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Greening "wird am Ende machbar sein"

Die Agrarreform soll für mehr Grün in der Landwirtschaft und wechselnde Früchte auf den Feldern sorgen. Für viele Bauern heißt das mehr Bürokratie, kritisiert Udo Hemmerling. Dennoch sieht der stellvertretende Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands die Reform positiv.

Udo Hemmerling im Gespräch mit Ursula Mense | 26.06.2013
    Ursula Mense: Wie immer: In der Agrarpolitik ging und geht es um viel Geld. Jährlich fließen rund 60 Milliarden Euro aus den EU-Töpfen an die Landwirtschaftsbetriebe, immerhin fast 40 Prozent aller EU-Ausgaben. Und nun ist die im Herbst 2011 angekündigte tiefgreifende Reform für ein umweltfreundlicheres Wirtschaften also zum Greifen nah. – Udo Hemmerling, Sie sind der stellvertretende Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes. Sind Sie bisher zufrieden?

    Udo Hemmerling: Ja! Guten Tag erst mal vom Bauerntag hier aus Berlin. – Zufrieden? Wir sind nicht zufrieden, vor allen Dingen, weil wir schon etwas besorgt sind über die Diskussion, doch wieder mehr in staatliche Preis- und Mengenregulierung bei den Agrarmärkten einzusteigen. Das ist das, was uns so ein bisschen beunruhigt.

    Mense: Ein zentrales Anliegen waren aber zum Beispiel auch die ökologischen Vorrangflächen, wie sie ja korrekterweise heißen. Der Kompromiss, haben wir eben gehört, sieht jetzt vor, dass ab 2015 fünf Prozent dafür vorgehalten werden mit einer möglichen Erweiterung auf sieben Prozent, für Randstreifen, kleine Wäldchen und so weiter. Können Sie damit leben?

    Hemmerling: Wir glauben, beim Greening bewegt sich das insgesamt in einen guten Weg hinein. Ich nenne mal das Stichwort der Zwischenfrüchte. Wir werden doch wohl die Möglichkeit bekommen, Zwischenfrüchte im Ackerbau als Greening hier einzubringen. Es wird zwar ein bisschen bürokratisch und kompliziert werden, das Greening, aber es wird am Ende machbar sein. Unsere Befürchtungen, die wir erst hatten, es würde eine neue Zwangsstilllegung ausgelöst mit den ökologischen Vorrangflächen, das scheint sich etwas aufzulösen.

    Mense: Außer Randstreifen und Wäldchen sollen auch zwei bis drei Pflanzensorten angebaut werden. Das ist ja für Großbetriebe mit Monokulturen eher eine schlechte Nachricht?

    Hemmerling: Es war eher das Problem für kleinere Betriebe im Bereich 30 bis 50 Hektar, auch Nebenerwerbsbetriebe. Die größeren Landwirtschaftsbetriebe haben nicht das Problem mit dieser Diversifizierung der Ackerkulturen.

    Mense: Weil die ohnehin schon mehrere Pflanzen anbauen?

    Hemmerling: Weil sie ohnehin mehrere Pflanzen anbauen. Es ist der kleine Nebenerwerbsbetrieb mit 20 Hektar Getreide, der eine hervorragende Fruchtfolge hat, hintereinander weg, aber es wird halt immer nur auf das eine Jahr geschaut. Da sind die kleinen dann etwas benachteiligt. Das ist die bürokratische Verwaltungssicht, die das Greening dann auch kompliziert macht.

    Mense: Da können Sie aber jetzt keinen Einfluss nehmen, indem das anders gestaltet wird?

    Hemmerling: Insgesamt beim Greening, der gesamte Kompromiss bewegt sich in eine Richtung, wo man sagen kann, das kann man mit aktiver Landwirtschaft umsetzen, und wir reden halt nicht mehr über eine Zwangsstilllegung. Das löst sich auf.

    Mense: Keinen Kompromiss gab es bei der Forderung von Kommission und Parlament, vor allen Dingen die Subventionen bei 300.000 Euro pro Jahr und Betrieb zu deckeln, was das EU-Parlament ja auch nach wie vor will. Sie waren immer gegen betriebliche Obergrenzen. Was ist eigentlich so schlecht daran?

    Hemmerling: Wir waren immer und sind immer dafür, das Konzept der einheitlichen Flächenprämie in Deutschland und in Europa auch wirklich fortzusetzen, und wir meinen, dass da eine betriebliche Deckelung nicht in das System hinein passt.

    Mense: Und wie wird das jetzt ausgestaltet werden? Jetzt haben ja die nationalen Staaten ein gewisses Eingriffsrecht, sie können jetzt selbst ausgestalten, wie sie die Direktzahlungen dann deckeln.

    Hemmerling: Nach dem, was wir hören, ist gerade dieser Punkt zwischen Rat und Parlament im Trilog jetzt auch noch umstritten, wie es genau aussieht.

    Mense: Und was würden Sie sich wünschen?

    Hemmerling: Wir gehen weiterhin davon aus, dass wir für Deutschland die einheitliche Flächenprämie ohne betriebliche Obergrenzen umsetzen können.

    Mense: Blicken wir noch kurz auf ein anderes Thema, Herr Hemmerling. In Sachen Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung gab es gestern auch noch einen Durchbruch. Wir berichten gleich noch ausführlicher darüber. Heute ist das Thema im Vermittlungsausschuss. Es soll weniger Antibiotika in der Tierhaltung geben. Vor allem sollen die Betriebe erst mal melden müssen, welche Medikamente sie überhaupt verabreichen. Das ist ja wohl eine dringend notwendige Mindestanforderung, oder?

    Hemmerling: Wir gehen mit, den Antibiotika-Einsatz zu minimieren. Es muss natürlich weiterhin möglich sein, dass man kranke Tiere behandeln kann. Das muss weiterhin möglich sein. Unser Problem ist jetzt, dass, ich sage mal, hier eine Doppel- und Mehrfach-Dokumentation nach dem Gesetzeskompromiss vermutlich aufgebaut wird, bei Landwirten, bei Tierärzten erst mal doppelt, dann noch mal doppelt in der betrieblichen Eigendokumentation und dann noch mal für die staatliche Datenbank. Da wünschten wir uns etwas mehr Abstimmung der Dokumentation.

    Mense: Wenn Sie sagen, die Menge, es muss weiterhin möglich sein, Medikamente zu verabreichen – wenn ich mal eine Zahl zitieren darf: 2011 wurden 1700 Tonnen Antibiotika in der Tierhaltung verabreicht. Das ist doch echt eine Menge, oder?

    Hemmerling: Die Menge kann man gar nicht so genau beurteilen. Es geht darum, die Einsatzmengen natürlich zu reduzieren. Da haben wir auch noch Spielräume. Es geht aber vor allen Dingen darum, das Thema Resistenzrisiken natürlich zu minimieren. Das ist fast noch wichtiger als die reine Mengensenkung. Und da kann die Dokumentation natürlich helfen, sie muss nur, ich sage mal, clever gemacht werden.

    Mense: Udo Hemmerling, vielen Dank, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes. Ich danke für das Gespräch.


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