnitt, vom Rohstoff ausgehend, über das Giessen der Platten bis zum fertigen Instrument. "


    In der Tat wird alles im Betrieb gefertigt. Der Rohstoff für die Metallpfeifen wird in einer Art Schmiede in alten Bottichen bereitet, erklärt Intonationsmeister Thomas Habbig:

    " Der Ofen, den sie hier vor uns sehen dient dazu die Zinn - Bleilegierung zu schmelzen, die also in einer bestimmten Konsistenz immer angerührt wird, ähnlich dann wie in einer Hexenküche. "

    Und so sieht es auf dem Gelände des Betriebs geradezu ein bisschen mittelalterlich aus, über einen Flöte spielenden Harlekin auf dem Hof würde man sich nicht wundern.

    Philipp Klais betont immer wieder ein Spezialist und Nischenanbieter zu sein, der ein künstlerisches Produkt fertigt. Sein Arbeitsraum sieht aus wie eine Mischung aus Antiquariat, Kunstbuchhandlung und Ingenieurbüro. Gegenwärtig baut er in Sibirien und Andalusien. Die Klais-Orgel für das große Nationaltheater in Peking wird Sylvester eingeweiht. Vier Jahre haben sie an dem zwei Millionen Euro teuren Instrument gebaut.

    " Wir sind ein richtig handwerklich arbeitendes Unternehmen. Hier wird fast alles in Handarbeit hergestellt. Es gibt ein paar Maschinen, das sind ne Kreissäge, aber das ist seit 125 Jahren so, seit unserer Gründung. Mein Urgroßvater, der wurde nur deshalb der Industrie zugeordnet, obwohl es ein reiner Handwerksbetrieb ist, weil er über die Grenzen des Rheinlandes hinaus Orgeln exportiert hat. Das war also damals unendlich weit. "

    Auch wenn Philipp Klais das internationale Geschäft und die zunehmende Restaurierung bestehender Orgeln forciert, gehörte das quasi immer schon zum Geschäft. Hier ist jeder mit Leib und Seele dabei, auch wenn es gelegentlich Krach macht, denn die Pfeifen können wenige Millimeter aber auch über zehn Meter lang sein, erklärt Thomas Habbig

    " Das ist also die so genannte Lippenpfeife, Labilapfeife. Im Gegensatz zu der Zungenpfeife, wo ein schwingendes Messingblatt den Ton produziert und die Länge dieses frei schwingenden Zungenblattes, die Tonhöhe produziert. "

    Im inhabergeführten Familienbetrieb geht alles so wohlklingend harmonisch zu, dass man es kaum glaubt, selbst der Betriebsrat wird für unverzichtbar wichtig erklärt. Während in anderen Betrieben kompliziertes Marketing und Branding betrieben wird, gibt's das hier einfach. Aber es gibt noch etwas:

    " Kostendruck gibt es, und wir können eigentlich nur mit Qualität darauf reagieren, dass wir es schaffen durch unsere Ideen, durch die von uns gebauten Werke zu überzeugen. Wir schaffen es sicherlich nicht, der billigste Anbieter zu sein. Wir möchten das auch nicht als Auswahlkriterium haben. "

    Für Winfried Bönig, Professor für Orgel an der Kölner Musikhochschule und außerordentlicher Domorganist, der in der im Hohen Dom zu Köln an Klais-Orgeln spielt, kann das Instrument vieles ausdrücken: Engelsstimmen und Gotteszorn.

    " Das ist alles: Gott und die Welt, die da erklingt. "

    Eines möchte Philipp Klais noch nachholen, wenn er mal Zeit hat und nicht in Frankfurt oder New York Orgeln baut oder in Stand setzt, er möchte sein kunstgeschichtliches Studium abschließen.
    So oder so bleibt er auf jeden Fall eines:

    " Ich bin von Beruf Orgelbauer. "