Krönig: Natürlich freuen sich Regierung und Politiker immer, wenn sie einen Erfolg vorweisen können, was Bildung, Kultur und Zugang zu Kunst betrifft. Natürlich hat da auch die Labour-Regierung Grund, zufrieden zu sein. Wenn man sich allerdings die Zahlen genauer anschaut, dann setzt man Fragezeichen. Sie erwähnten zum Beispiel die Steigerung der Besucherzahlen des Victoria und Albert-Museums um 111 Prozent. Warum ist das so? Weil das Victoria und Albert-Museum die Eintrittspreise Ende der 80er abgeschafft hat, die es verlangt hat. Dort scherte nämlich das Victoria und Albert-Museum aus der Reihe der großen nationalen Londoner Museen, nahm Eintritt, prompt sackte die Besucherzahl um ungefähr die Hälfte. Jetzt ist sie wieder gestiegen und auf dem Stand, wo sie früher war.
Schossig: Weiß man denn, wer da weg geblieben ist und aus welchen Bevölkerungsschichten sich dieser Besucherzuwachs nun speist.
Krönig: Man weiß es nicht ganz genau. Das ist eine soziologische Studie, die doch von den Museen nicht geleistet wird. Aber man weiß folgendes. Es sind nicht die proletarischen Unterschichten, die überhaupt in die Museen gehen. Die meiden sie. Es sind die Mehrfachbesucher, die gelegentlich mal vorbeikommen und die dann wegbleiben, wenn sie Eintritt zahlen müssten. Die soziale Schicht ist die der besser Gebildeten, obwohl das mittlerweile bis weit hinein in das geht, was man untere Mittelschicht nennt. Aber es ist nicht so, dass man nun durch die Politik der Freiheit vom Eintrittspreis die proletarischen oder gar die Unterschichtmassen in die Museen hineinbekommt.
Schossig: Die Kulturministerin, Tessa Jowell sagte jetzt, mit diesem Erfolg der Museen seien klar jene widerlegt, die behaupteten, die britische Bevölkerung sei an Kultur nicht interessiert. Hatte es denn solche Stimmen überhaupt gegeben?
Krönig: Die gibt es jederzeit. Diese Kritik ist immer gerechtfertigt. Sie ist natürlich auch immer wieder widerlegbar. Natürlich leben wir im Zeitalter der Verdummung an den Massenmedien. Dann ist es natürlich immer schön, wenn man sagen kann, dass die Leute ins Museum gehen. Man meint dann, dass es ja mit den Massenmediendemokratien doch nicht so schlimm ist, in denen die Verseichtung und Verdummung voranschreitet. Hier ist der Gegentrend sichtbar. Es ist sicherlich ganz richtig, dass man darauf hinweist, dass nicht alles nur schlimm und furchtbar ist.
Schossig: Das British Museum hat ja zwischenzeitlich niemals Eintrittspreis genommen. Das steht jetzt gar nicht so gut da. Es fehlen dort genau jene Ausgleichsgelder, die andere Häuser seit dem Fall der Eintrittsgelder erhalten. Man hört, das British Museum sei pleite.
Krönig: Es hat 10 Millionen Euro Defizit. Es hat einige Galerien geschlossen. Es baut dem Personalbestand ab. Es klagt darüber, dass es die Kunststätte von 5.000 Jahren nicht mehr richtig pflegen kann. Das British Museum ist ein gutes Bespiel. Natürlich gibt es Faktoren, wie schlechtes Management und vielleicht auch nicht erfüllte Erwartungen. Sie wissen ja, dass der gewaltige Innenhof, in dem der kreisrunde Bau der Bibliothek steht, mit einer kühnen Glasdachkonstruktion überdacht worden ist und ein öffentlicher Raum Londons werden sollte, der die Massen zieht, die dann nicht im Regen stehen müssen. Das hat sich nicht ganz erfüllt. Warum weiß man nicht. Es hat auch Missmanagement gegeben. Aber es hat natürlich auch das Problem gegeben, dass diese großen Museen auch ein Opfer der Tatsache werden, dass sie keine Eintrittspreise nehmen. Es gibt mittlerweile doch eine verstärkte Forderung, diese Politik und das Argument der sozialen Gleichmachung oder der Öffnung für die Minderbemittelten zu überprüfen. Denn erstens ist es unbestreitbar, dass in unseren materiell ausgerichteten Gesellschaften das, was uns nichts kostet, nichts oder nur wenig gilt. Insofern ist es besser, etwas zu verlangen. Zweitens, gibt es mittlerweile die Unterschichten, die ins Museum gehen wollen, aber es sich nicht leisten können, zumindest nicht in dem Maße, wie eine Politik der Eintrittspreisfreiheit es suggeriert. Drittens, leiden die Regionalmuseen außerhalb Londons. Und alle anderen Museen, die Eintritt nehmen, leider auch. Die verlieren natürlich einen Teil der Museen, weil man weiß, dass man in London frei ins Museum gehen. Um ein Gleichgewicht herzustellen, wäre es vielleicht ganz sinnvoll, auch für das British Museum und die National Gallery und andere, doch einen Eintrittspreis zu nehmen wie wir das im Louvre und in Deutschland in jedem Museum kennen.
Link: mehr ...
564.html
Schossig: Weiß man denn, wer da weg geblieben ist und aus welchen Bevölkerungsschichten sich dieser Besucherzuwachs nun speist.
Krönig: Man weiß es nicht ganz genau. Das ist eine soziologische Studie, die doch von den Museen nicht geleistet wird. Aber man weiß folgendes. Es sind nicht die proletarischen Unterschichten, die überhaupt in die Museen gehen. Die meiden sie. Es sind die Mehrfachbesucher, die gelegentlich mal vorbeikommen und die dann wegbleiben, wenn sie Eintritt zahlen müssten. Die soziale Schicht ist die der besser Gebildeten, obwohl das mittlerweile bis weit hinein in das geht, was man untere Mittelschicht nennt. Aber es ist nicht so, dass man nun durch die Politik der Freiheit vom Eintrittspreis die proletarischen oder gar die Unterschichtmassen in die Museen hineinbekommt.
Schossig: Die Kulturministerin, Tessa Jowell sagte jetzt, mit diesem Erfolg der Museen seien klar jene widerlegt, die behaupteten, die britische Bevölkerung sei an Kultur nicht interessiert. Hatte es denn solche Stimmen überhaupt gegeben?
Krönig: Die gibt es jederzeit. Diese Kritik ist immer gerechtfertigt. Sie ist natürlich auch immer wieder widerlegbar. Natürlich leben wir im Zeitalter der Verdummung an den Massenmedien. Dann ist es natürlich immer schön, wenn man sagen kann, dass die Leute ins Museum gehen. Man meint dann, dass es ja mit den Massenmediendemokratien doch nicht so schlimm ist, in denen die Verseichtung und Verdummung voranschreitet. Hier ist der Gegentrend sichtbar. Es ist sicherlich ganz richtig, dass man darauf hinweist, dass nicht alles nur schlimm und furchtbar ist.
Schossig: Das British Museum hat ja zwischenzeitlich niemals Eintrittspreis genommen. Das steht jetzt gar nicht so gut da. Es fehlen dort genau jene Ausgleichsgelder, die andere Häuser seit dem Fall der Eintrittsgelder erhalten. Man hört, das British Museum sei pleite.
Krönig: Es hat 10 Millionen Euro Defizit. Es hat einige Galerien geschlossen. Es baut dem Personalbestand ab. Es klagt darüber, dass es die Kunststätte von 5.000 Jahren nicht mehr richtig pflegen kann. Das British Museum ist ein gutes Bespiel. Natürlich gibt es Faktoren, wie schlechtes Management und vielleicht auch nicht erfüllte Erwartungen. Sie wissen ja, dass der gewaltige Innenhof, in dem der kreisrunde Bau der Bibliothek steht, mit einer kühnen Glasdachkonstruktion überdacht worden ist und ein öffentlicher Raum Londons werden sollte, der die Massen zieht, die dann nicht im Regen stehen müssen. Das hat sich nicht ganz erfüllt. Warum weiß man nicht. Es hat auch Missmanagement gegeben. Aber es hat natürlich auch das Problem gegeben, dass diese großen Museen auch ein Opfer der Tatsache werden, dass sie keine Eintrittspreise nehmen. Es gibt mittlerweile doch eine verstärkte Forderung, diese Politik und das Argument der sozialen Gleichmachung oder der Öffnung für die Minderbemittelten zu überprüfen. Denn erstens ist es unbestreitbar, dass in unseren materiell ausgerichteten Gesellschaften das, was uns nichts kostet, nichts oder nur wenig gilt. Insofern ist es besser, etwas zu verlangen. Zweitens, gibt es mittlerweile die Unterschichten, die ins Museum gehen wollen, aber es sich nicht leisten können, zumindest nicht in dem Maße, wie eine Politik der Eintrittspreisfreiheit es suggeriert. Drittens, leiden die Regionalmuseen außerhalb Londons. Und alle anderen Museen, die Eintritt nehmen, leider auch. Die verlieren natürlich einen Teil der Museen, weil man weiß, dass man in London frei ins Museum gehen. Um ein Gleichgewicht herzustellen, wäre es vielleicht ganz sinnvoll, auch für das British Museum und die National Gallery und andere, doch einen Eintrittspreis zu nehmen wie wir das im Louvre und in Deutschland in jedem Museum kennen.
Link: mehr ...
564.html