Die Orangerie im Unteren Belvedere leuchtet kräftig in der Signalfarbe: rot. Rot die Tür, rot das Segel, das den lang gestreckten Raum in zwei Hälften teilt. Respektvoll im Raum verteilt stehen die Statuen, meist kopf- oder armlose Torsi: wie in einer Antikensammlung. Aber diese aus Stein geformten Menschenkörper wölben sich, winden sich grotesk, zeigen gnadenlos ihre porige, geschwollene Haut, entwickeln übergroße täppische Gliedmaßen, wollen aus sich heraus, über sich hinaus, zeugen kurzum vom immerwährenden Kampf des barocken Künstler-Berserkers Alfred Hrdlicka mit dem Material.
Gleich vorn rechts, der Torso mit dem unmöglich vorgewölbten Brustkorb, das linke Bein unbehauen wie der Hals, mit dem die kopflose Statue endet. Oder die kauernde Figur links: Alles an der ist schwellendes Fleisch: Kinn, Bauch, Taille, Schenkel. Könnte das, nur eine Idee, der berühmte Bucklige sein, der Glöckner von Notre Dame? Kein gedruckter Hinweis stört die Inszenierung.
Hier, aber es geht eigentlich auch so: der gequälte liegende Torso dahinten – vielleicht ein Bombenopfer? Schließlich hat Hrdlicka Kriegsdenkmäler geschaffen, nicht immer zur Freude der Auftraggeber, wie ein langer Konflikt in Hamburg bewies. Aber Skandale wie dieser beflügelten nur den lautstarken Provokateur, der sich als Kind immer über den Tod von Tieren entsetzt hatte; dem im Krieg der geliebte Halbbruder auf dem Feld der Ehre abhanden kam. So wurde der Schmerz zum Leitfaden im Werk von Hrdlicka. Das Leiden, das ganz genau kennenzulernen er einst in die Schlachthöfe gegangen war, stellte er dar in bestimmten, immer wieder variierten Figuren. Und so nimmt man doch den gedruckten Wegweiser, der sie hier in der Ausstellung erklärt, zum Beispiel der Bucklige vorn links ist kein Buckliger, ist vielmehr Martha Beck, die Mörderin, die Hrdlicka sehr faszinierte wegen ihrer Gewöhnlichkeit und Seelenruhe. Weiter hinten sitzt sie noch einmal: Martha Beck nach ihrer Hinrichtung. Nackt, den Arm undenkbar steil an den Kopf gelegt und lächelnd!
Draußen im Seitengang sprechen Hrdlickas Freunde über ihn, auf kleinen Bildschirmen und alle durcheinander:
"Penthesilea."
Penthesilea, die Amazonenkönigin, hält ihren Körper stolz und gerade, archaisch, göttinnenhaft, vollständig bis unters Knie, der Kopf allerdings geheimnisvoll verschwunden unter Steingeriesel. - Der Mann, an dessen Eingeweiden sich der Oberkörper aus der Hüfte herauszudrehen scheint, das ist Marsyas, das mythische, grässlich geschundene Opfer des Gottes Apoll; und da ist er noch mal, als gefesselter Torso, die abgetrennten, übergroßen Füße unter sich.
"Haarmann."
Der Massenmörder Fritz Haarmann steht einem antikischen Fries vor, Leichenteile liegen da, im Zentrum er selbst, einen Körper ausweidend. Ein Werk von 1966, fast alles hier stammt aus den 50ern und 60ern, als Hrdlicka noch sehr kämpfen musste um Anerkennung, er, der in Opposition zum Zeitgeist nichts Abstraktes schuf, der als Kommunist auch schon mal brüskiert wurde, obwohl es den meisten früh bewusst war, dass dieser Hrdlicka zu den Besonderen gehörte, einer, den man für Österreich auf die Biennale schicken müsste, was dann 1964 auch geschah. Die feierliche Inszenierung, die seinen Skulpturen im Wiener Belvedere zuteilwird, feiert einen in all seinen Facetten akzeptierten Nationalkünstler. Aber diese Skulpturen halten das aus.
Alfred Hrdlicka. Schonungslos!
Ausstellung in der Orangerie, Unteres Belvedere, Wien 23.6. bis 19.9.2010
Gleich vorn rechts, der Torso mit dem unmöglich vorgewölbten Brustkorb, das linke Bein unbehauen wie der Hals, mit dem die kopflose Statue endet. Oder die kauernde Figur links: Alles an der ist schwellendes Fleisch: Kinn, Bauch, Taille, Schenkel. Könnte das, nur eine Idee, der berühmte Bucklige sein, der Glöckner von Notre Dame? Kein gedruckter Hinweis stört die Inszenierung.
Hier, aber es geht eigentlich auch so: der gequälte liegende Torso dahinten – vielleicht ein Bombenopfer? Schließlich hat Hrdlicka Kriegsdenkmäler geschaffen, nicht immer zur Freude der Auftraggeber, wie ein langer Konflikt in Hamburg bewies. Aber Skandale wie dieser beflügelten nur den lautstarken Provokateur, der sich als Kind immer über den Tod von Tieren entsetzt hatte; dem im Krieg der geliebte Halbbruder auf dem Feld der Ehre abhanden kam. So wurde der Schmerz zum Leitfaden im Werk von Hrdlicka. Das Leiden, das ganz genau kennenzulernen er einst in die Schlachthöfe gegangen war, stellte er dar in bestimmten, immer wieder variierten Figuren. Und so nimmt man doch den gedruckten Wegweiser, der sie hier in der Ausstellung erklärt, zum Beispiel der Bucklige vorn links ist kein Buckliger, ist vielmehr Martha Beck, die Mörderin, die Hrdlicka sehr faszinierte wegen ihrer Gewöhnlichkeit und Seelenruhe. Weiter hinten sitzt sie noch einmal: Martha Beck nach ihrer Hinrichtung. Nackt, den Arm undenkbar steil an den Kopf gelegt und lächelnd!
Draußen im Seitengang sprechen Hrdlickas Freunde über ihn, auf kleinen Bildschirmen und alle durcheinander:
"Penthesilea."
Penthesilea, die Amazonenkönigin, hält ihren Körper stolz und gerade, archaisch, göttinnenhaft, vollständig bis unters Knie, der Kopf allerdings geheimnisvoll verschwunden unter Steingeriesel. - Der Mann, an dessen Eingeweiden sich der Oberkörper aus der Hüfte herauszudrehen scheint, das ist Marsyas, das mythische, grässlich geschundene Opfer des Gottes Apoll; und da ist er noch mal, als gefesselter Torso, die abgetrennten, übergroßen Füße unter sich.
"Haarmann."
Der Massenmörder Fritz Haarmann steht einem antikischen Fries vor, Leichenteile liegen da, im Zentrum er selbst, einen Körper ausweidend. Ein Werk von 1966, fast alles hier stammt aus den 50ern und 60ern, als Hrdlicka noch sehr kämpfen musste um Anerkennung, er, der in Opposition zum Zeitgeist nichts Abstraktes schuf, der als Kommunist auch schon mal brüskiert wurde, obwohl es den meisten früh bewusst war, dass dieser Hrdlicka zu den Besonderen gehörte, einer, den man für Österreich auf die Biennale schicken müsste, was dann 1964 auch geschah. Die feierliche Inszenierung, die seinen Skulpturen im Wiener Belvedere zuteilwird, feiert einen in all seinen Facetten akzeptierten Nationalkünstler. Aber diese Skulpturen halten das aus.
Alfred Hrdlicka. Schonungslos!
Ausstellung in der Orangerie, Unteres Belvedere, Wien 23.6. bis 19.9.2010