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Graphic Novel von Reinhard Kleist
Anklage der Festung Europa

In Reinhard Kleists Graphic Novel "Der Traum von Olympia" geht es um die Flucht nach Europa. Er erzählt die reale Geschichte der Läuferin Samia Yusuf Omar, die in Europa Profi-Sportlerin werden wollte - deren Flucht aus ihrer Heimat jedoch tragisch endete.

Von Kai Löffler | 29.01.2015
    Porträtfoto von Samir Yusuf Omar
    Die damals 17-jährige Samir Yusuf Omar vor dem Beginn des 200-Meter-Rennens bei den Olympischen Spielen in Peking im Jahr 2008. (dpa picture alliance/ Kerim Okten)
    "Wir lieben natürlich solche Geschichten. Und dass diese Geschichte, bildlich gesprochen, an den schroffen Felsen von Europa zerbricht, das ist natürlich schon etwas, das mich sehr erschüttert hat. Und ich denke auch, dass man über so eine Geschichte halt auch für dieses Thema dann eher sensibilisiert wird."
    Die Geschichte ist die der olympischen Läuferin Samia Yusuf Omar, die auf dem Weg nach Europa in einem Flüchtlingsboot ertrinkt, und Flüchtlinge sind das Thema. Die Idee zu seiner Graphic Novel "Der Traum von Olympia" ist Reinhard Kleist in Palermo gekommen. Ein Jahr hat er dort gelebt und die verzweifelte Situation afrikanischer Flüchtlinge aus nächster Nähe beobachtet. Der europäische Wohlstand, ausgetragen auf dem Rücken ärmerer Nationen, zieht sich als Subtext durch Kleists Graphic Novel, in deren Mittelpunkt die junge Sportlerin und ihr Traum stehen:
    "Ich möchte wieder trainieren. Ich denke dauernd an Peking zurück. Wo ich auch war, konnte ich das olympische Feuer sehen. Es war wie der Mond."
    Die islamistischen Milizen in Samias Heimat Somalia verbieten Frauen, Sport zu treiben, und so fasst sie den Entschluss, nach Europa auszuwandern. "Der Traum von Olympia" erzählt ihre wahre Geschichte, von Olympia 2008 bis zum tragischen Ende vor der Küste Libyens vier Jahre später. Ein wichtiges Element sind Samias Facebook-Einträge. Den Text, so Kleist, habe er erfunden:
    "Sie beruhen aber auf dem, was ich so aufgeschnappt habe. Auch aus Erzählungen, auch aus Berichten von Ihrer Schwester, wo ich dann auch mal so einen besonderen Einblick geben konnte."
    Brisantes politisches Statement
    Schon vorher hat Kleist vor allem biografische Comics geschrieben. "Der Boxer" zum Beispiel ist die Geschichte eines Überlebens im Nationalsozialismus, "I see a Darkness" eine Ode an den legendären Johnny Cash. Wie sie ist "Der Traum von Olympia" in poetische, schwarz-weiße Bilder gekleidet und frei von Pathos. Nur in einem Punkt unterscheidet sich Samias Geschichte von den Vorgängern.
    "Wenn ich mir meine letzten Arbeiten angucke, das ging eigentlich immer um Persönlichkeiten, die irgendwie gebrochen sind, die schwierig sind, und bei ihr ist es das komplette Gegenteil - also für mich ist sie wirklich - sie ist eine Heldin."
    Schon letztes Jahr ist die Graphic Novel gerafft als Serie in der "FAZ" erschienen. Durch die Ereignisse der letzten Wochen hat aber ein Aspekt unerwartete Aktualität erlangt: Islamismus-Kritik wird in Zeiten von Pegida und dem Charlie Hebdo-Anschlag sehr schnell zum brisanten politischen Statement.
    "Man muss mit diesen Themen sich weiter beschäftigen können, ohne dass man davon so befangen ist, dass man sich das nicht mehr traut. Klar, ich hab da natürlich auch erst mal geschluckt und dachte so "um Gottes Willen, jetzt hab ich hier auch was drin, was sagen wir mal, nicht islamkritisch, sondern islamismuskritisch ist. Muss ich mir jetzt auch Gedanken machen? Nee, glaub ich aber nicht."
    Reinhard Kleist beherrscht sein Medium wie nur wenige deutsche Autoren. Obwohl sein Comic jetzt doppelt so lang ist wie die Urfassung, ist kein Strich zu viel und kein Wort verschwendet. Oft kommt er seitenlang ohne Dialoge aus, und sagt dabei sehr viel. "Der Traum von Olympia" ist nicht nur die Geschichte einer jungen Frau, die ein besseres Leben verdient hätte, sondern auch eine Anklage der Festung Europa, ganz ohne erhobenen Zeigefinger.