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Green and Clean: Solarzelle von der Rolle

Technik. - Weil der Halbleiter Silizium einer der entscheidenden Kostenfaktoren ist, setzen Experten auf aufwändige und teure Dünnschicht-Solarzellen. Ein deutscher Physiker möchte aber mit einem neuen Verfahren Solarzellen künftig in enormen Stückzahlen und sehr preiswert produzieren.

Von Ralf Krauter | 30.12.2008
    Flachbauten und riesige Parkplätze säumen die Straße in dem Industriegebiet außerhalb von San Jose. Der Solarzellen-Hersteller Nanosolar hat hier eine Fabrikhalle mit schwarz-verspiegelten Scheiben bezogen. Allzu gern lässt man sich nicht in die Karten schauen. Doch für einen deutschen Reporter macht Martin Roscheisen, der aus München stammende Gründer und Chef von Nanosolar, eine Ausnahme und öffnet die Tür zum Allerheiligsten. Die Produktionshalle ist bald halb so groß wie ein Fußballfeld.

    "Das ist unsere Produktionsausrüstung. Das ist ein Rollenprozess hier."

    Die Maschinen erinnern an eine Druckstraße: Es sind 20 Meter lange schlauchartige Gebilde, durch die eine silbrig glänzende Folie läuft.

    "Hier sieht man die einzelnen Rollen der Folie, die von einem Werkzeug bis zum nächsten übertragen werden und dann den nächsten Prozess laufen lassen."

    In jahrelanger Arbeit haben Martin Roscheisen und die derzeit rund 300 Mitarbeiter von Nanosolar ein Verfahren entwickelt, das die Solarbranche revolutionieren könnte: Sie drucken die lichtempfindlichen Energiewandler einfach auf eine elektrisch leitende Folie. Solarzellen von der Rolle. Das verspricht enormen Durchsatz und massenhaft preiswerte Solarzellen.

    "Das ist unsere Druckmaschine, die gerade hier läuft. Die läuft sehr schnell. Das sieht man kaum, weil das so schnell läuft. Das hat also ein Gigawatt-Kapazität dieses Tool und kann damit ein Nuklearkraftwerk pro Jahr herstellen."

    Im Dezember 2007 liefen hier die ersten der 15 mal 15 Zentimeter messenden quadratischen Zellen vom Band. Sie glänzen schwarz, sind gut einen Millimeter dick, biegsam und verwandeln zehn bis 14 Prozent des einfallenden Sonnenlichtes in Strom.

    "2002 haben wir angefangen, uns umzusehen, wie man denn Solarstrom wesentlich billiger machen kann und was es da für Ansätze geben kann."

    Martin Roscheisens erklärtes Ziel ist es, Solarzellen zehnmal billiger herzustellen als die Konkurrenz. Mittlerweile hat er für diese Vision ein halbe Milliarde US-Dollar eingeworben. Nach längeren Verzögerungen beim Start der Serienfertigung sieht sich Roscheisen nun auf der Zielgeraden.

    "Wir drucken direkt auf eine extrem leitende Metallfolie, so dass die untere Elektrode dieser Zelle einfach diese Metallfolie sein kann – und damit sparen wir schon mal große Kosten. Wir sind die einzige Gruppe in der ganzen Welt, die es geschafft hat, eine effiziente Solarzelle hinzukriegen auf derartiger Folie, die so billig ist wie ein Plastik, aber so gut leitet, wie Kupfer."

    Der entscheidende Trick besteht darin, die hauchdünnen Halbleiterschichten, die Licht in Strom umwandeln, auf die Trägerfolie zu drucken, anstatt sie wie sonst üblich in Vakuumkesseln aufzudampfen.

    "Drucken ist hundert bis tausendmal schneller als jeder andere Dünnschichtprozess und auch viel einfacher. Wie kann man was drucken? Man braucht natürlich eine Tinte, eine Flüssigkeit."

    In der patentierten Nanosolar-Tinte schwimmen die vier Bausteine des Halbleiters – die Elemente Kupfer, Indium, Gallium und Selen – zunächst einzeln herum, in Form winziger Nanopartikel. Beim Trocknen lagern sich diese Partikel dank cleverer Chemie zu kristallinen Halbleiterfilmen zusammen. Eine fertige Zelle besteht aus insgesamt 15 solcher ultrafeinen Filme. Die oberste Lage ist eine extrem leitfähige durchsichtige Deckschicht. Momentan arbeitet man in San Jose daran, den Durchsatz der Hightech-Druckstraße allmählich auf die geplanten Stückzahlen von 430 Megawatt Jahresproduktion hochzufahren. Sofern dabei alles glatt geht, könnte Nanosolar die nächste große Erfolgsgeschichte aus dem Silicon Valley werden. Die ersten Lieferungen waren schon lange im Voraus verkauft.

    "Bei uns gibt es soviel Bedarf bei den Endkunden, dass die Endkunden immer die ersten Paneele kriegen. Zurzeit sind für mich keine übrig geblieben. Aber in meinem Haus habe ich bereits die Röhre für das Kabel installiert, so dass ich hoffentlich bald meine eigenen Panele kriege. Aber: Customer first."

    Ein Großteil der kalifornischen Solarzellen von der Rolle landet im brandenburgischen Luckenwalde, wo sie in einer Fabrik zu Modulen verbaut und weltweit vertrieben werden.